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«Vitus» wird keinen Oscar gewinnen

"Vitus" kam zwar unter die letzten neun, doch im Rennen für den Oscar ist er nicht mehr. (Bild: Hugofilm)

Der Film "Vitus" des Schweizer Regisseurs Fredi M. Murer ist in der Kategorie der besten ausländischen Filme nicht unter die besten fünf gekommen.

«Vitus» hatte einige Publikumserfolge an internationalen Festivals feiern können. Letzte Woche hatte er bei der Oscar-Ausscheidung das Halbfinale erreicht.

Die Schweizer Filmfreunde hatten die Luft angehalten, denn seit 1991 hat es kein Schweizer Film mehr geschafft, einen Oscar als bester ausländischer Film zu erhalten. Damals ging die begehrte Statue an das Flüchtlingsdrama «Reise der Hoffnung» von Xavier Koller.

Nun ist «Vitus» zwar auf die Shortlist der besten neun Filme gekommen, doch für die Endrunde als bester ausländischer Film hat es nicht gereicht.

Der Streifen von Fredi M. Murer hat in der Schweiz und in Deutschland bereits viel Erfolg gehabt. Auf diversen Filmfestivals wie in Rom oder in Los Angeles erhielt er Publikumspreise.

Ein echtes Genie

Der Film erzählt die Geschichte eines musikalischen Wunderknaben, dargestellt von Teo Gheorghiu, einem in der Schweiz geborenen Sohn rumänischer Eltern. Bei Beginn der Dreharbeiten war Teo Gheorghiu 12 Jahre alt und hatte bereits eine Laufbahn als Konzertpianist eingeschlagen.

«Meiner Meinung nach handelt es sich um den besten Film des Jahres. Vor allem Bruno Ganz in der Rolle des Grossvaters hat mir sehr gut gefallen», sagt der Filmkritiker der SonntagsZeitung, Matthias Lerf.

Antonio Mariotti, Filmkritiker des «Corriere del Ticino», lobt hingegen in erster Linie die Leistung des jungen Hauptdarstellers: «Im Gegensatz zu den meisten Filmen, in denen die Schauspieler gedoubelt werden müssen, ist in diesem Film das schauspielende Kind auch selber das Wunderkind. Dies erlaubt dem Regisseur sehr lange Sequenzen, in denen der Junge beispielsweise in einen Raum geht, sich ans Klavier setzt und fantastische Stücke spielt. Dies ist sehr rührend und überraschend in diesem Film», kommentiert Mariotti.

Zwei Generationen von Filmemachern

Fredi M. Murer gehört zu den wenigen noch lebenden Gründungsvätern des neuen Schweizer Films. Und er ist in seiner cineastischen Tätigkeit nie grosse Kompromisse eingegangen.

Den Film «Vitus» hätte er beispielsweise auch mit einem Schauspieler drehen können, dem er ein Double zur Seite stellt. Aber das Resultat wäre sicherlich nicht das Gleiche gewesen.

Man muss auch erwähnen, dass der Film eine lange Entstehungsdauer hatte. Murer hatte seine Aktivität auf dem Set an einem bestimmten Punkt eingestellt und erst wieder aufgenommen, als ihm der junge Filmemacher Peter Luisi zur Seite stand. Dieser hatte eine Ausbildung in Amerika hinter sich und schaffte es, dem Streifen mehr Leichtigkeit und Frische einzuhauchen.

Murer ist in seinen Geschichten eher trocken und wenig ausschweifend. In «Vitus» erzählt er hingegen fast ein Märchen. Dabei es ist ihm gelungen, die Geschichte um den Wunderknaben zu erzählen, ohne daraus einen Dokumentarfilm zu machen.

Ein Superfilmjahr

Falls «Vitus» für die Oscars nominiert worden wäre, hätte dies die Krönung für ein absolut aussergewöhnliches Schweizer Film-Jahr bedeutet.

Denn 2006 war ein Ausnahmejahr für das helvetische Filmschaffen. 37 Spielfilme wurden produziert. 55 Produktionen, darunter 15 Dokumentarfilme und 22 Kurzspielfilme, wurden an internationalen Filmfestivals gezeigt. 37 Filme erhielten Preise.

Im Gegensatz zu vielen anderen Jahren, in denen maximal zwei Schweizer Filme die Kassen der Kinos klingeln liessen, hatten 2006 eine ganze Reihe von Schweizer Filmen Erfolg beim heimischen Publikum. Insgesamt wurden im Jahr 2006 in Schweizer Filmtheatern 14 Millionen Billette verkauft, davon 10% oder 1,4 Millionen für Schweizer Filme.

swissinfo, Raffaella Rossello
(Aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Murer ist ein unabhängiger Regisseur, der dem Schweizer Filmschaffen wesentliche Impulse verliehen hat.

Zu seinen berühmtesten Filmen gehören «Vollmond» (1998), «Der grüne Berg» (1990), «Höhenfeuer» (1985) und «Grauzone» (1978).

«Vitus» ist nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland sehr gut angekommen.

An der Berlinale in Berlin gewann «Vitus» den Bronzenen Bären.

Die amerikanische Akademie der filmischen Künste und Wissenschaften hat dieses Jahr neue Regeln für die Kür des besten ausländischen Films eingeführt.

In einer ersten Vorauswahl wurden 9 Filme ausgewählt, darunter «Vitus».

Am 23. Januar wurde entschieden, welche Filme in die Endrunde mit fünf Finalisten gelangen.

«Days of Glory» (Algerien) von Rachid Bouchareb.

«Water» (Kanada) von Deepa Mehta.

«Nach der Heirat» (Dänemark) von Susanne Bier.

«Das Leben der anderen» (Deutschland) von Florian Henckel von Donnersmarck.

«Das Labyrinth des Pfauen» (Mexiko) von Guillermo del Toro.

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