Wirklichkeit ist subjektiv
Das Dokumentar-Filmfestival "Visions du Réel" in Nyon zeigt in seinem neunten Jahr 116 Filme aus 30 Ländern, auch aus der Schweiz.
Präsentiert wird eine Vielfalt von Werken: Vom Essay über die Reportage bis hin zum Experimentalfilm oder filmischen Tagebuch.
Eigentlich gibt es das Dokumentar-Filmfestival von Nyon schon seit über 30 Jahren: Entstanden ist es im Jahr 1969 aus der Bewegung der Filmklubs. Seither hat Nyon seinen Ruf als spannendes und innovatives Festival stetig ausgebaut.
Dies vor allem seit 1995, als das Festival eine neue konzeptionelle Ausrichtung und einen neuen Leiter erhielt: Jean Perret, selber Filmemacher. Er brachte frischen Wind nach Nyon. Für ihn sprengen die vielschichtigen Möglichkeiten des Mediums das traditionelle Konzept des Dokumentarfilms.
Realität und Vision
Perret spricht denn auch lieber vom «Cinéma Réel» als vom Dokumentarfilm: «Wir zeigen Filme, die einerseits echte Kinofilme sind, andererseits aber auch eine glaubwürdige Geschichten erzählen. Filme, die sich grundsätzlich mit dem Realen auseinandersetzen und dadurch eine persönliche, subjektive Wirkung erzielen.»
Im diesjährigen Programm ist eine Vielzahl von Sprachen und Kulturregionen vertreten: 116 Festivalfilme aus 30 Ländern. 22 davon nehmen am Wettbewerb teil, der mit zwölf Uraufführungen aufwartet.
Im Wettbewerb ist lediglich ein einziger Schweizer Beitrag zu sehen. In den anderen Festival-Sektionen ist die Schweiz mit rund 20 Produktionen jedoch stark vertreten.
In der internationalen Jury hat auch alt Bundesrätin Ruth Dreifuss Einsitz, die frühere Kulturministerin der Schweiz. Sie hatte einst gegenüber swissinfo das Festival von Nyon als «ihr Liebstes» bezeichnet.
Zeitgeist
Zu sehen sind in Nyon Experimentalfilme, Autorenportäts, Essayfilme. Es geht um aktuelle Themen dieser Welt, um persönliche Schicksale und gesellschaftliche Probleme.
Laut Festivaldirektor Perret figurieren im Programm auch Filme, «die über diese gewalttätige Welt reflektieren, indem sie sich für das Individuum interessieren. Filme, welche die Welt vom eigenen Blickwinkel aus im Grossen erforschen.»
Als besonders brisant bezeichnet Perret das Werk des Österreichers Ulrich Seidl. «Seidl setzt sich direkt, leidenschaftlich und frech mit seinem Land auseinander. Seine Filme sind unglaublich stark, für gewisse Leute gar skandalös und voyeuristisch.»
Jeder kann Filme drehen
Laut Jean Perret hat sich der Dokumentarfilm in den letzten Jahren enorm gewandelt, vor allem seit es die kleinen und billigen Videokameras gibt: «Damit können Filme gedreht werden, die gestern oder vorgestern nicht möglich gewesen wären. Filme, die sich mit dem eigenen Leben beschäftigen.»
Aber, so Perret: «Es ist verdammt kompliziert, einen guten Film zu erzählen.»
swissinfo, Gaby Ochsenbein
Visions du Réel zeigt 116 Filme aus 30 Ländern.
Die Schweiz ist mit rund 20 Filmen vertreten.
Im Wettbewerb stehen 22 Werke, darunter der Schweizer Film «Il viaggio a Misterbianco» von Paolo Poloni.
Die Schweizer alt Bundesrätin Ruth Dreifuss ist Mitglied der Jury.
Das Festival wurde bereits 1969 aus der Taufe gehoben.
In Nyon kamen osteuropäische Produktionen zur Aufführung, aber auch Filme aus anderen Weltregionen.
Das Dokumentarfestival von Nyon erhielt 1995, als Jean Perret das Zepter übernahm, den neuen Namen «Visions du Réel». Damit wurde der Begriff des Dokfilmes erweitert.
Nyon ist auch international zu einem wichtigen Treffpunkt des «Cinéma du réel» geworden.
Nebst Nyon sind auch das Filmfestival Locarno, das Internationale Filmfestival Freiburg sowie die Solothurner Filmtage über die Landesgrenze hinaus bekannt.
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