Alinghi: Vom Gerichtssaal Kurs hinaus aufs Meer
Alinghi hat den Kampf am grünen Tisch gegen Oracle verloren: Ein US-Gericht erklärte das US-Team zum rechtmässigen Vertreter der Herausforderer. 2010 kommt es zum Duell der Erzrivalen mit Trimaran-Booten.
Ernesto Bertarelli, Milliardär und Besitzer von Alinghi, dem zweifachen America’s-Cup-Sieger, hat hoch gepokert. Und viel verloren. Der Defender muss schon 2010 gegen Oracle antreten. Die Erzrivalen machen den Sieg um die älteste Sporttrophäe der Welt in einer Serie Best of three aus.
Die Ausgangslage präsentiert sich für das Team des Milliardärs Larry Ellison ungleich besser als für das Schweizer Syndikat: Während Skipper Russell Coutts den Oracle-Trimaran seit Monaten testet, steht bei Alinghi die Entwicklung des Dreirumpf-Bootes seit letztem August still. Wollen Bertarelli & Co. ihren Titel verteidigen, muss Alinghi jetzt volle Segel setzen.
Nils Frei, als Trimmer (Segel-Ausrichter) einziger Schweizer Segler im Team des zweifachen Cupholders, äussert sich zu den Aussichten für Alinghi.
swissinfo: Wie reagierten Sie auf das Urteil des US-Gerichts?
Nils Frei: Es scheint mir nicht sehr kohärent, denn vor weniger als einem Jahr war dasselbe Gericht genau zum umgekehrten Schluss gekommen. Aber wir akzeptieren das Urteil und sind parat, uns den neuen Herausforderungen zu stellen.
swissinfo: Wie konnte der Konflikt zwischen Alinghi und Oracle solche Ausmasse annehmen?
N.F.: Das ist eine lange und komplizierte Geschichte. Sie geht auf den Sommer 2007 zurück. Nach der Verteidigung des America’s Cup machte Alinghi den Fehler, das spanische Syndikat zum offiziellen Vertreter der Herausforderer zu wählen. Dies gab Oracle die Möglichkeit, uns vor Gericht zu ziehen. Sie unternahmen alles, um ihrer Strategie zum Durchbruch zu verhelfen. Dabei griffen sie auch zu aggressiven Mitteln.
swissinfo: Ist Alinghi nicht selbst für den Zeitdruck verantwortlich? Bertarelli wollte den Cup ursprünglich schon 2009 wieder verteidigen.
N.F.: Nein. Die letzte Austragung in Valencia war ein grosser Erfolg, die Idee, von diesen Elan zu profitieren, war gut. Viele andere Teams waren derselben Meinung.
swissinfo: Hat der rund 20-monatige Rechtsstreit dem Ansehen des Segelsports geschadet?
N.F.: Ja, es ist bedauerlich für den America’s Cup. Wir selbst konnten manchmal kaum nachvollziehen, was auf gerichtlicher Ebene passierte. Viele Interessierte wandten sich vom Segelsport ab, was sicherlich dem öffentlichen Interesse für das Wettkampf-Segeln abträglich war.
Ich bin aber überzeugt, dass die Begeisterung mit der ersten Regatte wieder zurück kommt.
swissinfo: Wird Alinghi bereit sein, den Cup 2010 mit einem Trimaran zu verteidigen?
N.F.: Wir mussten uns seit letztem Jahr auf dieses Szenario vorbereiten. Jetzt wird die Option der Mehrrumpf-Boote konkret. Es ist aber noch zu früh, präzise Aussagen darüber zu machen.
Alinghi und Oracle nehmen unverzüglich Gespräche auf. Danach wissen wir, ob wir mit Mehrrumpf- oder Monocoque-Booten segeln. Oracle ist zwar offizieller Herausforderer. Aber das heisst nicht, dass sie alles bestimmen können. Alinghi als Defender bestimmt etwa den Austragungsort.
swissinfo: Was bedeuten die Unterschiede zwischen Mehrrumpf- oder Monocoque-Boot für die Segler?
N.F.: Nach dem ersten gerichtlichen Sieg von Oracle optierten wir 2008 stark für Mehrrumpf-Boote. Dies wird auch dieses Jahr so sein. Ich denke nicht, dass die Umstellung an die riesigen Mehrrumpf-Boote uns Probleme bereiten wird. Unsere Aufgaben bleiben dieselben wie auf Monocoque-Booten.
swissinfo: Wer hat angesichts der knapp 30 Meter langen Mehrrumpf-Boote mehr Hühnerhaut: Die Segler oder die Ingenieure?
N.F.: Der Bau solcher Boote ist eine enorme technologische Herausforderung, gerade vor allem für die Designer. Die Segler müssen auf enorme Kräfte und Spannungen gefasst sein, die solche Boote entwickeln können. Fehler können sich schnell zu gefährlichen Situationen wandeln. Aber das macht uns keine Angst.
swissinfo-Interview: Samuel Jaberg
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
Challenger. Nach der Verteidigung des America’s Cup 2007 bestimmte Alinghi-Boss Ernesto Bertarelli für die nächste Austragung das spanische Syndikat als Vertreter der Herausforderer. Oracle beschuldigte das Schweizer Team darauf, sich dadurch einen Regelvorteil verschafft zu haben.
Deed of Gift. So heisst die Gründungsurkunde des America’s Cup. Oracle behauptet, dass der Klub hinter dem spanischen Syndikat fiktiver Natur ist und deshalb die obligatorische jährliche Regatte auf See nicht organisieren kann.
Prozess. Nach 20-monatiger Dauer gibt ein New Yorker Appellationsgericht am 2. April 2009 Oracle recht. Alinghi muss jetzt mit dem US-Team über die Regeln des nächsten Cups verhandeln.
Mehrrumpf-Boote. Oracle hat sich bereits dafür ausgesprochen, den nächsten Cup 2010 in einem Zweier-Duell mit Mehrrumpf-Booten auszutragen. Sieger wäre, wer zuerst zwei Regatten gewinnt. Die anderen 18 Teams wären Zuschauer.
Bei seiner ersten Teilnahme 2003 gewann Alinghi den America’s Cup in Neuseeland.
Damit gewann erstmals ein Boot aus der Schweiz die traditionsreichste Trophäe in der Welt des Segelsportes.
Noch nie zuvor in der 150-jährigen Geschichte holte ein Bewerber die Silbertrophäe nach Europa.
2007 gelang Alinghi im spanischen Valencia mit einem 5:2-Sieg gegen das Team New Zealand in einem Hitchcock-Finale die Titelverteidigung.
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