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Anti-Doping-Chef unterstützt härtere Gangart

2002 wurde Marion Jones in Zürich noch als Sprintkönigin gefeiert, heute ist sie nicht mehr willkommen. Keystone

Swiss Olympic (SO) steht hinter dem Entscheid der Meeting-Verantwortlichen von "Weltklasse Zürich", welche die unter Dopingverdacht stehende Olympiasiegerin Marion Jones nicht eingeladen hatten.

Im swissinfo-Interview bekräftigt Oliver Hintz, Chef der Anti-Doping-Kommission von SO, diese härtere Gangart.

Die Olympischen Spiele, die am 13. August beginnen, werden bereits seit Wochen von Doping-Gerüchten überschattet.

Die Anti-Doping-Behörde der USA (USADA) überprüft derzeit eine Reihe ihrer Top-Athleten, darunter auch die für Athen qualifizierte Marion Jones.

Letzte Woche hatte Nicolas Russi vom Leichtathletik-Meeting Weltklasse Zürich erklärt, dass Jones nicht eingeladen werde. Das Meeting, das zur Golden-League-Serie gehört, findet am Freitag statt.

“In der gegenwärtigen Situation wollen wir keine Athleten auf der Startlinie haben, die in Dopingfälle verwickelt sind”, sagte er.

swissinfo sprach mit Oliver Hintz, Geschäftsstellenleiter der Fachkommission für Dopingbekämpfung von Swiss Olympic, der Dachorganisation der Schweizer Sportverbände, über Doping und den mühsamen Kampf dagegen.

swissinfo: Finden Sie den Entscheid gerechtfertigt, Marion Jones nicht nach Zürich einzuladen?

Oliver Hintz: Ich verstehe den Entscheid der Organisatoren von Weltklasse Zürich. Man hat schon so viel über den Fall Jones gehört.

Im Moment sind es zwar nur Gerüchte. Doch ich bin überzeugt, dass keine Gerüchte kursieren würden, wenn die USADA nicht einige Fakten auf dem Tisch hätte.

swissinfo: Sollte sie in Athen trotz des Verdachts an den Start gehen?

O.H.: Das ist allein ihre Entscheidung. Sie sagt, sie sei unschuldig, und sie wolle nach Athen gehen. Das ist nicht erstaunlich.

An ihrer Stelle würde ich verzichten. Die Olympischen Spiele sind viel bedeutender als eine Weltmeisterschaft. Es steht viel mehr auf dem Spiel, zum Beispiel der olympische Geist.

Athleten, die unter Doping-Verdacht stehen, sollten die Spiele nicht mit diesem dunklen Schatten überziehen.

swissinfo: Im Vorfeld der Olympischen Spiele spricht die ganze Sportwelt wieder über Doping. Sind Sie erstaunt?

O.H.: Nein, das bin ich nicht. Als der THG-Skandal (Steroide) bekannt wurde, sprach ich mit Terry Madden, dem Chef der USADA. Er sagte mir, dass nun einige Fälle ans Licht kommen würden.

Wir wissen, dass die USA in den letzten 20 Jahren keine wirkliche Anti-Doping-Politik hatte. Nun, mit der USADA, hat sie eine.

swissinfo: Hat die Schweiz mehr gegen Doping unternommen?

O.H.: Auf jeden Fall. Wir haben seit 1999 die Anti-Doping-Kommission, ein unabhängiges Organ innerhalb von SO. Während der letzten acht Jahre haben sich die Kompetenzen von den einzelnen Sportverbänden hin zu Swiss Olympic verschoben.

Wir haben auch den WADA-Code (World-Anti-Doping-Agency) unterschrieben und umgesetzt und sind bei der IADA-Vereinbarung (International Anti-Doping-Arrangement) dabei.

Ich bin überzeugt, dass die Schweiz im Kampf gegen Doping weltweit zu den 15 führenden Ländern gehört.

swissinfo: Wie sicher sind diese Tests? Können sie garantieren, dass jedes der 100 Mitglieder der Schweizer Delegation für Athen sauber ist?

O.H.: Das kann man nie sagen, weil die Tests ja nur Stichproben sind. Wir führen um die 1900 Tests pro Jahr durch.

Pro Athlet oder Athletin wären eigentlich jährlich fünf Tests nötig. Doch das ist nicht möglich, weil unsere Ressourcen beschränkt sind.

Daher gibt es Athleten, die vielleicht zehnmal, und andere, die gar nie getestet wurden.

Klar ist, dass alle Athleten, die nach Athen gehen, eine Menge Tests gemacht haben. Wir haben mit den 100 Personen 400 Tests durchgeführt.

swissinfo: Wie sieht es mit dem Gen-Doping aus? Wie gross ist diese Gefahr?

O.H.: Zur Zeit ist es kein Problem, doch in einigen Jahren könnte es ein sehr, sehr grosses werden. Wenn diese Methoden in Kliniken angewendet werden können, werden sicher einige Athleten davon profitieren wollen.

Wissenschafter, die an einer genetischen Therapie gegen Muskelschwund arbeiten, haben bereits einige Anfragen von Athleten bestätigt.

swissinfo: Sollten IOC-Mitgliedsländer, die den WADA-Code nicht unterschreiben, von den Spielen ausgeschlossen werden?

O.H.: Das wäre gut. Sie sollten weder an Olympischen Spielen noch an Weltmeisterschaften teilnehmen und auch keine Wettkämpfe auf dieser Stufe durchführen dürfen.

Der Druck sollte zunehmen, damit dieses Abkommen unterzeichnet wird.

swissinfo: Denken Sie während eines Rennens oft, der oder die sieht aus, wie wenn sie gedopt wäre?

O.H.: Ja. Doch noch vor einigen Jahren war ich nicht sicher, ob die Betreffenden auch wirklich überführt würden. Heute stehen die Chancen gut, dass erwischt wird, wer gedopt ist.

swissinfo-Interview: Adam Beaumont
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

Budget 2004 der Welt-Anti-Doping-Behörde (WADA): 25,9 Mio. Fr.

Der Schweizerische Olympische Verband (SOV) ist überzeugt, dass sich die harte Linie gegen Doping auszahlt.

Nur striktere internationale Regeln könnten den Dopingsündern das Leben schwerer machen.

Während laufend neue Drogen oder genetische Therapien eine Bedrohung darstellen, werden laut Schweizer Anti-Drogen-Experten auch die Tests immer ausgefeilter.

In Athen kommt erstmals der weltweite Anti-Doping-Code zur Anwendung. Das erste Dokument, das internationale Regeln im Umgang mit Doping für alle Staaten und Sportarten setzt.

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