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Auf der Suche nach dem schmutzigen Geld

Wirtschaftskriminelle betrügen immer raffinierter. swissinfo.ch

In einem neuen Ausbildungs-Zentrum können sich Polizei, Anwälte und Treuhänder sowie Banken über die neuesten Trends der Wirtschaftskriminalität informieren.

Das Bedürfnis nach spezialisierter Ausbildung derer, die gegen Finanzkriminalität kämpfen, steigt.

Vor zwei Jahren begann die Hochschule für Wirtschaft (HSW) in Luzern mit dem ersten Studiengang der Schweiz für «Wirtschaftskriminalistik».

Der gleiche Studiengang wird auf Französisch an der Hochschule für Management in der Westschweizer Stadt Neuenburg angeboten.

Jetzt haben die ersten 43 Berufsleute die Ausbildung abgeschlossen, und in der Schule befindet sich nun das einzige Schweizer Institut – oder «Competence Center» – für Wirtschaftskriminalität.

Das neu geschaffene Zentrum ist ein Schlüsselelement im immer formalisierteren Vorgehen der Schweiz gegen die Wirtschaftskriminalität.

Das Land hat zum Teil aufgrund von Kritik aus dem Ausland seine Gesetzgebung verschärft, um Geldwäscherei, Betrug und Bestechung besser bekämpfen zu können.

Dies führte zu vermehrter Nachfrage nach entsprechend ausgebildeten Leuten, um Wirtschaftskriminelle auch aufzuspüren und gerichtlich zu verfolgen.

«Wirtschaftskriminelle verfügen über besondere Fähigkeiten», erklärte Adrian Lobsiger, Leiter des Fachhochschulkurses gegenüber swissinfo.

«Um diese spezielle Art Kriminalität verstehen und untersuchen zu können, müssen wir unsere Leute ausbilden und ihnen die gleichen Fähigkeiten vermitteln», fügte er bei.

Detektive aus dem Privatsektor

Zu den Studienfächern gehören Recht, Wirtschaft und Computerforensik.

Am letztjährigen Studiengang wurden Themen wie Missbrauch von Entschädigungen an Geschäftsführer, Kreditbetrug, Steuerhinterziehung, E-Mail-Kriminalität, Wirtschaftsspionage und sogar Geldwäscherei im professionellen Fussball behandelt.

Obwohl der Kurs für Mitglieder von Behörden konzipiert ist, ist laut Lobsiger auch die Privatwirtschaft daran interessiert.

«In den ersten Klassen gab es eine gute Mischung von Leuten aus der Privatwirtschaft und aus staatlichen Stellen», führte Lobsiger aus.

«Wir hatten Angestellte von Banken, Versicherungsgesellschaften, Rechnungsprüfungsfirmen und Anwaltskanzleien.»

Die Schweizer Finanzinstitutionen spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Aufspürung von Wirtschaftskriminalität und schmutzigem Geld.

Aufgrund der Regel «Know your customer» («Kenne deine Kunden») sowie der Forderungen nach Benachrichtigung durch Banken, bei denen prominente Persönlichkeiten aus der Politik – so genannte «politisch exponierte Personen» – Geld anlegen, sind die Finanzinstitute verpflichtet, detaillierte Datenbanken zu unterhalten und elektronische Systeme zur Aufspürung illegaler Gelder einzuführen.

Die grösste Schweizer Bank, die UBS, führt eine Liste von rund 200’000 Namen prominenter Politiker und deren Familien und Entourage aus der ganzen Welt.

Bedrohter Ruf

Laut Lobsiger hat die Schweiz gar keine andere Wahl als ihren Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität zu verstärken, wurde doch ihre finanzielle Redlichkeit oft in Frage gestellt. Und die Finanzinstitute sind auf einen guten Ruf angewiesen.

«Unsere Finanzwelt sorgt sich um ihren Ruf», so Lobsiger.

«Die Firmen wollen diesen Ruf wahren, deshalb arbeitet die Privatindustrie zusammen mit Auditoren und entsprechenden Dienststellen zusammen, um Straftaten zu vermeiden.»

Susanne Pälmke von der Bundesanwaltschaft hat den Lehrgang vor kurzem abgeschlossen und meinte gegenüber swissinfo, dass sie damit ihr Wissen auf den neusten Stand bringen konnte.

«Ich bin sehr interessiert an Bekämpfung und Untersuchung von Wirtschaftskriminalität, und ich wusste, dass mein Wissen nicht ausreichte, um dies richtig zu tun», so Pälmke.

«Ich studierte (vor über 12 Jahren) Rechtswissenschaft an der Universität Zürich, und damals gehörte Wirtschaftskriminalistik nicht zu den Hauptfächern des Studiums”, fügte sie bei.

Neue Herausforderungen

Zwar helfen der Kurs und das Kompetenzzentrum mit, die Anstrengungen der Schweiz im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität zu verstärken. Aber ob die Behörden grenzüberschreitende Kriminalität gerichtlich verfolgen können, ist fraglich.

Das Internet und die Globalisierung allgemein bieten ganz neue Möglichkeiten für Kriminelle, welche oft Techniken benutzen, die erst nach Jahren bekannt werden.

«Man hinkt immer hintennach, und die Kriminellen haben natürlich immer einen Wissensvorsprung», erklärte Lobsiger. «Aber ich denke, wir holen laufend auf.»

Sowohl Lobsiger wie Pälmke räumen ein, dass es in der Wirtschaftskriminalität schwierig ist vorauszusagen, welches das nächste «grosse Ding» ist, das gedreht wird.

Heute werden Geldwäscherei und Terrorismus bekämpft, morgen ist es vielleicht die organisierte Computerkriminalität.

Regelkonform

Laut Lobsiger werden die Gesetze gegen die Wirtschaftskriminalität in der ganzen Welt einheitlicher.

«Eines Tages werden die gesetzlichen Unterschiede wegfallen. Es ist langfristig vielleicht wichtiger, all diese Gesetze und Regulierungen zu erlassen und zu vollziehen.

«Da ich den Charakter von Schweizer Bankangestellten, Beamten und Staatsanwälten kenne, würde ich sagen, es liegt in unserer Tradition, die Regeln im Berufsalltag einzuhalten.»

Obwohl auch andere Länder Ressourcen einsetzen, um Polizei und Staatsanwaltschaft im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität auszubilden, glaubt Lobsiger, dass die Schweizer Schule einzigartig ist.

«Wir haben die Unterstützung von Universitäten und arbeiten mit Professoren. Aber die meisten unserer Lehrkräfte kommen aus der Praxis. Eine Schule dieser Art hab ich bisher noch nirgends gesehen», sagte er.

swissinfo, Jacob Greber, Zürich
(Aus dem Englischen übersetzt von Charlotte Egger)

Wirtschaftskriminelle haben in der Schweiz ein klares Profil.

Am häufigsten kommt es zur Veruntreuung.

Die Bekämpfung ist wegen des Mangels an Fachleuten schwierig.

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