Behinderte demonstrieren in Bern
Rund 10'000 Behinderte, Angehörige und Betreuer sind am Samstag in Bern auf die Strasse gegangen, um gegen den Neuen Finanzausgleich (NFA) zu demonstrieren.
Der NFA bringe eine massive Verschlechterung ihrer Lebenssituation, befürchten die Behinderten.
Die Demonstranten, welche dem Aufruf des Vereins «Behinderte gegen die NFA» gefolgt waren, gaben ihrem Unmut mit Rasseln und Pfeifen Ausdruck.
Kantone können verfügen
Über den NFA wird am 28. November abgestimmt. Der Bund überträgt im NFA Leistungen für die Behinderten an die Kantone. Rund 2 Mrd. Franken werden von der IV zu den Kantonen verschoben, die damit künftig Wohnheime, Werkstätten und Sonderschulungen für Behinderte finanzieren sollen.
Auch für Ergänzungsleistungen sowie die Fort- und Weiterbildung von Behinderten-Fachpersonal sollen künftig die Kantone zuständig sein. Die Behinderten und ihre Organisationen befürchten nun, dass diese Gelder auf Grund des Spardrucks in den Kantonen künftig nicht mehr zu ihren Gunsten, sondern für andere Zwecke verwendet werden.
«IV-Gelder für Steuersenkungen»
Die Behinderten sagten Nein zu einer Lösung, mit der IV-Gelder künftig für Steuersenkungen eingesetzt würden und welche den Sozialstaat zum Fürsorgestaat degradiere, sagte der Thurgauer SP-Nationalrat Jost Gross, Präsident des Vereins «Behinderte gegen die NFA» und von «Pro Mente Sana». Die Behinderten forderten die Gleichbehandlung, wie sie in der Verfassung festgeschrieben sei.
Zu den Referenten gehörte auch der Präsident der Organisation «CuraViva» und ehemalige Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen, Otto Piller. Mit der NFA werde ein bewährtes System zerstört und durch ein Flickwerk von 26 Kantonslösungen ersetzt, sagte Piller.
Die Erfahrungen im Gesundheitswesen zeigten, dass zentrale Aufgabenbereiche vom Bund geregelt werden müssten. Als negatives Beispiel nannte Piller die Erfahrungen mit 26 unterschiedlichen Lösungen zur Verbilligung der Krankenkassenprämien.
Breite Allianz
Die Kundgebung verlief ohne Zwischenfälle. Laut der Berner Stadtpolizei wurden 18 Cars und 60 Kleinbusse gezählt. Das Schweizer Volk stimmt am 28. November an der Urne über den NFA ab.
Zur Kundgebung aufgerufen hatten mehr als 40 Behindertenorganisationen aus der ganzen Schweiz. In zwei Umzügen zogen die Teilnemer durch die Berner Innenstadt und vereinten sich vor dem Bundeshaus zu einer Platzkundgebung.
swissinfo und Agenturen
Befürworter kritisieren «Misstrauen»
Das Schweizerische Komitee «Ja zur NFA» dagegen kritisierte ein ungerechtfertigtes «Funktionärs-Misstrauen» gegen die Kantone.
Der Neue Finanzausgleich berücksichtige die Interessen behinderter Menschen vorbildlich. So dürften Behindertenorganisationen das Bundesgericht anrufen, wenn ihnen die Kantone die bisher vom Bund gewährten Beiträge kürzten.
In Bern haben 10’000 Behinderte, Angehörige und Betreuer gegen den NFA protestiert.
Sie befürchten eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation.
Im NFA erhalten die Kantone von der Invaliden-Versicherung (IV) zwei Mrd. Franken.
Die Kantone werden dieses Geld für allg. Steuergeschenke etc. verwenden, kritisieren Behinderten-Organisationen.
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