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Buchpreisbindung wackelt

Eine Deregulierung des Buchhandels würde nicht zwingend zu tieferen Preisen führen. Keystone

Ein Buch kostet in Basel oder in Chur gleichviel. Die Buchpreisbindung in der deutschsprachigen Schweiz ist von vielen Seiten unter Druck.

In der französischsprachigen Schweiz ist die Buchpreisbindung bereits aufgehoben.

Seit mehr als 100 Jahren halten die Buchhändler und Verleger der deutschen Schweiz an einer vertraglich geregelten Preisbindung fest. Diese kartellartige Absprache im Buchhandel wird zur Zeit von der Wettbewerbskommission (WEKO) untersucht.

In der französischsprachigen Schweiz ist die Preisbindung bereits gefallen. Als Folge davon mussten seit dem Jahr 2001 insgesamt 34 Buchhandlungen schliessen.

Die Lage am Buchmarkt der deutschsprachigen Schweiz ist verworren. Seit Bücher, Videos, Musik-CD’s und andere Verlagsprodukte elektronisch über das Internet frei Haus bestellt werden können, sind straffe Buchpreisbindungen kaum mehr durchsetzbar.

Ein Versuch dokumentiert die Schwachstellen: Bei www.amazon.de kostet eine Taschenbuchausgabe des «Stiller» von Max Frisch 10 Euro. Derselbe Klassiker des Schweizer Starautors ist bei www.buch.ch für 14 Euro zu haben.

Wettbewerb richtet nicht alles

Die Branchenvertreter haben bereits angekündigt, dass sie ein allfälliges Verdikt der WEKO gegen die Buchpreisbindung bekämpfen werden. Im Buchhandel bestehe ein Wettbewerb, der sich über die professionelle Beratung, die großen Bestände in den Läden, die kurzen Lieferfristen, Lesungen und über unterschiedliche Verkaufsflächen, nicht aber über den Preis der Bücher definiere.

Die Mischkalkulation auf der Basis von festen Preisen sei notwendig, damit auch in Zukunft unbekannte Autoren, anspruchsvolle Stoffe und ausgefallene Themen in Buchform auf den Markt kommen könnten. Verleger und Buchhändler fordern deshalb eine kartellrechtliche Ausnahmeregelung für den Buchmarkt.

Preisbrecher von innen

Die Kritiker der Buchpreisbindung führen ins Feld, dass Verleger und Gross-Buchhandlungen das Korsett der fixen Preise selbst am meisten durchbrechen.

Längst seien sie dazu übergegangen, die fixen Preise aufzuweichen, indem sie nach Ablauf der immer kürzer werdenden Intervalle für geschützte Hard-Cover-Editionen billige Taschen-Buchausgaben über Buchclubs verscherbelten.

Andere Verlage, wie zum Beispiel die «Süddeutsche Zeitung», werfen zu Tiefstpreisen verschiedene Klassiker der deutschen Literatur auf den Markt.

Deregulierung bringt tiefe Preise für Massenware

Die Zukunft und damit die Konzentration auf dem Deutschschweizer Buchmarkt hat schon begonnen. Bereits jetzt dominieren wenige Grossverlage das Geschäft.

Lediglich vier der rund 500 Verlagshäuser erzielen einen Umsatz von mehr als fünf Mio. Franken pro Jahr. Kleine Anbieter werden nur dann überleben, wenn sie lukrative Nischen im Buchmarkt bearbeiten, mehr Risiken eingehen und sich der neuen Herausforderung des elektronischen Buchhandels stellen.

Einig sind sich Befürworter und Gegner der Buchpreisbindung, dass eine Deregulierung des Marktes in der deutschsprachigen Schweiz nicht automatisch zu einer generellen Verbilligung der Bücher führen wird, wie die Beispiele von England und Schweden zeigen.

Frankreich hat die Preisbindung nach einer kurzen Phase der Deregulierung wieder eingeführt.

Buch: Ware oder Kulturgut?

Bücher sind nicht Produkte wie Weizen oder Stahl, die an den Rohstoffbörsen gehandelt werden. Bücher begleiten unser Leben. Sie fördern die emotionale und intellektuelle Entwicklung des Einzelnen.

«Wer längere Texte gedanklich erfasst und verarbeit, kann eigenständig denken, urteilen und kommunizieren», schreibt die Buchlobby Schweiz in ihrem Plädoyer für das Lesen.

Die Buchlobby Schweiz ist eine Initiative von Personen und Organisationen, die rund um das Buch und für das Buch arbeiten.

swissinfo, Erwin Dettling

Europäische Länder mit Buchpreisbindung:
Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Spanien
Ohne Buchpreisbindung:
Belgien, Finnland, Grossbritannien, Irland, Luxemburg, Schweden

In Schweizer Verlagen erscheinen jährlich rund 10’000 Bücher in allen Landessprachen.

Der Buch- und Literaturmarkt (ohne Presse) ist mit 2 Mrd. Franken Umsatz der grösste Bereich der schweizerischen Kulturwirtschaft, vor Musik, Kunst und Film.

Insgesamt arbeiten rund 500 Verlage in der Schweiz. Knapp 50 Verlage beschäftigen mehr als zehn Mitarbeitende, etwa zehn Unternehmen über 50.

Viele grössere Verlage wurden in den vergangenen Jahren von ausländischen Häusern übernommen. Rund die Hälfte der schweizerischen Buchproduktion wird exportiert.

Die Schweizer Buchhandlungen verkaufen pro Jahr etwa 40 Mio. Bücher im Wert von fast einer Milliarde Franken. Sie besorgen Ihrer Kundschaft 1,9 Mio. lieferbare Titel in allen Landessprachen.

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