Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Der angedrohte Krieg macht Touristen Angst

Die Touristen kommen nicht. Die Sommerferien wurden aufgeschoben. dipdip

Den Schweizer Reiseunternehmen geht es nicht gut in der aktuellen wirtschaftlichen Lage. Der Irak-Konflikt und angelaufene Krieg lässt die Buchungen noch mehr zurückgehen.

Junge Leute lassen sich trotz Irak-Krise nicht vom Reisen abhalten.

Bereits durch eine schleppende Konjunktur geschwächt, bereitet sich der Tourismus auf einen schwierigen Sommer vor. Seit Beginn des Irak-Konflikts haben die Buchungen bei vielen Ferienanbietern in der Schweiz zusätzlich abgenommen.

Der CEO des Schweizer Reiseunternehmens Kuoni, Hans Lerch: «Viele Kunden hätten die Mittel zu verreisen. Sie wollen aber abwarten, bis die unsichere Lage betreffend Irak sich verbessert hat.» Die Leute hätten Angst, und dann würden sie auch Billigst-Angebote nicht zum Reisen animieren, ist Lerch überzeugt.

Das Geld wäre vorhanden

Nach einem schlechten Jahr 2001, als das führende Schweizer Touristik-Unternehmen einen Verlust von 282 Mio. Franken einstecken musste, konnte Kuoni im 2002 wieder schwarze Zahlen schreiben und einen Gewinn von 26,2 Mio. ausweisen.

Wird der Irak-Krieg die kurzfristige Erholung wieder zunichte machen? Kuoni-CEO Lerch: «Sobald der Krieg vorbei ist und die Leute denken, es ist wieder sicher zu reisen, wird der Tourismus wieder ins Laufen kommen. Es war schon immer so.»

Er arbeite seit 30 Jahren in der Branche, so Lerch, und sei deshalb nicht allzu pessimistisch.

In den letzten sechs Wochen musste Kuoni jedoch einen Rückgang der Buchungen verzeichnen.

Fast alle haben Mühe

Kuonis Erfahrungen sind represäntativ für viele Schwizer Anbieter der Branche. Walter Kunz von Schweizerischen Reisebüro-Verband: «Die Buchungen kommen sehr zögerlich herein. In den letzten zwei, drei Wochen lagen sie 50% unter den Werten des Vorjahrs.»

Die Buchungen für den Frühling seien gut gewesen. Für die Sommersaison kämen aber in den Reisebüros des Verbandes bisher praktisch keine Buchungen herein. «Die Kunden informieren sich zwar, buchen aber noch nicht.»

Jüngere Kunden sind resistenter

Den Trend zür längeren Entscheidungsfindung spürt auch der Veranstalter STA Travel Schweiz. Auch bei ihnen braucht es mehr Beratung und Betreuung, bis ein Kunde sich entscheide, in die Ferien zu gehen und zu buchen, sagt Peter Anderegg, Leiter Marketing und Produkte bei STA Travel Schweiz.

Die Buchungen fielen nur leicht schwächer aus, sie hätten ungleich der anderen Anbieter keine Einbrüche zu verzeichnen. «Am Dienstag, einen Tag nachdem US-Präsident Bush die Kriegserklärung rausgegeben hat, lagen wir über Budget. Es herrscht ein wenig eine seltsame Stimmung im Moment. Wir haben in den letzten Tagen gute Umsätze gemacht.»

STA Travel hat ein eher jüngeres, lieber individuell reisendes und familiär ungebundeneres Kundensegment als die grossen Schweizer Anbieter wie Kuoni und Hotelplan. Dies sei vielleicht der Grund, warum STA von der Irak-Krise nicht so betroffen sei: «Wir sind relativ stabiler und weniger schwach als die andern, weil wir weniger Package-Touristen haben.»

Viel stärker gespürt als die seit Monaten schwelende Irak-Krise hätten sie den Schock des 11. September in Verbindung mit dem Grounding der Schweizer Airline Swissair, erläutert Anderegg: «Das hat uns sehr, sehr viel gekostet. Weil auch das Vertrauen weg war in die Swissair, in eine Institution.»

Nahost- und USA-Reisen rückläufig

Kulturreisen und Trekkings in Israel und Lybien würden, so Anderegg von STA-Travel, seit Beginn des Konflikts nicht mehr gebucht, Ägyptenferien nur noch wenig.

Nach wie vor ist New York die am zweithäufigsten gebuchte Destination beim Reiseanbieter für junge Leute. Generell aber hat seit Beginn des USA-Irak-Konflikt die Nachfrage nach USA-Reisen stark abgenommen, so Anderegg von STA Travel: «Dies hat einerseits wohl zu tun mit der Angst vor Terroranschlägen, andererseits ist es sicherlich auch ein wenig Ausdruck einer anti-amerikanischen Stimmung.»

Hotelplan wartet auch auf Buchungen

Hotelplan spricht wie Kuoni und der Reisebüro-Verband von ausstehenden Sommerbuchungen. Hotelplansprecher Hans Peter Nehmer bestätigt ebenfalls den Trend, dass die Leute zwar zur Beratung in die Filialen kommen würden, jedoch mit Buchen zuwarten wollten.

Wird die weltpolitische Lage und der von der USA angedrohte Krieg gegen den Irak die Schweizer Reiseunternehmen nach einer kurzen Erholung in eine neue Katastrophe hineinstürzen?

Hans Peter Nehmer von Hotelplan: «Alles, was ich im Moment sagen kann ist, dass wir eine sehr spezielle Situation erleben zur Zeit. Die Auswirkungen der Irak-Krise auf die Branche verunmöglichen praktisch auch eine Prognose für Ende Jahr.»

swissinfo

Die Schweizer Ferienanbieter spüren Konjunkturschwäche und Irak-Krise.
Abgewartet wird mehr aus Angst, nicht aus finanziellen Überlegungen.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft