Die Schweizer verlassen Haiti
Angesichts der verschärften Lage in Haiti hat die Hälfte der dortigen Schweizer Kolonie die Insel verlassen.
Haitis umstrittener Präsident Jean-Bertrand Aristide ist überraschend zurückgetreten und aus seinem Land geflüchtet.
Etwa die Hälfte der rund 160 Schweizer Staatsbürgerinnen und Bürger haben die karibische Insel wegen der prekären Sicherheitslage verlassen. Dies bestätigte am Sonntag der Sprecher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Simon Hubacher.
Die anderen auf den Listen des Generalkonsulats in Port-au-Prince figurierenden Schweizer hätten beschlossen, in Haiti zu bleiben. «Viele unter ihnen sind dort stark verwurzelt, da sie entweder Doppelbürger oder mit jemandem aus Haiti verheiratet sind», erläuterte Hubacher.
Das EDA verfolge die Lage aber weiterhin aufmerksam, bleibe mit seinen Landsleuten in Kontakt und halte sie auf dem Laufenden über die neusten Entwicklungen, sagte Hubacher weiter.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne die Schweiz, so der EDA-Sprecher, sie nicht alle evakuieren, wie dies etwa andere Länder getan hätten: Ein Dispositiv existiere zwar, komme aber nur als «ultima ratio» zur Anwendung.
Massaker vermeiden
In Port-au-Prince sagte Regierungschef Yvon Neptune am Sonntag vor Journalisten, Präsident Aristide habe erklärt, er wolle mit seinem Rücktritt ein Massaker verhindern. Neues Staatsoberhaupt wird verfassungsgemäss der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs, Boniface Alexandre.
Aristide, einst Hoffnungsträger der Armen und Garant der USA für Demokratie, hinterlässt nach über zwei Wochen bewaffneter Revolten und Gewaltexzesse ein Land, das im Chaos zu versinken droht.
Sowohl die ehemalige Kolonialmacht Frankreich wie auch die USA hatten ihre Unterstützung für Aristide bereits vor Tagen öffentlich aufgekündigt und ihn zum Rücktritt gedrängt.
Amerikanische Vermittlung
US-Aussenminister Colin Powell war nach Angaben von US- Regierungsbeamten entscheidend am Abgang Aristides beteiligt. Er habe sich persönlich für eine Lösung eingesetzt, hiess es in Washington.
Aus Oppositionskreisen verlautete, amerikanische und französische Diplomaten hätten Aristide gedroht, dass er wegen Drogenhandels angeklagt würde, wenn er nicht freiwillig zurücktrete.
Unterdessen wird über den Aufenthaltsort Aristides spekuliert: Marokko, Taiwan, Panama oder Südafrika sind als Asylländer im Gespräch. Marokko soll nach Medienberichten eine Aufnahme Aristides abgelehnt haben.
US-Marines
Die Vereinigten Staaten schicken nach dem Rücktritt des haitischen Präsidenten Marine-Infanteristen in den karibischen Staat. Dies kündigte US-Präsident George W. Bush am Sonntag in Washington an. Die Marines sollen helfen, die Ordnung wieder herzustellen.
«Es beginnt ein neues Kapitel» in der Geschichte Haitis, sagte Bush im Weissen Haus vor Journalisten.
Korruption und Diktatur
Seit Anfang Februar waren in Haiti bei bewaffneten Auseinandersetzungen mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen. Die Aufständischen, aber auch die mit ihnen nicht verbundene politische Opposition warfen Aristide Korruption und diktatorische Methoden vor.
Seine Macht hatte der Präsident unter anderem auf berüchtigte Schlägerbanden gestützt. Mit einem durchschnittlichen Tageseinkommen von rund einem Dollar gehört Haiti zu den ärmsten Ländern der Welt.
swissinfo und Agenturen
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