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Eine Datenbank gegen Rassismus

Verstoss gegen Rassismus-Strafnorm: Antisemitische Sprayereien auf Genfer Synagoge im April. Keystone

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus hat eine Internet-Datenbank mit Urteilen und Entscheiden zu Fällen von Rassen-Diskriminierung publiziert.

Die Dienstleistung richtet sich nicht nur an Fachleute, sondern auch an Behörden, Nichtregierungs-Organisationen und an alle, die sich für den Kampf gegen Rassismus interessieren.

«Die Datenbank ist eine Dienstleistung für die Allgemeinheit. Hier können sich Juristen, wie auch Nichtregierungs-Organisationen, Behörden, Opfer und sogar Täter über die gängige Gerichtspraxis orientieren», erklärte Doris Angst von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) gegenüber swissinfo.

Es sei das bisher grösste Projekt der EKR, und sie hätten dreieinhalb Jahre daran gearbeitet, so Angst weiter. Die genauen Kosten könne sie nicht abschätzen, allerdings sei der einzige Beitrag, den der Bund dafür geleitstet habe, der Bau der Datenbank.

«Weil wir das Projekt nicht noch länger hinauszögern wollten, sind wir jetzt mit einer Datenbank online gegangen, die die Rechtsprechung bis und mit 2002 dokumentiert.» Laut Angst werden die Urteile und Entscheide zu Rassismus-Fällen zunächst von den drei Folgejahren und dann laufend aufdatiert.

Fast 90 Rassisten verurteilt

Die Datenbank, die am Dienstag auf der Internet-Seite der EKR publiziert worden ist, dokumentiert die kantonale und bundesgerichtliche Praxis zur Rassismus-Strafnorm (Artikel 261bis StGB), die 1995 in Kraft getreten war.

Einsehbar sind insgesamt 277 Urteile und Entscheide aus den Jahren 1995 bis 2002. Insgesamt gelangten in dieser Zeit 212 Fälle vor eine gerichtliche Instanz, rund die Hälfte dieser Fälle wurde von den Strafverfolgungs-Behörden eingestellt.

Von den 110 Fällen, die zu einem Urteil führten, endeten 80% mit einer Verurteilung der Täterschaft. Unter den Tätergruppen finden sich mit einem Anteil von 20% so genannte Revisionisten, wie beispielsweise Holocaust-Leugner, 12% der Straftaten wurden von Rechtsextremen begangen.

Tatort Arbeitsumfeld

Darüber hinaus lässt sich keine weitere, allgemeine Tendenz bezüglich einer anderen Tätergruppe erkennen. Vertreten sind Angestellte im öffentlichen Dienst, politische Akteure, Medienschaffende, Privatpersonen und Jugendliche.

Als wichtig erscheint der EKR, dass in rund 5% der vorliegenden Entscheide rassen-diskriminierende Handlungen im Arbeitsumfeld vorgekommen sind.

Juden am stärksten betroffen

Unter den Opfern sind mit 27% Juden und Jüdinnen am stärksten vertreten, wobei sich Ende der 90er-Jahre eine deutliche Häufung der Straftaten gegen Juden erkennen lässt.

Gut 20% der Fälle betrafen Ausländer verschiedener Ethnien; weitere Opfergruppen sind Dunkelhäutige, Fahrende und Muslime. In vier Fällen kam es zu rassistischen Vorfällen, bei denen weisse Mehrheitsangehörige Opfer waren.

Die Straftaten gegen Muslime und Menschen aus Arabisch sprechenden Ländern haben trotz der Ereignisse vom 11. September 2001 nicht zugenommen, schreibt die EKR.

Die Übersicht über die Tatmittel macht deutlich, dass rund 60 % der rassen-diskriminierenden Übergriffe durch verbale und schriftliche Beschimpfungen begangenen werden. Relativ klein ist der Anteil der Tätlichkeiten oder der Leistungsverweigerungen.

Datenschützer überzeugt

Aus Gründen des Datenschutzes mussten die Projektverantwortlichen der EKR erst bei den betroffenen Stellen die Erlaubnis zur Publikation der Rechtsentscheide einholen.

«Das war der aufwändigste Teil unserer Arbeit. Wir mussten bei allen betroffenen kantonalen Gerichten, Justizbehörden und Polizeistellen vorsprechen», sagte Doris Angst.

Überzeugungsarbeit hätten sie keine leisten müssen. Schliesslich handle es sich bei der Datenbank ja um eine «positive Dienstleistung», die sie als EKR der Allgemeinheit erbringen wollten, betonte Angst.

swissinfo und Agenturen

Zwischen 1995 und 2002 gelangten 212 Fälle von Verletzungen der Rassismus-Strafnorm (Art. 261 bis) vor eine gerichtliche Instanz.

Sie führten durch die verschiedenen Instanzen hindurch zu 277 Urteilen und Entscheiden.

Von den 110 Fällen, die zu einem Urteil führten, endeten 80% mit einer Verurteilung der Täter.

Vor 10 Jahren wurde die Eidg. Kommission gegen Rassismus (EKR) gegründet. Seither kommentiert sie politische Entscheidungen und interveniert bei Themen, die ihr problematisch erscheinen.

Erst kürzlich stellte sie sich gegen die Verschärfungen in der Schweizer Asylpolitik.

Sie lanciert auch Sensibilisierungs-Kampagnen gegen Rassismus, die sie unter anderem auch über Artikel in Medien verbreitet.

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