Eine Zukunft in Würde für Aids-Waisen
Weltweit sind fast 40 Millionen Menschen mit dem HI-Virus angesteckt. Mehr als die Hälfte davon lebt in Afrika südlich der Sahara.
Von den 15 Mio. Aids-Waisen leben allein 800’000 in Südafrika, wo die Schweiz Hilfsprojekte unterstützt.
Von der Anhöhe aus sieht KwaMashu fast idyllisch aus: Kleine, putzige Häuschen mit Wellblechdächern am grünen Hang, auf der umzäunten Spielwiese friedlich spielende Kinder, unten die rotsandige Zufahrtsstrasse aus Durban und weiter hinten der gelbgraue Vorortszug aus der Hafenstadt am Indischen Ozean.
KwaMashu ist eines der Townships von Durban, der Hauptstadt der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal. Hier leben die Menschen, die in der Stadt arbeiten, aber auch jene – und es sind mindestens ebenso viele -, die keine Arbeit haben.
Fast zwei Millionen Aids-Waisen
In der näheren Umgebung von Durban leben 1,6 Millionen Menschen. Hier ist der Anteil von HIV-Infizierten mit einem Drittel der Erwachsenen so hoch wie nirgends sonst auf der Welt.
Von den knapp 45 Millionen Einwohnern Südafrikas sind 5,6 Millionen mit dem HI-Virus infiziert. Im Land am Kap sterben jeden Tag 600 Menschen an Aids. Bis zum Jahr 2010 wird es laut Experten zwei Millionen Aids-Waisen geben, deren Eltern in Ermangelung von HIV-Medikamenten gestorben sind.
Zentrales Thema für die Schweiz
Aids ist denn auch ein zentrales Thema für die Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit. In den letzten zehn Jahren wurden rund 150 Mio. Franken für Projekte in Südafrika bereitgestellt.
Rund 7 Mio. Franken davon hat die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) dem regionalen Netzwerk zukommen lassen, das sich in 13 Ländern des südlichen Afrika um die psychosoziale Betreuung von Aids-Waisen kümmert.
GOZOLOLO – kommen, bleiben, gehen
Aber auch private Schweizer Hilfsorganisationen sind in Aids-Projekten in der Region engagiert. So auch die Schweizerische Stiftung für Direkthilfe an betroffene Kinder «Aids & Kind».
Kindern eine Zukunft und «Ubuntu», ihre eigene Würde, geben: Das ist das Ziel des GOZOLOLO-Projektes der Stiftung für Aids-Waisen und traumatisierte Kinder.
«Wir nehmen die Kinder von der Strasse zu uns auf, sie bleiben eine Weile bei uns und gehen später ihren eigenen, glücklichen Weg», sagt Mirriam Cele, Leiterin des Projektes. GOZOLOLO sei ein Zulu-Wort und heisse etwa soviel wie kommen, bleiben und wieder gehen – ein Platz zum Verweilen.
Betreuung in Form von Elternliebe
Im GOZOLOLO-Modellprojekt in KwaMashu leben über 300 Aids-Waisen, von neugeborenen bis 14-jährigen. Die Kinder werden rund um die Uhr betreut.
«Zu Beginn sind viele total eingeschüchtert, stumm, traumatisiert», sagt Mirriam Cele gegenüber swissinfo. «Hierzulande und insbesondere in der Provinz KwaZulu-Natal ist Aids immer noch ein Tabu. In den Familien wird nicht darüber gesprochen. Aids-Kranke und Aids-Waisen werden von der Gesellschaft oft geächtet.»
Deshalb sei es wichtig, mit den Kindern schon früh offen über Aids und die verheerenden Folgen zu sprechen. «Und die Elternliebe erhalten die Kinder von uns», erklärt die Projektleiterin. «Das ist die Voraussetzung für Stärke und Selbstständigkeit.»
Gewicht wird im GOZOLOLO-Projekt auch auf die schulische Betreuung gelegt. Dafür sind Kindergärtnerinnen, Lehrerinnen und Lehrer engagiert. «Ebenso wichtig ist eine richtige, gesunde Ernährung», sagt Mirriam Cele. Deshalb werde im Projekt auch Gemüse angepflanzt.
Anerkannt, aber nicht finanziert
Obwohl die südafrikanische Regierung im November 2003 eine landesweite Verteilung von kostenlosen Aids-Medikamenten beschlossen hat, besteht landesweit immer noch ein enormer Mangel – «ganz besonders in der Provinz KwaZulu-Natal», fügt Mirriam Cele bei.
Die in diesem Jahr wieder gewählte ANC-Regierung von Präsident Thabo Mbeki hat zwar angekündigt, dass bereits im März 2005 insgesamt 113 Gesundheitszentren Aids-Medikamente abgeben würden; damit könne 53’000 Aids-Kranken geholfen werden.
Die Realisierbarkeit der Versprechungen wird allerdings in Zweifel gezogen. Und Mirriam Cele doppelt nach: «Schliesslich haben wir über fünfeinhalb Millionen Aids-Kranke in Südafrika.»
Nach Ansicht der Projektleiterin tun sich die Behörden, besonders jene in KwaZulu-Natal, schwer mit dem Umgang mit Aids. Die Kinder im GOZOLOLO-Projekt seien zwar als Aids-Waisen anerkannt. Für eine finanzielle staatliche Unterstützung verlangten die Provinzbehörden jedoch Geburtszertifikate der Kinder. «Das haben Waisen aber meistens nicht», so Cele.
Trotz allem – Ubuntu!
Die finanziellen Schwierigkeiten des Projektes sind noch nicht ausgestanden. Deshalb ist es für «Aids & Kind»-Generalsekretär Linus G. Jauslin klar, dass die Stiftung GOZOLOLO weiterhin unterstützen wird.
Im Tageshort-Raum haben sich mittlerweile die Kinder aufgestellt. Mit ihrer Betreuerin singen sie ein Lied, in dem Körperteile aufgezählt und mit entsprechenden Bewegungen begleitet werden: «Das ist meine Nase, das sind meine Augen, das sind meine Ohren, das ist mein Kinn, mein Arm, meine Hand…»
Die Kinder singen mit Leib und Seele. «Wir wollen diese Aids-Waisen richtig aufziehen, damit sie etwas von ihrer Kultur mit auf den Weg bekommen», sagt Mirriam Cele. «Sie sollen in Würde gross werden. Zeigen wir ihnen, was Ubuntu ist.»
swissinfo, Jean-Michel Berthoud, KwaMashu, Durban
15 Mio. Aids-Waisen weltweit, wovon 800’000 in Südafrika
Von 45 Mio. Einwohnern Südafrikas sind 5,6 Mio. HIV-infiziert
600 Aids-Tote pro Tag in Südafrika
1994-2004: 150’000 Mio. Fr. Schweizer Hilfe für Aids-Projekte in Südafrika
Afrika südlich der Sahara wird wie keine andere Region der Welt von der Aids-Krankheit heimgesucht.
In Südafrika sind schon über 5 Mio. Menschen mit dem HI-Virus infiziert. Aids ist somit eine fast untragbare Hypothek für die Entwicklung des Landes, das vor zehn Jahren das menschenverachtende Apartheid-System friedlich überwunden hat.
Besonders dramatisch ist im neuen Südafrika das Schicksal der zahlreichen Aids-Waisen. Die Schweiz unterstützt mit offizieller und privater Hilfe Projekte, welche sich bemühen, diesen Kindern eine lebenswerte Zukunft zu geben.
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