Firmen im Visier ausländischer Geheimdienste
Das Bundesamt für Polizei rät in der Schweiz ansässigen Unternehmen, sich vermehrt vor Wirtschaftsspionage in Acht zu nehmen.
Im «Bericht Innere Sicherheit Schweiz» warnt das fedpol vor allem vor östlichen Geheimdiensten, die es vermehrt auf Wirtschafts-Informationen abgesehen hätten.
Dem grössten Risiko ausgesetzt sind laut Bundesamt für Polizei (fedpol) Unternehmen, die im Finanz-, Forschungs- oder Technologiesektor arbeiten.
«Es gibt weiterhin zahlreiche aktive Geheimdienste überall auf der Welt, deren Aufgabe es ist, Informationen für ihre Regierungen und ihre Wirtschaft zu beschaffen», ruft Jürg Bühler, Vize-Leiter des Dienstes für Analyse und Prävention im fedpol, gegenüber swissinfo in Erinnerung.
Das Amt sei mit über hundert Unternehmen in Verbindung getreten, bei denen man annehme, dass sie bezüglich Werkspionage besonders exponiert sein könnten.
Auch westliche Spione sind aktiv
Er glaubt, die grösste Gefahr lauere in den Ländern des Ostens, denen das technologische Wissen fehle, sowie in jenen Ländern, die in die Produktion von Massenvernichtungswaffen einbezogen seien.
Doch Bühler warnt auch vor westlichen Nachrichtendiensten, die im Sektor Industriespionage aktiv seien.
Beim schweizerisch-schwedischen Unternehmen ABB meint man gegenüber swissinfo, dass die Spionage zu den grössten Sorgen gehöre. ABB, mit Sitz in der Schweiz, ist in der Energie- und Automationstechnik global führend.
«ABB ist ein Technologie-Unternehmen. Dementsprechend haben wir viel mit hoch empfindlichen Informationen zu tun», sagt ABB-Sprecher Wolfram Eberhardt.
Firewalls und gemeinsame Absichtserklärungen
Laut dem Unternehmen ist es bisher noch nicht zu Problemen gekommen, weil vorbeugende Massnahmen eingeführt worden seien. So wird das Computer-System mit einer Firewall geschützt. Damit sollen Aussenstehende am Eindringen gehindert werden.
Auch für den Basler Pharmagiganten Novartis gehört Sicherheit zu den wichtigen Themen. «Es bestehen detaillierte interne Vorgaben», sagt Novartis-Sprecher Bruno Hofer. «Wir haben auch eine ganze Reihe von Massnahmen eingeführt, um die Sicherheit in allen Bereichen zu gewährleisten.»
Vor zwei Jahren haben Novartis, Roche und Serono ein gemeinsames Papier unterschrieben, in dem der Zugang zu den Labors geregelt und der Gebrauch gewisser Wirkstoffe und Substanzen verboten wird.
Damit wollte man die Risiken bei gelagerten oder hergestellten Produkten verringern, die als Ausgangsstoffe für biologische Waffen verwendet werden könnten.
Für die Schweiz kein Novum
Laut Bühler ist Industrie-Spionage für die Schweiz kein Novum. Zwischen 1992 und 2001 wurden 31 Fälle aufgedeckt, bei denen ausländische Nachrichten-Dienste beim Spionieren auf Schweizer Boden ertappt wurden.
Geheimdienste weltweit hätten ihr Augenmerk von militärischen Zielen ab- und vermehrt wirtschaftlichen Zielen zugewandt.
Das wiederum habe das Bundesamt für Polizei dazu bewogen, auch diesen neuen Gefahren zu Leibe zu rücken und ein Programm ins Leben zu rufen, um die Unternehmen für die neuen Gefahren zu sensibilisieren.
Zu den bereits durchgeführten Massnahmen gehören die Verteilung von Unterlagen, in denen die Risiken der Spionage spezifiziert werden. Ausserdem habe man die kantonalen Polizeien gebeten, die Firmen in ihrem Einzugsgebiet zu besuchen.
Zweifache Herausforderung
«Es kommt schon einer zweifachen Herausforderung gleich, bei Schweizer Unternehmen das Bewusstsein sowohl bezüglich der Spionage zu erhöhen als auch der Weiterverbreitung von Technologie, die zur Herstellung von Massenvernichtungs-Waffen benutzt wird», sagt Bühler.
«Es liegt an den Unternehmen, festzustellen, worin genau ihre wichtigsten Geheimnisse bestehen. Danach sollten sie Massnahmen erarbeiten, wie sie diese schützen wollen.»
Auswirkungen bis auf den Aktienmarkt
Bühler vermutet, dass Unternehmen, die Opfer von Auskundschaftungen geworden sind, dies nur selten den Behörden melden. Sie fürchten sich sowohl vor einem Imageschaden als auch vor negativen Auswirkungen auf den Kursverlauf ihrer Aktien.
Eine weitere Methode fürs Ausspionieren von Firmen und Institutionen bestehe im Besuch von Wissenschaftern und Austausch-Studenten.
Als bekanntes Beispiel führt er den Fall des Vaters der pakistanischen Atombombe, Abdul Qader Khan, an. Dieser hatte seine Ausbildung in Europa erhalten.
Ausländische Geheimdienste würden sich ebenfalls gern der Universitäten und Spitäler bedienen, um an empfindliche Informationen zu gelangen.
swissinfo, Katalin Fekete
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Im Bericht «Innere Sicherheit Schweiz 2003» hält das Bundesamt für Polizei fest, dass es in der Schweiz vermehrt zu Industriespionage durch ausländische Geheimdienste komme.
In den letzten Jahren haben die ausländischen Spionage-Dienste ihre Prioritäten von militärischen auf wirtschaftliche Aktivitäten verlegt.
Die Polizei hat Programme auf die Beine gestellt, um Unternehmen in der Schweiz auf die Gefahren aufmerksam zu machen.
Zwischen 1992 und 2001 wurden 31 Fälle aufgedeckt, bei denen ausländische Geheimdienste in der Schweiz der Spionage überführt wurden.
Dabei waren 58 Personen verschiedenster Herkunft involviert.
Den Behörden werden pro Jahr weniger als zehn Spionagefälle gemeldet.
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