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G-8-Gipfel: Polizei in der Schweiz am Limit

Ein Polizeiaufgebot wie hier am letzten WEF in Davos wird auch für die Demos am G-8-Gipfel benötigt Keystone

Im Hinblick auf den G-8-Gipfel herrscht auf Schweizer Seite Mangel an Polizisten, um möglicher Gewalt an den Protest-Aktionen entgegen zu treten.

Das Problem wirft die Frage auf, ob die Schweiz Anlässe in dieser Grösse überhaupt bewältigen kann.

Das Treffen der Chefs der sieben wichtigsten Industriestaaten und Russlands findet im französischen Kurort Evian am Genfersee statt.

Aber zu den meisten Antiglobalisierungsprotesten mit mindestens 100’000 Demonstrierenden dürfte es in den benachbarten Schweizer Städten Genf und Lausanne kommen.

Mangel an Polizisten

Letztes Wochenende sandte die Leiterin der G-8-Task Force der Stadt Genf, Micheline Spoerri, einen Notruf nach weiteren 1’500 Polizeikräften aus, um mit den Protestierenden fertig zu werden.

Eine grosse Demonstration wird am 1. Juni zu Beginn des Gipfels im Zentrum Genfs erwartet. Dies, obwohl die Schweiz immer wieder darauf pochte, dass die Proteste auf französischen Territorium stattfinden sollten.

Die kantonalen Polizeichefs trafen sich am Montag in Bern, um Spoerris Appell zu beraten. Sie können aber nur auf die Hälfte ihrer Forderung eingehen und ihr rund 800 weitere Polizisten zur Verfügung stellen.

Laut dem Chef des Schweizer G-8-Koordinationskomitees, Pierre Aepli, macht der Gipfel deutlich, dass das Polizeisystem des Landes grosse Mängel aufweist.

«Der Gipfel macht die Schwierigkeiten der Schweiz deutlich, Polizeieinheiten zu mobilisieren, die mit solchen Anlässen fertig werden können», erklärte Aepli gegenüber swissinfo. «Unsere föderalistische Struktur verhindert einen einfachen Umgang mit solchen Anlässen. Wir müssen deshalb unsere Struktur überdenken und verbessern.»

Kantonale Koordination

Anders als Länder wie die USA, welche eine Nationalgarde haben, hat die Schweiz keine Polizei auf Bundesebene.

Die Verantwortung für Sicherheit und Schutz ist vielmehr auf die Kantone aufgeteilt, was die Koordination und die Mobilisierung von Polizeikräften auf nationaler Ebene erschwert.

Aepli, früher Chef einer Kantonspolizei, würde die Schaffung einer koordinierten kantonalen Polizei begrüssen, auf die man bei grossen internationalen Konferenzen und Anlässen wie dem G-8-Gipfel zurückgreifen könnte.

Er schlägt vor, dass der Bund die Kantone finanziell unterstützt, damit diese mehr eigene Polizisten rekrutieren könnten, die dem Bund im Notfall zur Verfügung gestellt werden könnten.

«Damit hätte Bern die Möglichkeit, diese Leute, falls nötig, schnell zu mobilisieren. Diese Einheiten würden aber unter kantonaler Oberhoheit bleiben und wären Teil von deren eigenen Polizeikräften», führte er aus.

Der Ruf der Schweiz im Ausland

Aepli weist auch darauf hin, dass der Ruf der Schweiz im Ausland Schaden nehmen könnte, wenn sie als unfähig angesehen wird, mit Grossanlässen fertig zu werden.

Die Schweiz ist oft Gastland für internationale Versammlungen und Konferenzen wie das alljährlich stattfindende World Economic Forum (WEF) in Davos und der bevorstehende Weltinformationsgipfel in Genf.

Laut Aepli ist es wichtig, dass die Schweiz ihr Polizeisystem anpasst, um besser für die zunehmend gewalttätige Natur der Demonstrationen und die wachsende Bedrohung durch den internationalen Terrorismus gewappnet zu sein.

«Aufgrund dieser Zunahme der Probleme müssen wir sicherstellen, dass unsere Polizeikräfte, besonders jene in Genf, die nötige Grösse behalten, um unsere Mission zu erfüllen und internationale Konferenzen zu beherbergen», sagte er zu swissinfo.

«Tun wir das nicht, müssen wir akzeptieren, dass Genf und andere Schweizer Städte ihre internationale Stellung nur mit Schwierigkeiten halten können … und das wäre schade», fügte er bei.

Auch der Walliser Staatsrat Jean René Fournier ist der Meinung, dass die Schweiz beim Gipfel von Evian an ihre Grenzen stösst.

«Treffen wie der G-8-Gipfel und das WEF zeigen, dass die Schweiz, wenn sie grosse Anlässe organisieren will, auch die Mittel dazu braucht», erklärte Fournier gegenüber der französischsprachigen Zeitschrift ‹Le Nouvelliste›.

«Vor allem müssen wir die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen verbessern», so Fournier weiter. «Ich glaube, wir brauchen kantonale Polizeikräfte, die Bern im Notfall beiziehen und leiten kann … Damit bleibt die Polizei bei den Leuten.»

swissinfo, Anna Nelson, Genf

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