Geheimdienst-Leck ist Sturm im Wasserglas
Die Aufregung um das Leck in einem Schweizer Geheimdienst sei übertrieben, sagt ein führender britischer Sicherheitsexperte gegenüber swissinfo.
Laut Sir Timothy Garden schadet die Veröffentlichung eines geheimen Papiers über CIA-Gefängnisse in Europa dem Ruf der Schweizer Aufklärungsdienste nicht.
Am Montag hatten Schweizer Politiker teilweise heftig reagiert: Die Zeitung «SonntagsBlick» habe mit der Publikation des Geheimdokuments unverantwortlich gehandelt, hiess es.
«Dieses Informations-Leck könnte dem guten Ruf der Schweiz und seinem Geheimdienst starken Schaden zufügen», sagte Hans Hofmann gegenüber swissinfo. Der Zürcher Ständerat ist Präsident der Parlaments-Kommission, welche die militärischen und zivilen Geheimdienste beaufsichtigt.
Da das betreffende Dokument klar nicht zur Publikation bestimmt gewesen sei, könnte das Vertrauen der ausländischen Geheimdienste in den schweizerischen erschüttert sein, so Hofmann.
Im abgefangenen Dokument – ein Fax des ägyptischen Aussenministeriums an die ägyptische Botschaft in London – bestätigen die Ägypter die Existenz von CIA-Geheimgefängnissen in Europa.
swissinfo sprach mit Sir Timothy Garden über die Folgen dieses Lecks. Der Sicherheits- und Geheimdienst-Experte arbeitete im britischen Verteidigungsministerium und war Direktor des Royal College of Defence Studies.
swissinfo: Ist dieses Leck für Sie eine Überraschung?
Timothy Garden: Nein. Es gibt in jedem Land Menschen, die Probleme damit haben, in irgend einer Weise in solchen Aktivitäten quasi mit drin zu stecken. Und wenn sie mit den normalen Mitteln keine Möglichkeit haben, diese zu stoppen, gibt’s noch die Möglichkeit der gezielten Lecks.
Die Schweiz verfügte über eine sehr gute Kontrolle über die Informationen, aber jetzt merkt das Land, dass auch die Schweiz dieselben Probleme hat wie andere Demokratien. Wir in Grossbritannien sind an solche Lecks gewohnt.
swissinfo: Einige Politiker sind der Meinung, dass Lecks dieser Art die Glaubwürdigkeit der Aufklärungsdienste unterminieren könnten.
T.G.: Diese Reaktion ist verständlich. Das Problem heutzutage ist aber, dass wir ein sehr transparentes globales Kommunikationssystem haben. Dieses verunmöglicht es – ich sage das gerne – dass illegale Dinge geschehen, ohne dass sie ans Tageslicht kommen.
Politiker werden immer besorgt sein, wenn geheime Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. In Grossbritannien aber schätzen die Gerichte im Falle eines Prozesses normalerweise das öffentliche Interesse höher ein als die Verletzung der Geheimhaltungspflicht. Gemäss dieser Praxis ist es schwierig, Personen wegen Geheimnisverrats zu verurteilen.
swissinfo: Ist die Zusammenarbeit ausländischer Geheimdienste mit der Aufklärung in der Schweiz gefährdet?
T.G.: Diese Frage beschäftigt alle Aufklärungsdienste. Es gibt immer Vorbehalte einzelner Länder gegenüber anderen, so dass geheime Informationen nicht weiter gegeben werden. Andere Länder haben mit den engsten Allierten Abkommen über den Austausch von Informationen.
Aber auch zwischen engen Verbündeten passieren Lecks. Mittlerweile wissen wir aber, dass die Veröffentlichung geheimer Akten kein Erdbeben auslöst.
swissinfo: Also ist der Ruf der Schweiz nicht nachhaltig beschädigt?
T.G.: Ich denke nicht. Es ist überraschend, wie viel Staub das in der Schweiz aufwirbelt. In anderen Ländern gehören Lecks beinahe zur Tagesordnung.
swissinfo: Welchen Ruf haben Schweizer Nachrichtendienste überhaupt?
T.G.: Um ehrlich zu sein: Bis zu diesem Interview habe ich diese gar nicht gross beachtet. Das kann zweierlei bedeuten: Entweder sind die Geheimdienste nicht allzu gut, oder sie sind unglaublich geschickt, ihre Arbeit dermassen geheim zu halten.
swissinfo-Interview: Ramsey Zarifeh
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)
Sir Timothy Garden arbeitete im britischen Verteidigungsministerium und war Direktor des Royal College of Defence Studies.
Er arbeitete als Berater für die britische wie die US-Regierung sowie für die Nato.
Heute hält er Vorträge über globale Sicherheit und Nachrichtendienste.
Zudem ist Garden Mitglied des Internationalen Instituts für strategische Studien.
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