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Gewalt zu Hause ist nicht mehr Privatsache

Jede fünfte Frau wird in ihrem Leben einmal Opfer von Gewalt im häuslichen Bereich. Keystone Archive

Gewalt in Ehe und Partnerschaft wird zukünftig von Amtes wegen verfolgt. Eine Anzeige ist nicht mehr nötig.

Die beiden eidgenössischen Räte haben einem entsprechenden Vorstoss grünes Licht gegeben.

Sieben Jahre musste Alt-Nationalrätin Margrith von Felten warten, bis ihr Vorstoss von beiden Parlamentskammern abgesegnet wurde. Ende 1996 hatte sie diesen eingereicht, um einfache Körperverletzung, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung in der Ehe und in hetero- oder homosexuellen Partnerschaften zum Offizialdelikt zu erklären.

Mit 28 zu 0 Stimmen hiess der Ständerat am Montag als zweite Kammer die Änderung des Strafgesetzbuches nun gut.

Die vom Nationalrat ausgearbeitete Vorlage sieht vor, dass das Gericht das Strafverfahren mit Zustimmung des Opfers einstellen kann.

Mit 21 zu 9 Stimmen lehnte es der Ständerat klar ab, die Verfahrenseinstellung auch ohne Zustimmung des Opfers zu ermöglichen, wenn sich der Täter zur Änderung seines Verhaltens behandeln lässt.

Häusliche Gewalt heute noch «Privatsache»

Mehr als jede fünfte Frau in der Schweiz musste in ihrem Leben schon mindestens einmal Gewalt in der Partnerschaft erleben: Schläge, sexuelle Ausbeutung, Drohungen, Demütigungen oder Nötigung.

Viele Frauen verstecken die Blessuren oder sprechen von einem Treppensturz. Und nach heutigem Recht kann eine Behörde erst einschreiten, wenn eine Anzeige vorliegt.

Doch auf diese wird aus unterschiedlichen Gründen oft verzichtet. Sei es aus Scham, Schuldgefühl, Resignation, wirtschaftlicher Not, reiner Angst oder auf Druck der Familie. Oft sieht der Täter dies als eine Freikarte an: Die Gewaltspirale dreht sich noch schneller weiter.

Im heutigen Recht sind Frauen in der Beziehung weniger geschützt, als wenn ein anderer Mann als der Partner ihnen etwas antut. In diesem Fall nämlich treten Staatsanwalt und Untersuchungsrichter ohne Anzeige in Aktion, wenn beispielsweise eine Vergewaltigung bekannt wird.

Ehefrauen «weniger schützenswert»

Von Felten kritisierte in ihrem Vorstoss denn auch die heutige Rechtssprechung. Es sei unverständlich, «dass die Rechtsordnung Ehefrauen als weniger schützenswert deklariert als jede andere Person».

Die beiden Räte sahen dies auch so. Sie gingen nun sogar noch weiter, als Initiantin von Felten ursprünglich gefordert hatte. Der Deliktkatalog wurde mit dem Tatbestand der «wiederholten Tätlichkeit» ergänzt.

Weil das Parlament Bedenken hatte, dass ein Strafverfahren je nach Fall einem Opfer mehr schaden als nützen könnte, baute es die Möglichkeit ein, dass ein Strafverfahren bei weniger schweren Delikten wieder eingestellt werden kann. Dazu braucht es das Einverständnis des Opfers. Letztlich entscheidet aber die Strafverfolgungsbehörde.

Flankierende Massnahmen

Eine regelrechte Kehrtwende hat bei diesem Geschäft die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) vollzogen. Während sie 1997 noch hauptsächlich dagegen stimmte, sind ihre Exponenten nun auf die Revision des Strafgesetzes eingeschwenkt und haben zusammen mit der Linken und den Christdemokraten den Vorstoss unterstützt.

Anders die Schweizerische Volkspartei (SVP). Sie war der Meinung, der Staat habe nicht im Eheleben zu schnüffeln. Die automatische Anzeige zerstöre eine Ehe mit Sicherheit. Dem entgegneten die Befürworterinnen und Befürworter, dass es die Vergewaltigung sei, welche die Ehe zerstöre.

Dass diese Massnahmen nur ein Teil zur Lösung der häuslichen Gewalt sind, ist für Justizministerin Ruth Metzler klar. Sie setzt denn auch Hoffnung in flankierende Massnahmen der Kantone wie Präventionskampagnen, Projekte, spezialisierte Polizistinnen und Polizisten oder die Möglichkeit der zeitweiligen Wegweisung des Täters aus der gemeinsamen Wohnung.

swissinfo, Christian Raaflaub

Diese häusliche Gewalt wird zukünftig von Amtes wegen verfolgt (Offizialdelikte):
Einfache Körperverletzung
Wiederholte Tätlichkeiten
Sexuelle Nötigung
Vergewaltigung
Nach bisherigem Recht musste das Opfer einen Strafantrag stellen.

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