In China bleibt noch viel zu tun
Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit und das Schweizerische Rote Kreuz haben über 1000 Zelte in die chinesische Erdbebenregion geschickt. Laut Markus Hischier, Leiter Logistik der humanitären Hilfe aus der Schweiz, bleibt dort noch enorm viel zu tun.
«Es ist unmöglich vorauszusehen, wann wieder Normalität einkehrt», sagt Markus Hischier nach seiner Rückkehr aus dem Erdbebengebiet gegenüber swissinfo.
«Es braucht bestimmt über ein Jahr, weil in einigen Städten gegen 70 Prozent der Häuser unbewohnbar sind. Die Gebäude sind zwar nicht eingestürzt, aber die Fundamente sind so stark beschädigt, dass die Leute nicht mehr in den Häusern wohnen können. Alles muss abgerissen und wieder aufgebaut werden.»
Die offizielle Zahl der Todesopfer der schwersten Katastrophe in China seit drei Jahrzehnte lag am Dienstag bei über 69’000. Über 18’000 Menschen gelten noch als vermisst. Das Beben vom 12. Mai hinterlässt über fünf Millionen Menschen ohne Dach über dem Kopf.
Laut Hirschier brauchen die Opfer – nebst Wasser, Medikamenten und Nahrungsmitteln – dringend Notunterkünfte. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) entsandten auf Anfrage der chinesischen Regierung 1050 Zelte und vier Experten in die verwüsteten Gebiete.
Die 20 m2-grossen Zelte bieten Schutz für 6000 bis 8000 Menschen. Sobald die Zelte am 29. Mai in Chengdu eintrafen, wurden sie dem chinesischen Roten Kreuz übergeben und zusammen mit Schweizer Experten aufgestellt.
Die Deza schickte auch sechs 56 m2-grosse Mehrzweckzelte ins Erdbebengebiet, die vorübergehend zur Arzneiausgabe, als Schulen oder Lagerräume benutzt werden können.
«Die Lage für die Obdachlosen ist sehr ernst», sagt der Schweizer Hilfsexperte. «Es besteht die Gefahr von Nachbeben, die Menschen haben Angst. Erstaunlicherweise verhält sich die Bevölkerung sehr ruhig und diszipliniert.»
Notschulen
Aus den ersten Hilfsgeldern konnten Deza und SRK bereits eine Ladung mit 20’000 Wasserkanistern, 6000 Planen und 20’000 Decken finanzieren und ans chinesische Rote Kreuz in der betroffene Provinz Sichuan liefern.
«Die Hygiene ist ebenfalls ein Thema. Ein weiteres Problem ist das Fehlen von Medikamenten und Schulen», sagt Hischier weiter.
Chinas Präsident Hu Jintao und andere Spitzenpolitiker waren wiederholt am staatlichen Fernsehen zu sehen, wie sie Kinder in behelfsmässigen Schulen besuchten. Nach Angaben der chinesischen Regierung wurden durch das Erdbeben 7000 Klassenzimmer zerstört.
Erdbebenseen
Eine grosse Gefahr geht zudem von einem riesigen See aus. Dieser war nach dem Beben entstanden, als sich Erde und Geröll in einem Fluss stauten.
Der Wasserstand stieg stetig an und droht, über die Ufer zu treten. Die Behörden evakuierten vorsorglich gegen 200’000 Personen, die ihr Obdach bereits durch das Beben verloren hatten.
Laut der offiziellen Nachrichtenagentur Xinhua wollten die Behörden damit beginnen, das Wasser abzulassen. Wegen Regenfällen können die Rettungskräfte ihre Arbeit jedoch erst später beginnen.
Arbeiter hatten mit Hilfe von schwerem Gerät einen Kanal gegraben, durch den das Wasser abfliessen kann. Die Regierung befürchtet, der Damm des neu entstandenen Sees könnte brechen und das ganze Tal überschwemmen.
Schweizer Expertise
Das Schweizer Aussenministerium hat die chinesische Botschaft in Bern kontaktiert und ihr angeboten, Geolgogen, Umweltspezialisten und Dammbau-Ingenieure ins betroffene Gebiet zu entsenden, um weitere Schäden wie Dammbrüche zu verhindern.
«Wir haben das Fachwissen und Know-how bezüglich solcher Seen. Uns stehen erfahrene Geologen zur Verfügung», erklärte Hischier.
Die Deza-Spezialisten im Feld sind nun daran, die Entwicklungen abzuschätzen und zu evaluieren, wie die Schweiz künftig helfen kann.
swissinfo, Thomas Stephens
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)
Ein Beben der Stärke 7,9 erschütterte am 12. Mai um 14.28 Lokalzeit (GMT 06.28) die Region Wenchuan in der Provinz Sichuan.
Das Beben ereignete sich 29 km unter der Erdoberfläche, das Epizentrum lag 92 km ausserhalb der Provinzhauptstadt Chengdu. Es kam auch zu starken Nachbeben.
Die Erschütterungen waren in ganz China und bis in die thailändische Hauptstadt Bangkok sowie bis nach Vietnam spürbar.
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