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In der UNO ist die Schweiz stärker

10. September 2002: Bundespräsident Kaspar Villiger (rechts unten) hält seine UNO-Antrittsrede vor der Vollversammlung. swissinfo.ch

Mit dem Beitritt zu den Vereinigten Nationen vor zwei Jahren habe die Schweiz ihre Positionen verstärken können. Dies die Meinung von Schweizer Parlamentariern.

Ausser der SVP sind die Parteien mit dem jetzigen Schweizer UNO-Engagement zufrieden.

«Es ergibt sich keine Mehrheit im Parlament, um mehr aus der Arbeit mit der UNO zu machen und mehr Geld dafür zu sprechen», bedauert die Sozialdemokratin Liliane Maury Pasquier.

Als Folge davon, befürchtet die Parlamentarierin, könnten der Schweiz die Mittel fehlen, um die von der UNO erhaltenen Mandate wirksam zu erfüllen.

Maury Pasquier, Mitglied der Aussenpolitischen Kommission (AK) des Nationalrats, denkt besonders an jenen Auftrag, mit dem die Schweiz von der UNO-Generalversammlung im Juli betraut wurde: Eine breite Konsultation zur israelischen Sicherheitsmauer durchzuführen.

Kritiker aus der Volkspartei

Solche Befürchtungen teilt ein anderes Mitglied der AK nicht. «Dieser UNO-Auftrag könnte die Neutralität der Schweiz verletzen», meint Ulrich Schlüer, Parlamentarier der rechts stehenden Schweizerischen Volkspartei (SVP).

Schlüer glaubt, dass der Bundesrat seine Versprechungen nicht gehalten habe die er machte, bevor die Schweiz der UNO beitrat.

Entgegengesetzte Meinungen in der Kommission

«Die Regierung hatte versprochen, den Vereinigten Nationen und dem Sicherheitsrat Reformen nahezulegen. Nur ist aber nichts derartiges geschehen», beschuldigt Ulrich Schlüer den Bundesrat.

Diese Kritik lässt den liberalen Genfer Nationalrat Jacques-Simon Eggly aufspringen. «Die Schweiz ist sehr engagiert in der Reform des UNO-Systems, die Generalsekretär Kofi Annan unternimmt», sagt Eggly, ebenfalls AK-Mitglied.

Ein weiteres Mitglied der AK, der Grüne Geri Müller sagt: «Die Schweizerische Volkspartei weiss sehr gut, dass eine Reform des UNO-Sicherheitsrates ihre Zeit braucht. Es ist deshalb sehr einfach, hier zu kritisieren.»

Doch Müller lehnt diese Art von Debatte nicht ab, im Gegenteil. «Das Schweizer Parlament sollte besser mit der UNO zusammenarbeiten und auf die erörterten Themen reagieren», findet der Aargauer Nationalrat.

Die Menschenrechte im Vordergrund

So pflichten die meisten Parteien den Initiativen bei, die die Schweiz bezüglich der Respektierung der Menschenrechte unternimmt.

«Die Nominierung des Freiburger Juristen Nicolas Michel als Rechtsberater von Kofi Annan kommt diesbezüglich einer Art von Weihe gleich», sagt der freisinnige Nationalrat John Dupraz.

Der SVP-Parlamentarier Ulrich Schlüer hingegen beharrt hartnäckig auf seiner Meinung zur UNO-Reform. So habe sich die Genfer Konventionen, deren Depositärstaat die Schweiz ist, nicht an die Bedrohung durch den Terrorismus und an die neuen Formen kriegerischer Auseinandersetzungen angepasst.

Nichtregierungs-Organisationen wie Amnesty International sind vom Gegenteil überzeugt. Die Schweiz habe es fertig gebracht, innerhalb der UNO an die Relevanz und die Gültigkeit des Menschenrechts zu erinnern, auch im Fall solcher Kriegsformen.

Eines ist sicher: Die wichtigsten politischen Kräfte im Land ausser der SVP glauben, dass die Schweiz Nutzen aus ihrem Beitritt zu den Vereinigten Nationen gezogen hat.

Das Ende der «Guten Dienste»

Der Generalsekretär der Christlich-demokratischen Volkspartei CVP, Reto Nause, ist davon überzeugt, dass die Schweiz auf diese Weise ihre Rolle als Vermittler zwischen bewaffneten Konflikten zurückgefunden hat.

Das bezweifelt hingegen der Genfer Professor Curt Gasteyger: «Die Rolle der Guten Dienste hat sich in den vergangenen Jahren erheblich vermindert.»

«Ausserdem möchten andere, einflussreichere Länder nun in diese Rolle schlüpfen», so der Experte des Genfer Institut de Hautes études internationals (HEI).

Neue Wege für die Diplomatie gesucht

Das sei ein Grund dafür, dass sich die helvetische Diplomatie neue Wege und Möglichkeiten ausdenken muss, sagt auch Xavier Contesse, Westschweizer Verantwortlicher von «Avenir Suisse», einem von den grossen Unternehmen des Landes finanzierten Think Tank.

«Mehr als 700 Nichtregierungs-Organisationen sind in Genf neben den internationalen Organisationen und den diplomatischen Vertretungen aktiv. Diese drei Arten von Akteuren sprechen miteinander über weltweit wichtige Themen, bevor sie überhaupt offiziell präsentiert werden.»

swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)

Am 3. März 2002 stimmten die Schweizerinnen und Schweizer dem Beitritt ihres Landes zu den Vereinten Nationen (UNO) zu.

Die historische Abstimmung erbrachte 54,6% Ja- und 45,4% Nein-Stimmen. Von den Kantonen stimmten 12 dafür und 11 dagegen.

Am 10. September 2002 wurde die Schweiz per Akklamation von der 57. UNO-Vollversammlung als 190. Staat Mitglied.

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