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Jung-Campaigner erhöht Einsatz im Parlament

Lukas Reimann ist ein Vollblutpolitiker. Remote

Lukas Reimann ist das jüngste Parlamentsmitglied. Er ist stolz, Schweizer zu sein und betrachtet es als seine Mission, traditionelle Werte zu verteidigen. Der SVP-Politiker war beim Urnengang im Februar vehementer Gegner der Ausweitung der Personenfreizügigkeit mit der EU.

Der Ruf, der ihm vorauseilt, und seine bisherigen Erfolge sind recht eindrücklich. Gewisse Leute sehen den 26 Jahre alten Nationalrat schon als neuen Star seiner Partei.

Recht bemerkenswert ist etwa, dass Reimann den Kampf für ein Referendum gegen die Vorlage zum Personenfreizügigkeits-Abkommen gegen den Willen der Parteiälteren durchzog, was zu einer spektakulären Kehrtwende der Politik der Schweizerischen Volkspartei (SVP) in der Frage führte.

Jetzt steht Reimann erneut an vorderster Front einer Kampagne – dieses Mal geht es um die Einführung des biometrischen Passes, ein Projekt, das er im Mai an der Urne zu Fall bringen will.

Reimann ist nicht nur ein passionierter Kampagnen-Mensch, er ist auch der Parlaments-Champion in Sachen Online-Kommunikation. So rühmt er sich, von allen Parlamentsmitgliedern die meisten Freunde auf Facebook zu haben.

Auge um Auge

Bei einem Gespräch in der Lobby des Parlaments während der Frühlings-Session zeigt Reimann ein anderes Gesicht: Freundlich und bescheiden, kein auffälliges Verhalten, keine starken Aussagen. Nicht das, was man fast zwangsläufig erwartet von einem Vertreter der oft kontroversen SVP.

Er trägt Anzug, Hemd und Krawatte und erscheint auf den ersten Blick scheu. Er schaut seinem Gegenüber direkt in die Augen, spricht mit einer dezidierten Stimme, ab und zu verfällt er in parteipolitischen Jargon.

Sobald sich das Gespräch um die EU und andere Themen dreht, die aus seiner Sicht die Unabhängigkeit der Schweiz bedrohen, kann man nachvollziehen, wieso seine Anhänger seinen Überzeugungen vertrauen und seinem Charisma erliegen.

«Wenn man viel über ein bestimmtes Thema weiss, gibt es keinen Grund, an seiner Position zu zweifeln», erklärt Reimann. Er bilde sich aber seine Meinungen nicht überstürzt und habe manchmal anfängliche Zweifel, sagt der Jungpolitiker.

«Im Lauf der letzten Jahre habe ich mehr als 30 Bücher über den Islam gelesen. Das gilt auch für mein Interesse und meine Kenntnis der EU. Daher bin ich mir meiner politischen Positionen sicher.»

Etiketten

Reimann fühlt sich unbehaglich, als er gefragt wird, ob er sich als Konservativer betrachte. «Ich mag es nicht, in eine Kategorie gezwängt zu werden.»

Es gebe Themen, bei denen er klar eine liberale Haltung vertrete, sagt er, zögert aber bei der Frage nach konkreten Beispielen.

Wenn schon eine Etikette, zieht er den Pragmatiker vor. Und mit den Grünen teile er «eine Anti-Establishment-Haltung».

Wer Reimanns Vorbilder sein könnten, ist hart zu eruieren. Es bringt nichts, nach prominenten Namen in seiner Partei zu suchen. Auch sein Onkel Maximilian, ein Ständerat, erfüllt den Tatbestand nicht.

«Er ist sicher wichtig gewesen, und wir haben viele Diskussionen gehabt. Er ist genau so eigenwillig wie ich», lächelt Reimann.

Deutscher Einfluss

Einfluss auf seine politische Entwicklung gehabt hatte der liberale deutsche Jürgen Möllemann. Reimann bewundert das Talent des mittlerweile verstorbenen FDP-Politikers. «Er konnte die liberale Politik in einfachen Worten erklären: Weniger staatliche Eingriffe, niedrigere Steuern, weniger Gesetze und mehr Freiheit.»

Was sein Talent und seine persönlichen Ambitionen angeht, sagt Reimann, er denke nicht, dass er ein besonders faszinierender Redner sei oder ein aussergewöhnliches Gespür für Politik habe. «Es gibt viele bessere Redner in Bern.»

Sein besonderes Interesse scheinen Kampagnen-Arbeit und Organisation zu sein, aber er sagt, er möge die unterschiedlichen Aspekte der Politik. In den letzten 14 Monaten habe er begonnen, die Arbeit in Parlamentarischen Kommissionen zu schätzen, obschon diese nur selten im Schweinwerferlicht der Medien steht.

Priorität in Reimanns Leben nimmt sein Jura-Studium ein. Im Moment widmet er diesem mehr Zeit als der Politik. Während der Kampagne für das Referendum gegen die Vorlage zum Personenfreizügigkeits-Abkommen mit der EU war es genau umgekehrt.

«Ich hege keine Pläne auf ein politisches Exekutiv-Mandat», sagt er überzeugend. «Hingegen mag ich die Idee, eines Tages als Berater tätig zu sein und eine Kampagnen-Agentur zu leiten.»

Gibt es für jemanden wie ihn, der Politik schon als Teenager aufgesaugt hatte, überhaupt ein Leben jenseits von Debatten und Kampagnen-Politik?

Reimann zählt Wandern, Karten spielen und Fussball schauen zu seinen Hobbys. Und bedauert, dass er kaum genug Zeit dafür habe.

In Bezug auf Kartenspiele hatte Reimann aber einen Weg gefunden, sein Hobby und die Politik zu verbinden. Er brachte letztes Jahr eine Motion im Parlament ein, private Poker-Turniere zu legalisieren.

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Nationalrat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Nationalrat ist die Schweizer Parlamentskammer (Legislative) der Volksvertreter oder Abgeordneten (Grosse Kammer). Der Rat zählt 200 Parlamentarierinnen und Parlamentarier und vertritt das Schweizer Volk. Auf je 35’000 Einwohnerinnen und Einwohner eines Kantons kommt derzeit ein Mitglied im Nationalrat. Das einzelne Ratsmitglied wird «Nationalrat» oder «Nationalrätin» genannt. Nationalrat und Ständerat bilden zusammen die Vereinigte Bundesversammlung…

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Schweizer Klischees

Der Jungpolitiker könnte als typischer konservativer Schweizer betrachtet werden, aber seine persönlichen Erfahrungen gehen über die alpine Umwelt hinaus.

Reimann hatte 12 Monate in den USA verbracht und hat gute Erinnerungen an Aufenthalte in skandinavischen Ländern. Als EU-Kritiker hat er sich ein Netzwerk mit Gleichgesinnten aufgebaut, wie ein Blick auf seine Reisepläne für die nächsten Wochen zeigt.

Für die Frage, ob er sich manchmal unbehaglich fühlt angesichts von Klischeebildern der Schweiz als Alpen-Paradies nimmt er sich Zeit. Und sagt schliesslich entwaffnend: «Ich mag es, wenn Leute ein positives Image der Schweiz haben.»

Es stimmt, was man über Reimann sagt. Obschon es schwierig ist, ihn nicht zu mögen, darf man den gerissenen Taktiker nicht ausser Acht lassen, der sich hinter dem Jungengesicht verbirgt.

swissinfo, Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

2007 wurde Lukas Reimann der jüngste Parlamentarier, der in den Nationalrat gewählt wurde.

Seine rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) ist mit ihren insgesamt 64 Mandaten in den beiden Kammern die stärkste Partei im 246 Sitze umfassenden Parlament.

Zwischen 2004 und 2008 hatte der 1982 geborene Reimann einen Sitz im Parlament seines Heimatkantons St. Gallen.

Lukas Reimann hat ein Jahr in den USA verbracht und so selber Erfahrungen als Auslandschweizer gemacht.

Die Auslandschweizer sind aus seiner Sicht wichtige Vertreter des Landes.
Trotzdem hat sich Reimann dagegen ausgesprochen, dass Auslandschweizern im Parlament eine bestimmte Anzahl Sitze erhalten oder ein spezieller Wahlkreis für sie geschaffen wird.

Er appelliert an Organisationen, welche die Interessen von Auslandschweizern vertreten, ihre Unterstützung auszubauen, damit Auslandschweizer einen Sitz auf einer Liste in ihrem Wahlkreis in der alten Heimat gewinnen können.

Bei den letzten Wahlen 2007 hatten sich über 40 Auslandschweizer auf den Nationalrats-Wahllisten eintragen lassen, doch kein einziger hatte die Wahl geschafft.

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