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Kampf der Vetternwirtschaft

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Im internationalen Korruptions-Vergleich von Transparency International (TI) liegt die Schweiz auf Platz 12.

Die Anti-Korruptions-Organisation verlangt von der Schweizer Regierung ein Kompetenz-Zentrum zur Bekämpfung der Korruption.

«Wenn jemand seine Machtposition missbraucht, um einer andern Person einen Vorteil zu verschaffen, den diese sonst nicht bekommen würde, dann ist das für unsere Organisation Korruption», sagt Philippe Lévy, der Präsident von Transparency Schweiz gegenüber swissinfo. Die Organisation führt die Schweiz auf Rang 12 unter 102 Ländern.

«Vetterliwirtschaft»

«Die Schweiz», so Lévy, «ist nicht ein korruptes, aber auch kein korruptions-freies Land». Die Gründe für diese Einschätzung der weltweit tätigen Anti-Korruptions-Organisation liegen für Lévy in den für die Schweiz typischen kleinräumigen Strukturen.

Diese begünstigten oft die persönlichen Beziehungsnetze, welche über die lokale und kantonale Politik bis hin zu politischen Parteien und in die Kader der Milizarmee gehen würden. «Man kennt sich», sagt Lévy.

Dazu komme, so Lévy weiter: «Die Kantone, vor allem die kleinen, sind schlicht überfordert mit der Aufdeckung und Verfolgung von korrupten Machenschaften.»

Nun sind Beziehungsnetze, wie sie in der Schweiz vielfach existieren, nicht immer korrupt. Doch Lévy verweist beispielsweise auf einen Bauunternehmer, der bei einem Bauauftrag einer Gemeinde trotz der schlechteren Offerte zum Zuge komme, «weil er eben etwas angeboten hat.» Dies sei Korruption, «weil wir alle – wir Steuerzahler – davon betroffen sind.»

Bankgeheimnis ermöglicht Korruption

Transparency Schweiz nennt aber noch andere Gründe, welche die Korruption in der Schweiz möglich machen: An erster Stelle wird das Bankgeheimnis genannt.

Ein Faktor sei aber auch die Nicht-Mitgliedschaft bei der EU. Philippe Lévy nennt da aufgedeckte Schmiergeld-Zahlungen bei der Verteilung von Aufenthaltsbewilligungen als Beispiel. Mit dieser Problematik hat sich sogar ein nationales Forschungsprogramm befasst (NFP 40).

Auch seien die Finanzkontrollen (ausgenommen die Eidgenössische Finanzkontrolle) in den Kantonen und Gemeinden eher schwach. TI begründet das mit der fehlenden Tradition eines Rechnungshofes in der Schweiz.

Kompetenz-Zentrum schaffen

Für Transparency Schweiz ist die Bekämpfung der Korruption eine «ständige Aufgabe». Die Organisation fordert deshalb von der Schweizer Regierung, ein Kompetenz-Zentrum zu schaffen, um die Anstrengungen gegen die Korruptionsbekämpfung zu verstärken.

«Die Schweiz bleibt auf ihrem 12. Rang sitzen, weil auch die andern Länder nicht stehen bleiben», sagt Philippe Lévy. Hierzulande werde gerade soviel getan, wie notwendig sei. Das nenne man dann «autonomer Nachvollzug.»

In der Schweiz werden von den Gerichten jährlich rund 40 Verurteilungen wegen Korruption ausgesprochen. Die Organisation geht jedoch davon aus, dass die Zahl der korrupten Handlungen um ein Vielfaches höher liegt.

Whistleblowers schützen!

Oft würden Hinweise auf korrupte Geschäftsgebaren nicht gemeldet, weil die Informanten, «die Whistleblowers», in der Schweiz gesetzlich nicht geschützt seien – anders als beispielsweise in den USA oder England.

Gemäss einer amerikanischen Studie verloren 90% der Hinweisgeber ihre Arbeit oder wurden in der Hierarchie zurückgestuft. Damit müsse auch in der Schweiz gerechnet werden.

Transparency verlangt überdies die Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Whistleblowers dürften nicht mehr als illoyale Nestbeschmutzer oder Denunzianten wahrgenommen werden. Hinweisgeber seien vor ungerechtfertigten Entlassungen und Repressalien zu schützen.

Mehr Filz als Schmiergeld

Stephane Garelli, Wirtschaftsprofessor an der Universität Lausanne bestätigt die Wahrnehmungen von Transparency International in Bezug auf die Schweiz. «In der Schweiz gibt es wenig Korruption, welche über Schmiergeld-Zahlungen läuft», sagt Garelli gegenüber swissinfo.

Vielmehr seien es die Beziehungsnetze, auch etwa «Filz» genannt, aus Politik, Militär und gemeinsamen Studienorten, welche zu Begünstigungen führten. «Das gilt auch für die Führungsspitzen in den Schweizer Firmen.»

Auch für Garelli ist die die kleinräumige und föderale Struktur, das «jeder kennt jeden» der Schweiz mit ein Grund für die Korruption.

Urs Maurer

TI-Rangliste
1. Finnland (Punktwert 9,7 von 10)
2. Dänemark (9,5)
3. Neuseeland (9,5)
4. Island (9,4)
5. Singapur/Schweden (9,3)
12. Schweiz/Norwegen (8,5)
13. Hongkong (8,2)
14. Österreich (7,8)
15. USA (7,7)
18. Deutschland/Israel (7,3)
31. Italien (5,2)
45. Brasilien (4,0)
71. Russland (2,7)
96. Indonesien (1,9)
101. Nigeria (1,6)
102. Bangladesh (1,2)

Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency-International fordert von der Schweizer Regierung eine Kompetenzstelle für Korruption in der Bundesverwaltung und einen gesetzlichen Schutz für Personen, die Korruptionsfälle aufdecken (Whistleblowers).

Was ist der Corruption Perceptions Index?

Der TI-CPI listet in diesem Jahr 102 Länder nach dem Grad auf, in dem dort Korruption bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommen wird. Er beruft sich auf 15 verschiedene Umfragen und Untersuchungen. Sie werden von unabhängigen Institutionen durchgeführt.

Befragt wurden Geschäftsleute sowie Länderanalysten, Umfragen mit Staatsbürgern im In- und Ausland wurden miteinbezogen. Der CPI beruht ausschliesslich auf Wahrnehmungen.

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