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Lara Gut, mehr als eine Nachwuchshoffnung

Lara Gut rast auf der Abfahrtsstrecke von St. Moritz zu Tal.

Die Schweizer Skination setzt grosse Hoffnungen auf Lara Gut. Die 17-jährige Tessinerin scheint den Stoff zum echten Skistar zu haben. Trotz der ersten Erfolge und der hohen Erwartungshaltung bleibt Lara Gut mit beiden Beinen auf dem Boden.

Am vergangenen 27. April hat sie ihren 17. Geburtstag gefeiert. Wenn man sie persönlich kennen lernt, wirkt sie jedoch älter. Sie lacht und scherzt, macht aber gleichzeitig einen abgeklärten Eindruck mit klaren Ideen zu ihrer Zukunft.

Wir trafen Lara Gut in ihrem Elternhaus im Tessin, nach einer Saison, in der sie in der ganzen Schweiz bekannt wurde. Denn die junge Skirennfahrerin hat zahlreiche Erfolge im Europacup sowie einen grossen Erfolg im Weltcup feiern können.

Mit diesen hervorragenden Ergebnissen im Rücken beginnt Lara Gut – nach einer verdienten Pause – bereits in den nächsten Wochen mit der Vorbereitung auf die kommende Wettkampfsaison.

swissinfo: In den letzten Monaten sprachen Sie nicht nur Italienisch, sondern auch perfekt Französisch und Schweizerdeutsch. Sie haben offenbar nicht nur Talent fürs Skifahren, sondern auch für Sprachen?

Lara Gut: Zuhause haben wir immer Italienisch und Französisch gesprochen. Meine Mutter hat ihre Wurzeln in Italien und Österreich, ist aber im Kanton Jura aufgewachsen.

Dank meinen sportlichen Aktivitäten lernte ich dann Deutsch, Spanisch und Englisch. Für die Kommunikation im Team ist Deutsch fundamental.

swissinfo: Sie geben das Bild einer strahlenden jungen Frau, die bei aller Anstrengung auch noch Spass hat und nicht alles dramatisiert. Ist das Ihre Art, mit dem Druck umzugehen?

L.G.: Ich denke, dass dieses Verhalten mit 17 Jahren ganz normal ist. Es könnte nicht anders sein. Skifahren bedeutet für mich vor allem «Fun».

Es ist folglich ganz logisch, dass ich bei einer Aktivität, die mir Spass macht, scherze und lache, auch wenn sie in einem hochprofessionellen Ambiente wie dem Weltcup erfolgt. Ich bin aber schon enttäuscht, wenn ein Rennen nicht so läuft, wie ich es mir wünsche.

Meine Mutter hat mir immer gesagt, ich müsse meine Identität und Natürlichkeit wahren. Das heisst: Einfach mich selber sein. Und genau dies versuche ich zu tun.

swissinfo: Wie kann man Abfahrten noch geniessen, wenn man auf so hohem Niveau Ski fährt. Stehen da nicht die sportlichen Ziele im Vordergrund?

L.G.: Ich bin überzeugt, dass man die Ziele nicht gleich zu hoch stecken muss. Das ist sogar die wichtigste Vorbedingung, um gute Resultate zu erzielen.

Ich habe es geschafft, bei einer Weltcup-Abfahrt aufs Treppchen zu steigen, aber gleichzeitig Spass zu haben und mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben.

Ich trainiere hart, aber ich bleibe locker. Ich bin noch jung und wenn ich ein Ziel nicht erreiche, gibt es noch andere Gelegenheiten!

swissinfo: Um auf höchstem Niveau Wettkämpfe auszutragen, müssen Sie Ihren Lebensstil entsprechend anpassen und auch gewisse Opfer bringen. Das unterscheidet Sie stark von gleichaltrigen Jugendlichen.

L.G.: Ich habe diesen Lebensstil gewählt, darum habe ich nicht das Gefühl, irgendetwas zu verpassen. Wenn ich mit Kolleginnen oder Kollegen meines Alters spreche, merke ich häufig, dass viele diesen Lebensabschnitt als problematisch und schwierig erleben. Das ist bei mir nicht der Fall.

Zu meinen Eltern und meinem Bruder habe ich eine ausgezeichnete Beziehung. Wir reden viel zusammen, wir können über alles sprechen, ich kann mich ihnen anvertrauen. Das heisst aber nicht, dass ich machen kann, was ich will.

swissinfo: Sie sind ständig mit älteren Sportlern zusammen. Spüren Sie den Altersunterschied?

L.G.: Ehrlich gesagt, nein. Vielleicht bin ich zu schnell erwachsen geworden, oder vielleicht sind die anderen kindisch geblieben (lacht).

Ich denke, dass uns unsere gemeinsame Leidenschaft fürs Skifahren und unser Lebensstil zusammenschweisst. Wenn man viel in der Welt herumkommt, lernt man die unterschiedlichsten Leute kennen. Und man wird flexibler.

swissinfo: Welche Vorteile bringt es, in einer kleinen Gruppe trainieren zu können?

L.G.: Für mich ist es enorm wichtig, eine oder zwei Personen zu haben, denen ich mich komplett anvertrauen kann. Eine dieser Personen ist mein Vater, der mich aus dem «Effeff» kennt und mich schützt, wenn ich Ruhe brauche.

Es handelt sich übrigens um meine persönliche Entscheidung: Ich war es immer gewohnt, alleine zu trainieren; andere Sportler gehen da andere Wege.

swissinfo: Sie treten im Alpinski in allen Disziplinen an. Haben Sie keine Vorlieben?

L.G.: Ich habe wirklich alle Disziplinen gern. Natürlich nimmt die Liebe zu einer bestimmten Disziplin etwas ab, wenn ich gerade Schwierigkeiten habe.

Aber ich versuche natürlich, immer in Bestform zu sein. Und dafür arbeite ich hart.

swissinfo: Wie entspannen Sie sich in wettkampffreien Zeiten?

L.G.: Ich lese sehr viel. Und ich halte Kontakte mit Freunden, die über die ganze Welt verstreut sind. Wenn ich Ruhe brauche, höre ich Musik oder gehe alleine spazieren.

swissinfo: Wie schaffen Sie es, Sport und Schule zu vereinbaren?

L.G.: Dank dem Internet. Dieses Instrument erlaubt mir, zu Hause zu arbeiten und meine Zeit zu optimieren.

Natürlich muss ich ziemlich streng mit mir sein. Ich kann die Schularbeit nicht auf die lange Bank schieben.

swissinfo: Sie sind in der Schweiz in kürzester Zeit eine bekannte Persönlichkeit geworden. Wie hat das Ihr soziales Leben verändert?

L.G.: Es gibt einen schönen Aspekt: Viele Leute – beispielsweise in meiner Wohngemeinde – sprechen mich jetzt auf der Strasse an, sie machen mir Komplimente, und ich kann mit ihnen diskutieren.

Auf der anderen Seite gibt es Leute, die offenbar weniger Freude an meiner jetzigen Situation haben. Es geht wahrscheinlich nicht einmal so sehr um meine Erfolge, sondern vielmehr um die Erfahrungen, die ich machen kann.

Aber das sorgt mich nicht wirklich. Für jede Person dieser Art treffe ich auf zehn Personen, die mir wohl gesonnen sind.

swissinfo, Andrea Clementi, Comano
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Lara Gut wurde am 27. April 1991 geboren. Mit eineinhalb Jahren stand sie zum ersten Mal auf Skiern.

Die junge Skirennfahrerin (160 cm, 57 Kilo) lebt in Comano bei Lugano zusammen mit ihrer Mutter Gabriella, einer Sportlehrerin, dem Vater Pauli, ebenfalls Lehrer, und dem Bruder Ian. Lara Gut besucht die Berufsschule für Leistungssportler in Tenero.

Die Vorbereitung auf die Saison 2008/2009 absolviert sie vor allem mit Vater Pauli sowie dem Tessiner Mauro Pini, der bereits die Spanierin Maria Jose Rienda Contreras trainierte.

In den Wettkämpfen gibt es zudem eine enge Zusammenarbeit mit der Damen-Abteilung für Alpinski des Verbands Swiss Ski.

Während der Saison 2006/2007 erreichte Lara Gut den ersten Platz in den Schweizer Meisterschafen im Super-G und Riesenslalom.

Bei den Junioren-Weltmeisterschaften konnte sie in der Abfahrt eine Silbermedaille gewinnen. Diesen Erfolg wiederholte sei in der Saison 2007/2008.

2007 fuhr die Tessiner Athletin erstmals im Weltcup. Im Februar 2008 eroberte sie den dritten Rang bei der Damenabfahrt von St. Moritz, trotz Sturz kurz vor der Ziellinie. Damit wurde sie auf einen Schlag in der ganzen Schweiz bekannt.

Im Europacup 2007/2008 landete Gut sieben Mal auf dem ersten Rang (vier Mal Super-G; zwei Mal Abfahrt, einmal Riesenslalom). Sie konnte sich zudem mehrmals auf Rang 2 und 3 platzieren. Am Ende entschied sie den Europacup in der Gesamtwertung für sich.

Die 17-Jährige wurde von der Stiftung Schweizer Sporthilfe zur Nachwuchsathletin 2007 ernannt.

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