Männersache Grillieren
Sommerzeit ist Grill-Zeit. Am Nationalfeiertag feiert das Grillieren seinen Höhepunkt in der Schweiz. Und wer steht am Grill? Der Mann. Das war so in Spiez an der BBQ-EM, das ist so landauf landab.
Mit der Bratwurstzange bewaffnet zeigen sie, wer der Herr am Grill ist. Sorgsam hüten Männer im Sommer glühende Kohlen, einfühlsam wenden sie die Würstchen. Frauen dürfen allenfalls Salate zubereiten. Sozialwissenschaftler und Psychologen haben mehrere Thesen, warum der Grill meist männliche Domäne ist.
«Männer tun eher Dinge draussen, die sichtbar sind. Das ist prestigeträchtiger als die Arbeit hinter Fenstern und Türen», erklärt Nina Degele, Professorin für Soziologie und Geschlechter-Forschung an der Universität Freiburg.
Dass Tätigkeiten ausserhalb der vier Wände bei «ihm» beliebter sind als Hausarbeit, zeigt eine Untersuchung des Hamburger Instituts Gewis. Vertreter des «starken Geschlechts» erledigen demnach gern kleine Reparaturen (89%), bringen den Müll weg (77%) oder kaufen ein (71%).
Weniger beliebt dagegen sind Wäschewaschen (32%), Badezimmer putzen (30%) und Bügeln (25%).
Degele sieht noch einen Grund für die Grillfreudigkeit des männlichen Geschlechts: «Es wird ein Rest von Archaik gepflegt.» Am Rost sei «er» wieder der wilde Mann, der nach Schweiß stinken dürfe.
Stephan Höyng, Männerforscher an der Katholischen Fachhochschule Berlin, vermutet einen ähnlichen Zusammenhang. «Man kann es mit dem Feuer begründen oder mit der Jagd als Aufgabengebiet: Im Mann stecken bestimmte Triebe, die die Zivilisation noch nicht erreicht haben.»
Männerforscher Höyng hat noch eine Erklärung parat. Männer liebten den Rost, da er das Wir-Gefühl fördere. «Grillen ist auch ein Ritual, bei dem die Zugehörigkeit zu einer Gruppe gezeigt wird.» Jungs und Männern sei wichtig, einer Gruppe anzugehören und sich dort darzustellen. Das scheint zu gelingen. In einer Umfrage einer britischen Supermarktkette fanden die meisten der 500 Befragten Männer am Grill sexy.
«Am Grill ist der Mann ganz Mann», findet die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Er sei dort ganz «Nachfahr von Fallenstellern, Fischern, Sammlern und Jägern, stolzer Enkelsohn alleinernährender Väter, Großväter und Urgroßväter, die ihre Familie ums Feuer scharten, um sie zu füttern, zu schützen und zu liebkosen, wie das Naturgesetz es befahl.»
Die «Zeit» sieht im männlichen Grillverhalten einen Rückfall in eine frühere Entwicklungsstufe: «Das Grillen von Fleisch erinnert an Wildheit, Jagd, und die Beute, die erlegt wurde, um sie mit allen zu teilen.»
swissinfo und Sophia-Caroline Kosel (dpa)
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