Mehr Fairness bei Sportbekleidung und Mode
Schweizer Modefirmen sollen mehr Verantwortung für Arbeitsbedingungen bei der Kleiderproduktion in Ländern des Südens und Ostens übernehmen, fordern die Erklärung von Bern und die "Clean Clothes Campaign".
Missstände bei den Arbeitsbedingungen zeigt ein neuer Vergleich von 23 Unternehmen, den die Erklärung von Bern (EvB) und die «Clean Clothes Campaign» (CCC) veröffentlicht haben.
Die jüngste Firmenbefragung mit dem Titel «Fair Fashion? Schweizer Modefirmen im Vergleich» nimmt erstmals ausschliesslich Unternehmen mit Sitz in der Schweiz unter die Lupe.
«Die meisten Modefirmen gaben Auskunft», bilanziert Christa Luginbühl, EvB-Mitarbeiterin und CCC-Koordinatorin.
Das internationale Netzwerk, dem rund 20 Schweizer Entwicklungsorganisationen angehören, setzt sich seit bald zehn Jahren für gerechte Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie ein – und hat schrittweise Fortschritte erzielt.
«Die meisten Firmen negieren heute ihre Verantwortung nicht. Einige haben neu Verhaltenskodizes geschaffen. Doch aus unserer Sicht sind viele noch weit weg von der vollständigen Einhaltung der Arbeitsrechte und Minimallöhne», sagt Luginbühl.
Nur zwei Firmen erhalten aufgrund der Befragungen das Prädikat «Vorreiter». Die meisten, zwölf von 23, anerkennen zwar eine gewisse Verantwortung, setzen ihre Standards aber nur mangelhaft um. Neun Firmen waren nicht transparent.
«Bei Unternehmen, die keine Massnahmen dokumentieren und die keine Angaben über ihre Beschaffungsstruktur vorlegen, muss man annehmen, dass skandalöse Arbeitsbedingungen dahinter stecken könnten», folgern CCC und EvB in ihrer Publikation.
Petition an «ignorante Firmen»
Als die drei grössten «textilen Ignoranten» bezeichnen sie die Firmen Chicorée, Yendi und Zebra, die auf keine Post der CCC reagiert haben. Eine Aktion der EvB am Donnerstag in Zürich zielte deshalb auf diese «Schweigenden».
Chicorée, Yendi und Zebra wurden symbolisch an den Bahnhofstrasse über 21’000 Unterschriften der «Petition für faire Mode» überreicht.
«Wir haben eigene Auflagen, die wir erfüllen, und arbeiten seit rund 25 Jahren mit den gleichen Lieferanten. Unsere Einkäufer und ich gewährleisten persönlich Kontrolle vor Ort», kontert Jörg Weber, Geschäftsleiter der Chicorée Mode AG.
Vertrauen allein genügt nicht
«Das Kennen der Lieferanten ist gut und recht, ebenso langjährige Geschäftsbeziehungen. Doch Vertrauen allein genügt nicht», betont demgegenüber Kampagnenkoordinatorin Christa Luginbühl. Sie pocht auf unabhängige Kontrollen und unabhängige Anhörungen der Sozialpartner.
Der Aufwand, Sozialstandards nach dem CCC-Modellkodex umzusetzen und zu kontrollieren, sei zu gross, sagt Zebra-Mode-Einkäufer René Z’graggen. Besonders, weil seine Firma ein grosses Sortiment und viele wechselnde Lieferanten habe.
Z’graggen räumt gewisse Probleme in Produktionsländern wie China, Indien und Bangladesch ein, doch könne er kaum herausfinden, wo und wie die Ware produziert werde. Seine Firma biete Mode für Junge in einem günstigen Segment.
10 Rappen machen den Unterschied
Faire Mode koste nicht unbedingt mehr, betonen CCC und EvB: «Nur zehn Rappen pro T-Shirt entscheiden, ob eine Näherin in Armut lebt.» Zehn Rappen weniger Lohn bedeuteten unbezahlte Überzeiten, Nachtarbeit und Unfallrisiken.
Dass viele Konsumentinnen und Konsumenten nicht in «Sweatshops», wirklichen Schweissbuden, hergestellte Kleidung tragen wollen, belegen laut EvB die vielen in kurzer Zeit und ohne Werbeaufwand gesammelten Unterschriften.
«Mammut» und «Odlo» machen mit
Als ermutigendes Zeichen wertet die EvB zudem, dass mit Mammut und Odlo jüngst zwei erfolgreiche Outdoor- und Sportbekleidungsfirmen der unabhängigen Kontrollstelle «Fair Wear Foundation» (FWF) beigetreten sind und damit eine Kernforderung der CCC erfüllen.
Laut Bernhard Herold von FWF können sich verantwortungsvolle Unternehmen eine Verifizierung durchaus leisten. «Wir unterstützen sie ohne grosse Bürokratie. Wir erwarten aber auch, dass sie ihr Gewicht bei Agenten und Zulieferern einlegen, um die Arbeitsbedingungen in der Produktionskette zu verbessern.»
swissinfo und Viera Malach, InfoSüd
Die Broschüre «Fair Fashion? Schweizer Modefirmen im Vergleich» mit 23 Firmenprofilen und ein Shopping-Guide im Kleinformat können bei der EvB bestellt werden (12.- Franken) online: http://www.evb.ch/p14805.html (siehe Link)
Die Clean Clothes Campaign Schweiz hat auch auf internationaler Ebene ein Projekt zur Unternehmensverantwortung von Modefirmen angeregt.
Dabei wurden rund 100 Modehäuser befragt und europaweit vergleichbare Firmenprofile angelegt.
Die Ergebnisse der umfassenden Firmenbewertung werden am 27.11.2008 auf www.fashioncheck.ch vorgestellt und sollen Konsumentinnen und Konsumenten beim fairen Einkauf dienen.
Das internationale Kampagnen-Netzwerk der CCC erhöht mit Unterstützung der Konsumentinnen und Konsumenten den Druck auf die grossen Markenfirmen und Verteiler, Textilien fair und sauber zu produzieren.
Gerecht produzierte Kleider müssen nicht teuer sein – das meinen auch Unternehmen, die soziale und ökologische Standards einhalten.
Leider haben erst einzelne Firmen begonnen, faire Arbeitsbedingungen bei ihren Lieferanten durchzusetzen.
Die Meisten versuchen immer noch, Preise zu drücken und Lieferfristen zu verkürzen.
Sie investieren viel Geld ins Marketing und Imagepflege, ihr Name steht jedoch für Sozialdumping und Ausbeutung.
Damit die Arbeitsbedingungen in der gesamten Produktionskette besser werden, braucht es den öffentlichen Druck und eine unabhängige Überprüfung.
Die Arbeitskosten in der Verarbeitung:
40 Rappen bedeuten:
Geregelte Arbeitszeiten, höhere Löhne,Betriebsräte, Anstellungsverträge, Weiterbildung und Krankenkasse können damit finanziert werden.
10 Rappen weniger bedeuten:
Lohndumping,nicht bezahlte Überzeiten und Nachtarbeit sowie Unfallrisiken und Qualitätsprobleme.
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