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Mehr Geld für Libanon und Palästinensergebiete

Tausende Libanesen wollen wieder nach Hause. Keystone

Nach dem Waffenstillstand in Libanon ändert sich auch die Arbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) vor Ort. Das kostet.

Anzahl und Menge der Hilfslieferungen müssten neu evaluiert werden, da nun viele Menschen in den Süden Libanons zurückkehren, erklärte der Schweizer Einsatzleiter in Beirut.

Hunderttausende Flüchtlinge machen sich derzeit auf den Weg in den Süden Libanons, zurück in ihre Dörfer. Eine Bewegung, die nicht ohne Folgen für die Hilfsorganisationen bleibt. «Wir müssen den Fokus verlegen», sagte Toni Frisch, Delegierter für humanitäre Hilfe und Chef des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe SKH, am Dienstag.

Bislang konzentrierte die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) die Not- und Überlebenshilfe vor allem auf das Schuf-Gebirge im Südosten der libanesischen Hauptstadt und auf Beirut selbst.

Seit dem Waffenstillstand vom Montag hat sich ein Grossteil der Vertriebenen auf den Heimweg gemacht. Viele werden dort vor den Trümmern ihrer Existenz stehen.

Nicht nur seien mehrere zehntausend Wohnungen und ein Grossteil der Infrastruktur zerstört, sagte Frisch. «Die Menschen haben auch ihre Arbeit verloren; Fabriken, Geschäfte oder Restaurants sind zerbombt. Tausende stehen vor dem Nichts.»

Viele könnten erst gar nicht zu ihren Häusern vordringen. Am Fluss Litani, auf dessen anderer Seite israelische Soldaten stehen, sei die Reise zu Ende. Im Moment werde dort niemand durchgelassen.

Hilfe neu überprüfen

«Die libanesischen Behörden haben uns gesagt, dass rund 75 Prozent der geflohenen Menschen aus dem Schuf-Gebirge wieder nach Hause gekehrt sind», sagte Daniel Beyeler, Leiter des SKH-Teams in Beirut, gegenüber swissinfo.

Die UNO sprach von vielen Menschen, die über die syrische Grenze wieder nach Libanon kommen.

Beyeler betonte, dass das SKH die Hilfslieferungen neu überprüfen müsse. «Wir sprechen mit den lokalen Behörden in der Region Schuf, um ein besseres Bild der Situation zu erhalten. Bis dahin haben wir unsere zweimal täglichen Lieferungen gestoppt.»

Letzte Woche hatte die Hilfsorganisation der Schweizer Regierung erklärt, dass über 800 Familien Material-Hilfslieferungen erhalten hätten und ein erstes Lager für 360 Flüchtlinge den libanesischen Behörden übergeben worden sei.

Geld für Obdach

Es werde winterfeste Übergangs-Unterkünfte brauchen, sagte Frisch. Zudem will die DEZA ihr bereits unter anderem in den Tsunami-Gebieten rund um den Indischen Ozean erprobte Programm «Geld für Obdach» (Cash for Shelter) auch in Libanon starten.

«Wenn zum Beispiel jemand die Nachbarsfamilie bei sich aufnimmt, die ihr Haus verloren hat, dann wird sie finanziell unterstützt», erklärte er das Prinzip.

Neuer Zusatzkredit

Die Not- und Überlebenshilfe werde in den kommenden Monaten im Zentrum der Arbeit der Hilfswerke in Libanon stehen, danach erst komme der Wiederaufbau, fasste Frisch zusammen.

Die DEZA hat beim Bundesrat weitere Gelder beantragt und erhofft sich in der nächsten Woche grünes Licht. Allein für Libanon hat die DEZA in den letzten Wochen 6 Mio. Franken ausgegeben.

Wie viel Geld die DEZA möchte, wollte Frisch nicht sagen. Dabei gehe es um Gelder für Not- und Überlebenshilfe.

Eine Beteiligung am Wiederaufbau durch die Schweiz sei aus heutiger Sicht nicht vorgesehen. Der Zusatzkredit sei nicht nur für Libanon sondern auch für den palästinensischen Gazastreifen und das Westjordanland bestimmt.

Sorgenkinder Palästinenser

Denn die Lage der Palästinenser dort habe sich in den letzten Wochen verschlechtert, sagte Frisch. So haben nach Angaben der DEZA in Gaza 70 Prozent der Einwohner zu wenig Lebensmittel.

Die Haushalte in Gaza erhalten nur stundenweise Strom und Wasser, weil Israel Ende Juni ein Elektrizitätswerk bombardiert hat.

Auch jene Palästinenser, die seit Jahrzehnten als Flüchtlinge in Libanon leben, bereiten Frisch Kopfzerbrechen. Diese litten besonders unter den Folgen des Krieges zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah. «Von einer Krise sind die schon vorher Benachteiligten am schwersten betroffen», sagte Frisch.

swissinfo und Agenturen

Das Netzwerk «Coordination d’urgence des citoyens et amis du Liban» (Freunde des Libanon) wurde kurz nach Beginn des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah Mitte Juli gegründet.

Es setzt sich nach eigenen Angaben aus Vertretern der wichtigsten politischen und religiösen Kräfte in Libanon – unter anderem auch der Hisbollah – zusammen.

Die Libanesen in der Schweiz glauben, dass die Schweiz beim Wiederaufbau ihres Landes eine wichtige Rolle spielen könnte. Denn ihre politische Haltung werde von allen Parteien in Libanon akzeptiert.

Die Organisation bedankte sich bei Aussenministerin Micheline Calmy-Rey für ihr Bemühen um einen Waffenstillstand und die Verurteilung der israelischen Angriffe als «unverhältnismässig».

Das Schweizerische Korps für humanitäre Hilfe (SKH) untersteht der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).

Es ist ein Milizkorps und umfasst einen Pool von mindestens 700 einsatzbereiten Personen, die entsprechend ihren Kenntnissen und Fähigkeiten in Fachgruppen eingeteilt sind.

Dank dem SKH und seinen Spezialisten kann der Bund direkt vor Ort tätig werden und Aktionen internationaler Organisationen unterstützen.

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