Menschenrechtsrat im Kreuzfeuer der Kritik
Während der Menschenrechtsrat in Genf seine reguläre Sitzung abhält, fahren verschiedene Persönlichkeiten scharfes Geschütz gegen die Institution auf.
Aus Angst, die Diffamierung der Religionen könnte als Beeinträchtigung der Menschenrechte verstanden werden, kritisieren sie in einem Manifest Doudou Diène. Der UNO-Experte für Menschenrechte nimmt gegenüber swissinfo Stellung.
Zur Erinnerung: Während der UNO-Konferenz gegen Rassismus von 2001 in der südafrikanischen Stadt Durban wurde bei Manifestationen zur Vernichtung Israels aufgerufen und eine Erklärung von Nichtregierungs-Organisationen als antisemitisch eingestuft.
Die Konferenz kam knapp am Schiffbruch vorbei, indem sie einstimmig eine Schlusserklärung und einen Aktionsplan verabschiedete, dessen Inhalt eine Beruhigung der israelischen Regierung zur Folge hatte. Zuvor hatte sie sich, wie auch die USA, von den Verhandlungen zurückgezogen.
Heute hat sich der Konflikt wieder heftig entfacht im Vorfeld der Folgekonferenz von Durban, die für nächstes Jahr im UNO-Menschenrechtsrat vorgesehen ist.
Empörte Persönlichkeiten
Letzte Episode dieser immer härter werdenden Konfrontation: Die Veröffentlichung in der Presse eines Manifests, das von jüdischen Persönlichkeiten wie Elie Wiesel, Georges Charpak, Alain Finkielkraut und Claude Lanzmann unterzeichnet ist. Ein Manifest der Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (LICRA).
Der Text prangert in aller Schärfe den Menschenrechtsrat an: «Seine internen Mechanismen, die Koalitionen und Allianzen, die sich bilden, die Texte, die verhandelt werden, zerschlagen die Redefreiheit, legitimieren die Unterdrückung der Frauen und stigmatisieren die westlichen Demokratien systematisch.»
Die Unterzeichner kritisieren insbesondere Doudou Diène, den UNO-Sonderberichterstatter gegen Rassismus und werfen im eine Reihe von Äusserungen vor.
Experte in der Kritik
Das Manifest schreibt zum Beispiel, dass Doudou Diène bestätigt habe, dass «Laizität» (Trennung von Kirche und Staat) «in einer Kultur von Sklaverei und Kolonialismus verankert sei».
Der unabhängige Experte, zur Zeit in Indien, ist empört: «So etwas habe ich nie gesagt. Als Sonderbeauftragter habe ich festgestellt, dass die Laizität in gewissen Ländern absolut und entgegen internationalen Abkommen praktiziert wird und dass gewisse Gruppen die Laizität benutzen, um sich dem Ausdruck der Religionsfreiheit zu widersetzen.»
Er empfehle in allen seinen Berichten «die Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Religionsfreiheit und Meinungsäusserungsfreiheit. Ich habe immer anerkannt, dass die Trennung von Kirche und Staat sowie die Neutralität des Staates gegenüber den Religionen einen wichtigen Fortschritt bilden».
Die Kritik der Religionen
Die Unterzeichner des Manifests befürchten zudem ganz allgemein den Inhalt der Texte, die an der Durban-Folgekonfernz verabschiedet werden: «Wenn man nicht mehr das Recht hätte, auch die Religion zu kritisieren, wäre das ein Rückschritt mit katastrophalen Folgen.»
Eine Angst, die von Doudou Diène relativiert wird: «Die Meinungsäusserungs-Freiheit muss als Grundsatz der Demokratie garantiert sein. Sie darf aber nicht zur Anstiftung zu rassistischem und religiösem Hass führen. Ein Wortlaut, der ganz klar in internationalen Abkommen zu zivilen und politischen Rechten figuriert, einer der beiden Säulen der internationalen Menschenrechtscharta.»
Konferenz in Gefahr
Die Verhandlungen zur Vorbereitung der Nachfolgekonferenz von Durban sind zunehmend gespannt. Im Fokus steht die Einbeziehung der Diffamierung von Religionen als neue Form von Rassismus: Die westlichen Länder, eine Minderheit im Menschenrechtsrat, sind dagegen, afrikanische und islamische Länder verlangen dies. Mit dem Resultat, dass sich Kanada wie auch Israel zurückgezogen haben und Frankreich mit dem Rückzug droht.
Diese Austritte beunruhigen Doudou Diène: «Infolge der Zunahme verschiedener Formen von Rassismus auf der Welt – sei das Antisemitismus, Rassismus gegen Schwarze oder die neuen Formen rassistischer Diskriminierung nach dem 11. September – ist es absolut notwendig, eine neue Antirassismus-Konferenz abzuhalten, um zu zeigen, dass die internationale Gemeinschaft sich gegen diese Gefahr mobilisiert. Sollte sie scheitern, hätten die Kräfte, die den Rassismus instrumentalisieren, das Gefühl, ungehindert handeln zu können.»
swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Gaby Ochsenbein)
Die reguläre Session des UNO-Menschenrechtsrats findet vom 3. bis 28. März in Genf statt.
Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon wird teilnehmen, um für eine Überwindung der Gräben zwischen den nördlichen und den südlichen Ländern zu plädieren.
Der Rat wird verschiedene seiner Mandate, die er von der ehemaligen Menschenrechtskommission übernommen hat, neu definieren.
Die Schweiz hat Jean Ziegler als künftiges Mitglied der konsultativen Expertengruppe vorgeschlagen, welche den Rat berät. Ziegler ist einer von acht Kandidaten für die drei Sitze, die der Gruppe der westlichen Länder zustehen.
Die Schweiz unterstützt zudem eine Resolution der Malediven, die eine Studie über den Einfluss der Klimaveränderung auf die Menschenrechte verlangt.
Aus Anlass des 60. Jahrestages der Menschenrechts-Erklärung nimmt die Schweiz an einer Diskussionsveranstaltung teil, welche den freiwilligen Einsatz von Staaten zu Gunsten der Menschenrechte fördern will.
Anstelle eines Diplomaten wird Andrew Clapham, Professor für Internationales Recht an der Universität Genf, die Schweiz an diesem Panel vertreten.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch