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Mit Spionen gegen das Bankgeheimnis

Spione versuchen heute eher Computer-Netzwerke zu knacken, als "einen Aktenkoffer zu stehlen". Keystone

Während die Schweizer Regierung versucht, das Bankgeheimnis soweit wie möglich zu verteidigen, versuchen ausländische Spione, die Banken auszuspionieren und an private Finanzdaten zu gelangen.

Jürg Bühler, Direktor des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP), sagt, ausländische Dienste versuchten zusehends an die Daten von ausländischen Bankkunden zu kommen.

«Heute geht es bei der Spionage nicht nur um Militär- oder um Industrie-Spionage, sondern um Finanzdaten», sagt Bühler gegenüber swissinfo.ch. «Ein wichtiger Grund sind Steuerfragen.»

Laut Bühler kann die Bank-Spionage nicht genau quantifiziert werden, zumal sich ein Teil in der digitalen Welt abspiele. Die Schweiz hat 2008 21 Spione mit einem diplomatischen Deckmantel an der Einreise gehindert. 2007 waren es 8, 2006 waren es lediglich 2.

Laut James Nason, dem Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung, sind sich die Schweizer Banken der Gefahr bewusst und haben ihre Sicherheitskommissionen mit entsprechend ausgebildeten Experten besetzt.

«Es besteht kein Grund zur Beunruhigung», so Bühler. «Grundsätzlich gibt es kein spezifisches Risiko, dass ein gewöhnlicher Bankkunde ins Visier eines ausländischen Geheimdienstes gerät.»

Aus dem Osten

Ausländische Staaten versuchen regelmässig, an Daten von Bankkunden zu kommen. So hat Deutschland 2008 für eine CD-Rom mit Daten von liechtensteinischen Bankkunden mehrere Millionen Euro bezahlt.

Laut Bühler ist das ein Hinweis, dass die Schweiz wachsam sein muss. «Es gibt immer wieder Autos mit ausländischen Kennzeichen, die vor einer Bank parkiert sind. Die Leute in den Autos tun nichts anderes, als beobachten, wer auf die Bank geht oder sie verlässt», so Bühler. «Beweisen, dass es sich um Spione handelt, können wir nicht, aber solche Aktivitäten können wir nicht tolerieren.»

Die meisten Spione kämen aus östlichen Ländern, erzählt Bühler, nennt aber keine Namen von Ländern. «Wir haben unsere Arbeit in den vergangenen Jahren intensiviert und erhalten auch Informationen von unseren internationalen Partnern», sagt Bühler und erklärt damit die Tatsache, dass die Schweiz 2008 mehr Spionen die Einreise verweigert hat als in den Jahren zuvor.

Wettbewerbsvorteil

Marc Henauer, Chef der Sektion Cybercrime beim Bundesamt für Polizei (fedpol), führt die Zunahme der Spionage gegen die Finanzinstitutionen auch auf die Tatsache zurück, dass heute immer mehr Informationen auf Computer-Netzwerken gespeichert werden.

«Früher mussten Sie einen Aktenkoffer stehlen, wenn Sie an ein Dokument kommen wollten», sagt Henauer gegenüber swissinfo.ch. «Heute müssen Sie einfach ein Netzwerk infiltrieren, um an all die gewünschten Dokumente heranzukommen.»

Doch die ausländische Spionage auf Schweizer Boden beschränkt sich nicht auf Datenbanken. Gemäss Jürg Bühler haben viele Staaten wie Frankreich, die USA oder Russland ihre Geheimdienste personell ausgebaut.

«Zusätzlich zu dieser Hilfe an die Unternehmen, sich über Wasser zu halten, gibt es noch andere Arten, sie zu unterstützen», so Bühler. «Wenn es um Verteidigungsaufträge oder andere Milliarden-Projekte geht, will man in Besitz aller Details der Offerte des Mitbewerbers kommen.»

Ein 75-seitiger, im Juni veröffentlichter Sicherheitsbericht des DAP zeigt ein Beispiel auf. Schweizer Sicherheitsagenten verdächtigen russische Spione, die Verbindungen zum Rohöl-Business in der ehemaligen Sowjetunion hatten, heute fast 75% ihrer Geschäfte über Genf abzuwickeln.

Schliesslich betont Bühler, man müsse sich über den Inhalt immer bewusst sein und Informationen via Internet mit Vorsicht behandeln, weil es sehr schwierig sei, herauszufinden, ob jemand spioniere.

Und noch ein letzter Ratschlag des DAP-Direktors:: «Ehrlich sein in Steuerangelegenheiten.»

Tim Neville, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

Der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) veröffentlicht jedes Jahr einen detaillierten Bericht über die innere Sicherheit der Schweiz.

Der jüngste Bericht vom Juni erörtert Fragen wie islamischer Terrorismus, gewalttätiger Extremismus, organisiertes Verbrechen, Cyber-Kriminalität, Hooliganismus und illegale Geheimdienstaktivitäten.

Extremismus: Der Bericht erwähnt eine 30-prozentige Abnahme der rechtsextremen Gewaltakte auf 24 registrierte Zwischenfälle. Die Anzahl von Konzerten rechtsextremer Bands erhöhte sich von 10 im Jahr 2007 auf 15 im Jahr 2008. Am meisten linksextreme Gewaltakte wurden in Zürich begangen. Dabei gab es mehr Angriffe auf Polizeiposten als in den Vorjahren.

Organisiertes Verbrechen: Kriminelle Gruppen aus der früheren Sowjetunion benützen die Schweiz weiterhin als Ort für Geldwäscherei und Drogenhandel. Rund 75% der russischen und praktisch alle kasachischen Rohölexporte werden über Genf abgewickelt. «Die Leute, die (in der Ex-Sowjetunion) das Rohölgeschäft betreiben, werden verdächtigt, Hand in Hand mit den dortigen Geheimdiensten zu arbeiten», heisst es im Bericht.

Tamilen: Vor Ende des Bürgerkrieges in Sri Lanka im Juni 2009 übte der Schweizer Ableger der Tamil Tigers (LTTE) vermehrten Druck auf die tamilische Exil-Gemeinde in der Schweiz aus. Die LTTE organisierte Propaganda-Veranstaltungen zur Disziplinierung und Überwachung ihrer Landsleute und forderte die tamilische Diaspora zur finanziellen Unterstützung der Tamil Tigers auf.

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