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Nach der Bluttat: Krisenbewältigung in Zug

Warum mussten so viele unschuldige Menschen sterben? Keystone

Die beiden einzigen noch amtsfähigen Zuger Regierungsräte Robert Bisig und Ruth Schwerzmann haben eine Task Force zur Bewältigung der Krise eingesetzt. Von den 15 Verletzten befindet sich weiterhin eine Person in Lebensgefahr. Der Amokschütze war der Justiz als Querulant bekannt.

Mit nur zwei amtsfähigen Mitgliedern ist die Zuger Regierung zur Zeit nicht beschlussfähig. Die Task Force besteht neben Bisig und Schwerzmann aus dem Landschreiber, dem Standesweibel sowie Mitgliedern der Verwaltung, der Kantonspolizei, des Führungsstabes und der Staatskanzlei.

Die Aufgabe der Task Force besteht darin, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu garantieren und die Gemeindebehörden zu informieren. Weiter stellt sie die Betreuung der Betroffenen und die Kontakte mit den Medien sicher. Sämtliche Oktobersitzungen des Kantonsrates fallen aus.

Bisig noch unter Schock

Bisig, der als amtsältester der reduzierten Regierung vorsteht, sagte am Freitag vor den Medien, er habe Mühe, seine Aufgaben wahrzunehmen. Nach der endlosen Schiesserei im Parlamentssaal und den vielen Opfern sei er fast wie gelähmt.

Woher kamen die Waffen?

Der Amokschütze war offenbar gut vorbereitet. Zu diesem Schluss kommt die Zuger Kriminalpolizei nach Auswertung der Spuren und Zeugenaussagen.

Friedrich Leibacher betrat den Parlamentssaal in einer polizei- und kampfuniformähnlichen Montur. Diese bestand aus einem hellblauen Hemd, einem dunkelblauen Gilet mit der Aufschrift «Polizei», einer blauen Hose mit Ledergurt, einer Baseballmütze mit Zuger Wappen und Kampfstiefeln.

Als Waffen trug Leibacher ein ziviles Sturmgewehr 90, eine Pistole SIG-Sauer, eine Pump-Action und einen Revolver auf sich. Aus dem Sturmgewehr feuerte er mehrere Dutzend, aus der Pump-Action mehrere Schüsse ab. Zudem brachte er einen Kanister mit Sprengmitteln zur Explosion. Woher Leibacher, der keinen Militärdienst leistete, die Waffen hatte, war am Freitag unklar.

Todesschütze war als Querulant bekannt

Wie Untersuchungsrichter Roland Schwyter am Freitag bekannt gab, war Leibacher vorbestraft und der Justiz als Querulant bekannt.

Der 1944 geborene Leibacher war 1970 zu einer 18-monatigen Jugendstrafe verurteilt worden, die er in einer Arbeitserziehungs-Anstalt absass. Er war wegen Unzucht mit Kindern, Unzucht in der Öffentlichkeit, Urkundenfälschung sowie Vermögens- und Strassenverkehrsdelikten schuldig gesprochen worden.

Bis 1998 führte Leibacher dann das Leben eines Unbescholtenen. Danach sei er mit zahlreichen Anzeigen als Aufsässiger und Querulant aufgefallen, sagte Schwyter weiter.

Bus-Chauffeur bedroht

Zur Eskalation kam es nach einem Stammtischstreit im Oktober 1998. Leibacher bedrohte einen Bus-Chauffeur mit einer Faustfeuerwaffe und handelte sich dadurch ein Strafverfahren ein.

Auf dieses reagierte er mit fünf Strafklagen gegen den Chauffeur und diversen Klagen gegen Personen des öffentlichen Lebens.

Die Klagen und die Rekurse wurden alle abgewiesen. Dies verleitete offenbar Leibacher zu seinem hasserfüllten Rachfeldzug gegen die Zuger Politik, die er als «Mafia» bezeichnete.

Trauerwoche

Der Kanton Zug hat die Woche vom 1. bis 7. Oktober zur Trauerwoche erklärt. Die Fahnen werden in dieser Zeit auf Halbmast gesetzt.

Am Montag, 1. Oktober, bleiben im ganzen Kanton Verwaltung und Schulen geschlossen. Um 10 Uhr findet in der Kirche St. Michael der offizielle Trauergottesdienst statt, an der auch Mitglieder des Bundesrates und mehrerer Kantonsregierungen teilnehmen werden.

Weiter im Betrieb ist die Hotline 041 728 49 00, die auch für die Bevölkerung offen ist.

swissinfo und Agenturen

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