Nachrichtendienst ohne politische Kontrolle
Der Schweizer Nachrichtendienst war zwar am Chemiewaffen-Programm des südafrikanischen Apartheidregimes nicht beteiligt. Eine politische Kontrolle über den Dienst gab es aber nicht.
Es bestand eine Art Schattendiplomatie.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Ex-Geheimdienstchef Regli oder andere Dienststellen des Bundes am Aufbau eines südafrikanischen Biologie- und Chemiewaffenprogramms beteiligt gewesen waren. Zu diesem Schluss kommt der Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation der Eidgenössischen Räte (GPDel) über die Südafrika-Politik der Schweiz zur Zeit des Apartheidregimes
Allerdings müsse mit der notwendigen Klarheit festgehalten werden, dass die damaligen Kontakte zwischen dem Nachrichtendienst und Südafrika über lange Zeit ohne die notwendige Führung durch den Bundesrat und damit im Rahmen einer «Schattendiplomatie» erfolgt seien. Das sagte Delegationspräsident Alexander Tschäppät bei der Präsentation des Berichtes in Bern.
Keine Kontrolle
Gegenüber swissinfo erklärte Tschäppät, es habe überhaupt keine Kontrolle des Nachrichtendienstes durch die Politiker gegeben. «Das war ein grosser Fehler der Schweizer Regierung. Und wir glauben, dass einige Bundesräte sogar wussten, was geschah. Aber sie reagierten nicht.»
Heute seien die Gesetze geändert worden, es bestünden jetzt klare Regeln. Wenn der Schweizer Nachrichtendienst Kontakte zu anderen Ländern habe, müsse er zuerst den politisch verantwortlichen Bundesrat darüber informieren. «In der Zukunft wird es also besser sein», so Tschäppät.
Leichtsinnig, unvorsichtig, schwerverständlich
Dem inzwischen in den Ruhestand getretenen Geheimdienstchef warf der sozialdemokratische Berner Nationalrat vor, sich vorab bei seinen Kontakten mit dem früheren Dienstkameraden, Geschäftsmann und Waffenhändler Jürg Jacomet, «leichtsinnig und unvorsichtig» verhalten zu haben. Es gebe aber keine Hinweise, wonach an der Rechtschaffenheit von Regli zuzweifeln sei.
Die vom Schweizer Nachrichtendienst in den 80er-Jahren in Angola gepflegten Kontakte zur damaligen Rebellenbewegung UNITA bezeichnet die Delegation als «schwer verständlich».
Kein konkreter Nutzen
Ernüchternd fällt die Analyse der Delegation im Hinblick auf den konkreten Nutzen der Südafrika-Kontakte des Nachrichtendienstes aus. Dieser sei aufgrund der vorgefundenen Akten und der durchgeführten Befragungen nur schwer zu erkennen und im Vergleich zum getätigten Aufwand «irrelevant», sagte Tschäppät.
Der Nachrichtendienst habe sich dem südafrikanischen Apartheidregime gegenüber wenig kritisch verhalten, was zumindest in der damaligen «Logik des Kalten Kriegs» nachvollziehbar sei. Die vom früheren Militärarzt Wouter Basson in Südafrika erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Biologie- und Chemiewaffenprogramm «Coast» an die Schweiz seien hingegen haltlos.
Aber auch wenn offensichtlich sei, dass in den 80er- und 90er-Jahren Fehler gemacht worden seien, berechtige dies die teilweise diffamierenden Anschuldigungen nicht, die in der Vergangenheit gegen bestimmte Personen vorgebracht worden seien.
Regli sieht sich rehabilitiert
Divisionär Peter Regli fühlt sich vom GPDel-Bericht «vollständig rehabilitiert». Die Journalisten, die während vier Jahren eine «verantwortungslose Medienkampagne» gegen den Nachrichtendienst und insbesondere gegen ihn geführt hätten, müssten erkennen, dass sie Falschmeldungen verbreitet hätten.
Das schreibt der ehemalige Nachrichtendienstchef der Armee in einem Communiqué.
Freie Hand für Aktenvernichtung
Tschäppät rügte indessen das Verhalten Reglis während der GPDel-Untersuchung. Der Divisionär habe der Delegation bewusst wesentliche Informationen vorbehalten und damit eine umfassende Aufklärung gewisser Vorfälle verhindert. Zudem habe er Aussagen gemacht, die sich «als klar falsch» erwiesen hätten.
Unverständlich erscheint der GPDel, dass der Bundesrat Generalstabschef Regli nach dessen Freistellung Ende 2000 mit der Ordnung und Sichtung der Akten beauftragt und ihm im Hinblick auf Aktenvernichtung völlig freie Hand gelassen hatte. Nicht einmal Vernichtungsprotokolle seien erstellt worden.
«Wir wissen also nicht, was in den verschwundenen Dokumenten stand», sagte Tschäppät gegenüber swissinfo. «Und wir wissen auch nicht, was in den Dokumenten in Südafrika steht. Wir haben versucht, an die Informationen heran zu kommen, doch der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki hat uns die Bewilligung dazu nicht gegeben», so Tschäppät.
swissinfo und Agenturen
Schweizer Behörden waren am Biologie- und Chemie-Waffenprogramm des südafrikanischen Apartheid-Staates nicht beteiligt. Davon ist die für die Geheimdienstbereiche zuständige Geschäftsprüfungs-Delegation der eidgenössischen Räte überzeugt.
Die Delegation (GPDel) habe keinen Hinweis auf die Existenz einer geheimen Vereinbarung zwischen dem damals von Divisionär Peter Regli geführten Schweizer Nachrichtendienst und dem südafrikanischen General Wouter Basson gefunden, heisst es in ihrem Bericht.
Die GPDel spart aber nicht mit Kritik an Divisionär Regli. Der Nachrichtendienst habe gegenüber dem Apartheid-Staat eine unkritische und gar wohlwollende Haltung gezeigt. Das rege Interesse der Schweizer Armeeangehörigen an Südafrika habe sicher auch das Ansehen des Rassen diskriminierenden Regimes gehoben.
Zwischen 1977 und Ende 2001 fanden laut dem Bericht mehr als 100 Treffen statt, die abwechselnd in der Schweiz und in Südafrika organisiert wurden. Der Schweizer Nachrichtendienst habe eine «Schattendiplomatie» entwickelt, die sich faktisch jeder politischen Kontrolle entzogen habe.
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