Rückkehr in die Schweiz zumutbar
Keine Sozialhilfe mehr im Ausland, dafür Unterstützung bei der Rückkehr. Dies hat das Bundesverwaltungs-Gericht in Bern im Fall einer Schweizerin aus der Karibik kürzlich entschieden.
Neben der Möglichkeit, Sozialhilfe zu erhalten, kann Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern in finanziellen Nöten auch nahegelegt werden, auf Kosten der Schweiz zurück in die Heimat zu kommen.
Eine heute 49-jährige Schweizerin hat auf der Karibikinsel Jamaika über viele Jahre mit organisierten Rundreisen für Touristen ihren Lebensunterhalt verdient.
In den letzten sechs Jahren allerdings lief das Geschäft schlecht und sie wurde mit massiven finanziellen Problemen konfrontiert.
Die Frau, seit 1989 auf Jamaika und Mutter eines 14-jährigen Sohnes, wurde während der letzten drei Jahre von der Schweiz monatlich mit rund 400 Franken unterstützt. Nun erhält sie keine Fürsorgeleistungen mehr.
Zu Recht, wie das Bundesverwaltungs-Gericht (BVGer) in Bern diese Woche feststellte. Die Richter hatten zwar Verständnis dafür, dass die inzwischen geschiedene Frau Mühe hat, den Lebensbedarf für sich und ihren Sohn aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Doch eher zumutbar sei für sie die Möglichkeit, auf Kosten der Schweiz zurück in ihr Heimatland zu reisen, befand das Gericht. In der Schweiz seien ihre Chancen auf berufliche Alternativen grösser und auch die Qualität der Schulen für ihren Sohn sei gut.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Fall von Sozialhilfe im Ausland zu Reden gibt. Erst kürzlich haben Sozialhilfe-Empfänger in Thailand für Schlagzeilen gesorgt.
Bern entscheidet
Zuständig für Hilfe in finanziellen Notlagen im Ausland ist die Fachstelle Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (SAS) im Bundesamt für Justiz (BJ) in Bern.
«Grundsätzlich kann die Sozialhilfe vor Ort ausgerichtet werden», sagt Sandro Monti, Leiter der SAS, gegenüber swissinfo. «Es müssen jedoch gewisse Kriterien erfüllt sein.» So etwa eine längere Aufenthaltsdauer im Land oder dass der Lebensunterhalt bisher durch eine Arbeit finanziert wurde.
Schweizerinnen und Schweizer in einer Notsituation müssen sich zuerst bei der Schweizer Vertretung in ihrem Land melden. Diese nimmt das Gesuch entgegen und sendet es nach Bern zur SAS. Ausser in Frankreich, mit dem die Schweiz Sozialhilfeabkommen abgeschlossen hat.
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Bundesverwaltungs-Gericht
Im Rahmen der Kaufkraft
Die Fachstelle SAS prüft darauf die Gesuche und entscheidet nach weiteren Abklärungen von Fall zu Fall über die Art der Unterstützung. Dies im Rahmen der Kaufkraft der Bevölkerung des jeweiligen Landes, sagt Monti.
«Dabei berücksichtigen wir soweit möglich und sinnvoll die Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz öffentlicher Sozialhilfe, damit eine gewisse Gleichbehandlung mit den Sozialhilfebeziehenden in der Schweiz stattfindet.»
Die erhaltenen Leistungen müssen ganz oder teilweise wieder zurückbezahlt werden, so bald sich die finanzielle Situation gebessert hat und dies zumutbar ist.
Rückkehrhilfe rechtens
Ein grundsätzliches Recht auf Sozialhilfe im Ausland besteht aber nicht. Neben der finanziellen Hilfe kann die SAS je nach Situation auch eine Rückkehr in die Schweiz nahelegen und ermöglichen, wie dies im Bundesgesetz über Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer (ASFG) festgeschrieben ist.
«Das sind etwa 15 bis 20 Prozent der Fälle», sagt Monti. «Wobei man beachten muss: Es können Leute sein, die bereits von uns unterstützt werden oder Auslandschweizer, denen wir direkt auf Grund der Anfrage nahelegen, dass eine Rückschaffung in die Schweiz sinnvoll ist.»
So etwa, wenn klar ist, dass ein regelmässiges Einkommen nicht mehr garantiert ist. Dies ist laut den Richtern bei der Frau aus Jamaika der Fall, weil die Perspektiven im Tourismus-Sektor der Insel eher schlecht seien und das Budget der Gesuchstellerin einen knappen Überschuss hatte.
Die Rückkehrhilfe wird aber nur geleistet, wenn die betroffenen Personen mit der festen Absicht eines dauernden Aufenthalts in die Schweiz zurückkehren. Gezwungen werden kann niemand. Die Frau kann somit auch auf Jamaika bleiben, obwohl es finanziell für sie schwierig ist.
Wer trotzdem bleiben will
In diesem Fall könnte sie als weitere Möglichkeit versuchen, über die Auslandschweizer-Organisation (ASO) bei einer der zahlreichen wohltätigen Schweizer Gesellschaften Unterstützung zu beantragen.
Solche finden sich beispielweise in Italien, in England, den USA, auf den Philippinen oder im brasilianischen Salvador, um nur einige zu nennen.
Dabei komme es klar auf die Notsituation an, sagt Monti und berichtet von einem Fall, wo wegen eines Erdbebens eine finanzielle Notlage entstanden war. Die SAS konnte den Fall nicht unterstützen, weil der Gesuchsteller Doppelbürger sei und die ausländische Staatsangehörigkeit überwiege.
«Aber sie haben beispielsweise via ASO die Möglichkeit, eine Stiftung anzufragen, die Unterstützung gewährt, wenn Naturereignisse geschehen.»
swissinfo, Christian Raaflaub
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ASO
2006 leistete die Fachstelle SAS in 585 Fällen Hilfe im Ausland.
Am meisten Hilfe wurde in Südamerika (Brasilien, Venezuela, Peru und Argentinien) geleistet.
Ebenfalls hoch ist der Anteil in den beiden asiatischen Ländern Philippinen und Thailand.
Wer im Ausland mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert ist, kann sich bei verschiedenen Stellen melden.
Primär ist die Fachstelle Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (SAS) im Bundesamt für Justiz zuständig. Sie wird über die Schweizer Vertretungen kontaktiert.
Möglich sind beispielsweise monatliche Sozialhilfeleistungen, die Übernahme von Spitalkosten oder medizinischen Auslagen, Jahresbeiträge an die Sozialversicherungen in der Schweiz oder Überbrückungshilfen.
In verschiedenen Ländern können auch wohltätige Schweizer Organisationen für Unterstützung angefragt werden.
Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) kann mit Adressen und zusätzlichen Angaben weiterhelfen.
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