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Schweiz nicht vor islamistischem Terror gefeit

Die Schweiz ist nach wie vor ein sehr sicheres Land. Keystone

Der Schweizer Staatsschutz vermutet, dass Islamisten im letzten Jahr im Land einen Anschlag geplant hatten. Konkrete Nachweise dafür bestehen aber nicht.

Keine Gefahr sind laut dem Bericht Innere Sicherheit 2006 des Bundesamts für Polizei Rechts- und Linksextremismus. Die Vorfälle aus dem linksextremen Lager haben um 62% zugenommen.

Im vergangenen Jahr sei klar geworden, dass die Terrororganisation Al-Kaida weiterhin fähig sei, Anschläge durchzuführen, heisst es im Bericht Innere Sicherheit 2006, den das Bundesamt für Polizei (fedpol) am Donnerstag vorgestellt hat.

Im Bericht gibt der Schweizer Staatsschutz alljährlich seine Einschätzung ab, welches Gefahrenpotenzial von den Bereichen Terrorismus, Gewaltextremismus, Spionage und Organisiertes Verbrechen für das Land ausgeht.

Sammelplatz Genf?

Konkrete Vorbereitungshandlungen für einen Anschlag konnten bis heute allerdings nicht endgültig nachgewiesen werden. «Aber es ist zu vermuten, dass ein Anschlag geplant wurde», so fedpol-Direktor Jean-Luc Vez. Als Urheber kämen sowohl Einzeltäter als auch El Kaida in Frage.

Für freiwillige Kämpfer aus der Westschweiz und Frankreich, die sich für den Heiligen Krieg im Irak melden wollen, habe Genf als Durchgangsort eine spezielle Bedeutung.

Ruheraum und logistische Basis

Laut fedpol weist die Schweiz ein aktives Islamistenmilieu und gewaltbereite Extremisten auf. Auch strafrechtlich verfolgte Islamisten sollen die Schweiz als Aufenthaltsort wählen. Zudem gibt es laut Staatsschutz Hinweise, dass islamistische Kreise ihre Anhänger gezielt in der Schweiz zu konzentrieren suchten.

Der hauptsächliche Kampfplatz des islamistischen Terrorismus befindet sich laut Staatsschutz in der islamischen Welt. Die Schweiz diene dem islamistisch motivierten Terrorismus als Rückzugs-, Vorbereitungs-, Logistik- und Propagada-Raum. Auch würde finanzielle oder logistische Unterstützung ins Ausland geleistet.

Keine Massenzuwanderung

«Die Lage der Schweiz ist ähnlich wie die der anderen westeuropäischen Länder, wenn nicht sogar etwas besser», sagte der unabhängige Sicherheitsexperte Jacques Baud gegenüber swissinfo. Dies lasse sich zwischen den Zeilen des Berichts herauslesen.

Der Genfer Spezialist weist darauf hin, dass es auf Schweizer Boden weder zu einem Attentat gekommen sei noch ein sehr ausgeprägter militanter Islamismus zu verzeichnen sei.

Die Gründe für die relative Ruhe liege in der jüngsten Geschichte der Schweiz. «Im Gegensatz zu Frankreich oder Deutschland gab es in der Schweiz keine Massenzuwanderung, aus der sich religiöser Extremismus entwickeln könnte», begründet Jacques Baud.

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fedpol

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Das Bundesamt für Polizei (fedpol, früher BAP) dient im Bereich der Inneren Sicherheit der Schweiz als Zentrum für Information, Koordination und Analyse für kantonale und internationale Partner. In der Schweiz sind die kantonalen Polizeikorps für den grössten Teil der Ermittlungen zuständig. Doch seit 2002 kann das fedpol in Fällen von Schwerstkriminalität (Organisierte Kriminalität, Geldwäscherei, Korruption)…

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Auf dem Radar

Gemäss Staatsschutz operieren die Dschihadisten im Westen zunehmend ohne vorgängige Ausbildung, selbstständig, lokal und opportunistisch. Voraussetzungen dafür existierten auch in der Schweiz, die unter den islamistischen Terroristen als «Teilhaberin am Kreuzzug gegen den Islam und die Muslime» gelte.

In Bezug zum Dschihadismus im Internet betreiben die Behörden aber derzeit kein umfassendes Monitoring. Pläne bestünden jedoch, verdächtige Inhalte im Netz zu sichten.

Gewalt von rechts und links

Im Bericht analysiert die Bundesbehörde ebenfalls die Bedrohung, die von Rechtsextremen und Aktivisten am linken Rand ausgehen. 2006 wurden 109 Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund registriert, zwei weniger als im Vorjahr. In 60%der Fälle wurde Gewalt – vornehmlich gegen Personen – ausgeübt. Die Zahl der Aktivisten blieb mit rund 1200 konstant.

Von 140 auf 227 zugenommen hat die Zahl der Vorfälle in der linksextremen Szene, die schätzungsweise 2000 Aktivisten zählt. Die Zunahme ist auf Solidaritätsaktionen zu Gunsten von Inhaftierten zurückzuführen.

Insgesamt werde die Innere Sicherheit durch den Rechtsextremismus und den Linkextremismus nach wie vor nur lokal und temporär beeinträchtigt, fasst das fedpol zusammen. Für seinen Direktor Jean-Luc Vez gilt es auch die internationale Rolle von Schweizer Linksextremisten im Auge zu behalten.

swissinfo und Agenturen

Die Polizeihoheit liegt in der Schweiz grundsätzlich bei den Kantonen. Deshalb hat jeder Kanton ein eigenes Polizeikorps.

Die einzelnen Korps sind unterschiedlich ausgestaltet. Städte und grössere Gemeinden haben zusätzlich eigene, kommunale Polizeikorps.

Für die innere und die nationale Sicherheit ist der Bund zuständig.

Hier übernimmt das Bundesamt für Polizei (fedpol), (Bundeskriminalpolizei (BKP), der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) sowie der Bundessicherheitsdienst (BSD)) kriminal-, präventiv- und sicherheitspolizeiliche Funktionen.

Seit 2002 ist das fedpol zusammen mit der Bundesanwaltschaft auch für die Ermittlungen in Fällen von Schwerstkriminalität (Organisierte Kriminalität, Geldwäscherei, Korruption) zuständig.

Telefon, Post und E-Mail-Verkehr können nur im Rahmen eines Strafverfahrens auf Anordnung eines Richters abgehört und kontrolliert werden.

Im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus will die Regierung aber die Möglichkeiten präventiver Überwachungs-Massnahmen ausweiten.

Die Revision des Gesetzes über die Innere Sicherheit sieht die Möglichkeit vor, Post, Telefon und Informatik-Datenträger zu kontrollieren, wenn ein eindringlicher Verdacht auf terroristische Aktivitäten, Spionage oder illegalen Handel von Waffen, radioaktivem Material oder Technologien besteht.

Entsprechende Anordnungen kann das Bundesamt für Justiz und Polizei nach Anhörung des Bundesverwaltungs-Gerichts erlassen. In dringenden Fällen kann das Gericht auch erst zu einem späteren Moment angehört werden.

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