Schweizer Ruanda-Hilfe auf dem Prüfstand
Der Direktor der Entwicklungszusammenarbeit besucht Ruanda, um über das zukünftige Schweizer Engagement im ostafrikanischen Land zu entscheiden.
Walter Fusts Visite erfolgt zu einer Zeit, in der fast eine Million Ruander wegen dem Völkermord von 1994 vor traditionellen Gerichten stehen.
Während seines viertägigen Besuchs trifft DEZA-Chef Walter Fust mit Regierungsvertretern, Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) und von anderen Geberländern zusammen. Dies sagte der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, der Sozialdemokrat Erwin Jutzet, der Teil der Delegation ist.
Fust werde während der Reise auch die DEZA-Projekte besuchen, über deren Zukunft er eine Entscheidung treffen müsse, sagte DEZA-Sprecher Harry Sivec. Denn die spezielle Zusammenarbeit mit Ruanda ist Ende letzten Jahres ausgelaufen.
Bundesrat muss entscheiden
Jetzt muss der Bundesrat, die Schweizer Regierung, entscheiden, wie die Hilfe weitergeführt werden soll. Sivec wollte diesbezüglich keine Prognose abgeben. Jutzet seinerseits erwartet, dass es zumindest einen Konsens auf der Basis des «bisherigen Status Quo» geben wird.
Dieser Entscheid solle ziemlich bald fallen, doch das Hilfsprogramm «soll nicht gestoppt, aber auch nicht sofort erhöht werden», präzisierte Jutzet. Laut dem Parlamentarier wird das Thema in Bern derzeit heiss diskutiert.
Kritiker werfen Ruanda eine militärische Einmischung im Nachbarland Kongo-Kinshasa vor und stören sich am autoritären Regierungsstil. Dagegen fordern einige Westschweizer NGO in einer Petition, dass die Schweiz ihre Unterstützung für das Land ausweitet.
Regionalisierung der Hilfe?
Die DEZA hatte ihr neues Ruanda-Programm 1998 lanciert. Zu den Schwerpunkten gehören die Menschenrechte, der Rechtsstaat und der Übergang zu einer Demokratie.
Jährlich wendete sie dafür rund 5 Mio. Franken auf. Dies entspricht rund der Hälfte der Summe, die in der Zeit vor dem Völkermord (1963 bis 1993) jährlich ins Land floss. Ruanda war eines der ersten Länder, die von der Schweiz unterstützt wurden.
Ivan Pasteur, DEZA-Verantwortlicher für Ostafrika, hatte im Dezember angekündigt, die DEZA wolle ihre Hilfe für Ruanda fortsetzen, allerdings unter einer regionalen Perspektive. Ruanda würde dabei zusammen mit Burundi und dem Osten von Kongo-Kinshasa berücksichtigt.
Grösster Massenprozess
Der Besuch kommt zu einer Zeit, in der Ruanda seine Vergangenheit aufarbeitet. Am Montag hat im ganzen Land die grösste Phase der so genannten traditionellen «Gacaca»-Prozesse begonnen.
Rund eine Million Menschen stehen wegen des Völkermords vor diesen Gerichten, die eine Kombination aus traditionellen Streitschlichtungs-Verfahren und modernem Recht sind.
1994 waren innerhalb von 100 Tagen rund 800’000 Menschen massakriert worden. Die Welt hatte wie gelähmt zugeschaut und nichts unternommen.
swissinfo und Agenturen
Engagement des Bundes:
2002: 4,2 Mio. Fr.
2003: 6,8 Mio. Fr.
2004: 5,9 Mio. Fr.
1962 bringt Ruandas Unabhängigkeit die Herrschaft der ethnischen Gruppe der Hutus über den Stamm der Tutsis, welche im Land eine Minderheit bilden.
1990 starten Tutsis aus dem Nachbarland Uganda eine Militär-Offensive zum Sturz der Regierung unter Juvénal Habiyarimana.
Am 6. April 1994 wird das Flugzeug von Habiyarimana abgeschossen, der Präsident stirbt. In den Stunden nach dem Attentat beginnt der Genozid an den Tutsis.
Innert gut 3 Monaten werden rund 800’000 Ruanderinnen und Ruander ermordet. Dann ergreift General Paul Kagamé die Macht und beendet das blutige Treiben.
Seit Montag steht fast eine Million Menschen vor über 9000 so genannten «Gacaca»-Tribunalen, einer Kombination aus traditionellen Schlichtungsverfahren und modernem Recht.
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