Skidestinationen ringen mit starkem Franken
Schweizer Skiorte wollen mit Anreizen wieder konkurrenzfähiger gegenüber preiswerteren Angeboten im Ausland werden. Der starke Franken macht diesen Winter der Tourismusbranche zu schaffen. Sie befürchtet ein Abwandern der Kundschaft.
In Champéry, auf 1000 Metern über Meer, ist es ruhig. Der grosse Parkplatz der Skidestination im Kanton Wallis ist am späteren Morgen fast leer.
Möglicherweise haben die Einheimischen den kurzen Weg vom Rhonetal hinauf wegen den Wolken und dem Regen nicht auf sich nehmen wollen.
Die Seilbahn ist in Betrieb, doch niemand steht heute Schlange, um die riesige Skiregion Portes du Soleil (Sonnentor) zu erreichen, die hoch oben auf der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich liegt.
Wer aber durch das Dorf läuft, sieht viele Autos bei den Chalets und Apartmenthäusern an den Hängen, die meisten davon haben Schweizer Nummern.
Diese Beobachtung bestätigt Erich Liechti, Direktor des lokalen Tourismusbüros: «Viele Leute haben dieses Jahr in letzter Minute gebucht», sagt er gegenüber swissinfo.ch. «Sie haben zugewartet, ob es Schnee gibt, bevor sie sich entschieden haben, zu kommen.»
Nach Befürchtungen, dass die Wintersaison eine erneute Trockenperiode bringen könnte, haben heftige Schneefälle in den alpinen Sportdestinationen zu einem erfolgreichen Weihnachts- und Neujahrsgeschäft geführt.
Preissenkungen
Doch angesichts des starken Frankens und potenziell preiswerterer Destinationen gleich auf der anderen Seite der Grenze reicht schöner Schnee allein nicht, um Kunden anzulocken. Laut Liechti wurden die Abonnemente um 5% verbilligt, und die Tickets kosten nun gleich viel, egal ob in der Schweiz oder in Frankreich gekauft.
Andere Geschäfte nehmen auch finanzielle Einbussen in Kauf, um die Kundschaft zufriedenzustellen. Ein Immobilienmakler erzählt swissinfo.ch, die Mieten seien um 25% gesenkt worden. Dies habe viele Kunden überzeugt, ihre Ferien in Champéry zu verbringen.
Die Verkäufe im Immobilienmarkt hätten nicht abgenommen, auch wenn die Preise nicht angestiegen seien und die Käufer gegenwärtig hauptsächlich aus der Schweiz stammten.
Schweizer Qualität verkaufen
In der Jungfrau-Region im Berner Oberland, in der ausländische Gäste für die lokale Wirtschaft während langer Zeit eine wichtige Rolle gespielt haben, scheint der starke Franken einen geringen Effekt auf Übernachtungen aus der Eurozone zu haben. Die Tourismusbranche setzt auf spezielle Arrangements, um Kunden anzulocken.
«Wir bieten den Kunden beispielsweise eine Zusatznacht und einen zusätzlichen Skitag an», sagt Andrea Hess von Jungfrau Region Marketing. «Britische Reiseveranstalter bieten ihren Kunden ebenfalls Spezialarrangements an, bei denen die Skipässe deutlich weniger kosten.»
Laut Hess verbringen weniger Gäste aus europäischen Ländern ihre Ferien in der Region, dafür mehr Touristen aus anderen Regionen – ein Trend, der bereits vor einigen Jahren eingesetzt hat. Generell geben die Leute aber weniger Geld aus.
Doch eine Senkung der Übernachtungspreise ist offiziell nicht vorgesehen: «Ein Preisdumping ist nicht effizient und sendet das falsche Signal», sagt Hess gegenüber swissinfo.ch. «Schweizer Produkte kosten zwar mehr, sie sind aber von besserer Qualität.»
In Champéry haben sich auch die Bekleidungs- und Sportgeschäfte an den starken Franken angepasst. Läden werben mit Plakaten für einen Euro-Bonus und offerieren Discounts bis zu 20% auf den regulären Preis. Andere Plakate der Sportfachgeschäfte rufen Schweizer Konsumenten dazu auf, lokal einzukaufen.
Charly Matthieu, Besitzer eines Sportgeschäfts an der Hauptstrasse, hat beispielsweise die Preise für Skis in dieser Saison tiefgehalten: «Wir haben es dank einem Abkommen zwischen Herstellern, Zwischenhandel und Ladenbesitzern geschafft, die Preise zu senken. So sind die Verkäufe nicht eingebrochen und die lokale Bevölkerung, die den Grossteil unserer Kundschaft ausmacht, kommt wieder zu uns.»
Auch das Skivermietungs-Geschäft, das zumeist von ausländischen Gästen genutzt wird, sei nicht eingebrochen, heisst es.
Verkleinerung
Was die Branche verhindern will, ist eine Wiederholung der letzten Wintersaison, als wenig Schnee die Gäste fernhielt, auch wenn die Skipisten dank der Hilfe von Schneekanonen in Betrieb waren.
Einige Restaurantbetreiber vermuten, dass ihre Gewinne für 2011 um 20 Prozent geringer ausfallen werden als 2010, trotz der Austragung der Mountainbike-Weltmeisterschaften in Champéry im letzten Sommer.
Für Kina Mitchell, die zusammen mit ihrem Mann seit 1999 ein Restaurant im Feriensportort betreibt, war die letzte Saison bisher die Schlimmste. Doch bereits vorher habe der starke Schweizer Franken Auswirkungen auf den Geschäftsgang gehabt.
«Die Leute hatten weniger Geld für einen Abend zur Verfügung. Daher haben wir unser Angebot lieber angepasst, als sie einfach wegziehen zu lassen», sagt sie gegenüber swissinfo.ch. «Statt exklusive Produkte anzubieten, verwenden wir in der Küche nun einfachere Zutaten. Zudem haben wir auch den Betrieb verkleinert, um Fixkosten einzusparen.»
Der Stärkere überlebt
In Wengen, einem der bekanntesten Skiorte in der Jungfrau-Region, offerieren einige Hotels garantierte Wechselkurse, um Kunden anzulocken. So bieten sie für den Euro gegenwärtig 1,40 Franken, weit über dem Wechselkurs der Banken.
Marion Prevost, Präsidentin der Hotelier-Vereinigung in Wengen, findet es schwer, abzuschätzen, ob der starke Franken oder eher die Finanzkrise zu den sinkenden Zahlen geführt hat. «Bis Ende Juli lief das Geschäft gut», sagt sie gegenüber swissinfo.ch. «Nun spüren wir die Auswirkungen des Abschwungs.»
Prevost ist sich auch nicht sicher, ob Spezialangebote dem Geschäftsgang förderlich sind oder nicht. Grössere und hochklassige Hotels, die ihre Preise senkten, könnten vielmehr den kleineren Markteilnehmern in der Tourismusbranche schaden.
«Kleine Hotels wie meines können sich eine Reduktion der Zimmerpreise um 35 Prozent nicht leisten», sagt sie. «Wir verfügen nicht über die Flexibilität und finanzielle Stärke grösserer Hotels, um Spezialangebote machen zu können.»
Trotzdem bleibt sie optimistisch, dass die Saison noch anziehen wird, auch wenn die Leute weniger Zeit und Geld für Skiferien ausgeben. «Sonnenschein und Schnee sind immer noch viel wichtiger als Währungen.»
Auch in Champéry findet diese Einschätzung Zustimmung: «Wenn die Leute und namentlich die Medien verbreiten, es fehle der Schnee, schadet das viel mehr als der starke Franken», sagt der dortige Tourismusdirektor Erich Liechti.
In der Schweiz gibt es 164 mittlere und grössere Skiregionen. Insgesamt verfügt die Schweiz über 650 Bergbahnen und Skiliftbetreiber. Sie bieten zusammen 12’000 km Skipisten an.
Mit 11’000 Angestellten sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Berggebiete.
Sie erarbeiten einen gemeinsamen Umsatz von jährlich rund 840 Millionen Franken.
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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