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Stadt Zürich will neue Asylpolitik

Die meisten Asylsuchenden dürfen erst nach einer Frist von 12 Monaten arbeiten. Keystone

Der Zürcher Stadtrat hat genug: Die Regierung der grössten Schweizer Stadt fordert in 10 Thesen eine neue Asylpolitik mit menschlichem Antlitz.

Mit ihrem dringenden Aufruf gibt die Stadt Zürich Gegensteuer zu Deutschschweizer Kantonen, die das Asylgesetz verschärfen wollen.

“Die Schweiz befinde sich asylpolitisch in einem Notstand”, erklärte Stadtpräsident Elmar Ledergerber am Freitag in Zürich. Die Bevölkerung sei tief verunsichert.

Es seien vor allem die Städte, welche die Folgekosten einer verfehlten Asylpolitik tragen müssten, begründete die Stadtregierung ihren Vorstoss.

Die Exekutive wolle mit ihren Lösungsvorschlägen aufzeigen, wie die Schweiz mit den wachsenden Migrations-Bewegungen vernünftig und menschlich umgehen könne. So dass nicht nur Kosten und Probleme entstünden, sondern auch ein Gegenwert für die Schweizerinnen und Schweizer.

Man müsse endlich damit aufhören, die Asylsuchenden auszugrenzen und gleichzeitig eine Asylpolitik zu verfolgen, die ein Umfeld schaffe, das die Kriminalität fördere.

Im Bestreben, potenzielle Asylsuchende möglichst abzuschrecken, seien in den letzten Jahren nicht nur die Aufnahmeregeln verschärft und die Mittel gekürzt worden. Man habe auch die Lebensbedingungen der Asylbewerbenden auf ein kaum zumutbares Niveau gesenkt.

Arbeit und Ausbildung

In dem dringenden Aufruf fordert der Stadtrat, dass Asylbewerber möglichst rasch nach ihrer Ankunft in der Schweiz arbeiten dürfen und müssen. Dafür seien nützliche Arbeitsangebote bereitzustellen. Kindern und Jugendlichen sei ein spezielles Ausbildungs- und Förderungsprogramm anzubieten.

Heute würden die Asylsuchenden durch das Arbeitsverbot häufig zur Untätigkeit verdammt. Der Aufenthalt in der nächsten grösseren Stadt sei dann naheliegend. Und die drei Franken Taschengeld pro Tag nichts als “eine Einladung zur Kleinkriminalität”. Trotzdem widerstehe der allergrösste Teil der Asylsuchenden dieser Versuchung und werde nicht kriminell.

Die Kollektivunterkünfte der Asylsuchenden seien von den Bewohnern nach klaren Regeln selber zu verwalten und zu bewirtschaften. Der Aufenthalt der Asylsuchenden müsste durch ihre eigene Arbeit finanziert werden. Landsleute, sowie ethnische oder nationale Gruppierungen sollen bei der Eingliederung und Unterbringung behilflich sein.

Raschere Entscheide

Zudem fordert der Stadtrat, dass Bund und Kantone die notwendigen Mittel und Verfahren bereitstellen, damit Asylgesuche in der Regel innerhalb von sechs Monaten entschieden werden können. Bund und Kantone müssten Leistungen der Gemeinden finanzieren. Kriminelle Asylsuchende seien sofort auszuschaffen.

Eine weitere Verschärfung der Gesetze und Verordnungen trage nicht dazu bei, die Asylfrage zu entschärfen. Und das sei für die Schweiz verhängnisvoll, denn die internationalen Migrations-Bewegungen hätten erst angefangen.

Stadt Zürich gegen Kantone



Mit ihrem Vorstoss setzt die Stadt Zürich ganz andere Zeichen als etwa die Kantone Aargau, Luzern und St. Gallen, die schärfere Regelungen im Asylgesetz fordern.

Der Kanton Aargau zum Beispiel möchte Asylbewerbern, die des Drogenhandels verdächtigt werden, den Gebrauch von Mobiltelefonen verbieten. Und Luzern die Bewegungsfreiheit von kriminell gewordenen oder “asozialen” Asylbewerbern einschränken.

Auf Widerstand dürften die Ideen der Stadtzürcher Regierung beim eigenen Kanton stossen. Die SVP-Polizeidirektorin Rita Fuhrer vertritt die Parteilinie und setzt auf immer schärfere Massnahmen.

Parallele zur Drogenpoltik

Heute steht die Schweiz nach Ansicht der Stadtzürcher Regierung in Sachen Flüchtlings- und Integrations-Politik in einer ähnlich schwierigen Lage wie Anfang der 90er Jahre in der Drogenpolitik. Wie damals seien Städte und Gemeinden die Leidtragenden, während Bund und Kantone sich den Schwarzen Peter zuschöben.

Um die Asylpolitik endlich einen Schritt weiterzubringen, brauche es eine grosse nationale Anstrengung aller politischen Kräfte und Behörden. Die Stadt will daher eine nationale Asylkonferenz.

swissinfo, Rita Emch

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