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Terrorismus in Indien hat neue Dimension erreicht

Indische Sicherheitskräfte vor dem Hotel Taj Mahal in Bombay. Keystone

Erstmals sind Ausländer ins Visier von indischen Terroristen geraten. Die tieferen Ursachen für die Anschläge seien Spannungen zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften in Indien, sagen zwei Schweizer Experten.

Bei der Angriffsserie in Bombay sind nach neuen Angaben der indischen Behörden Ausländer getötet worden. Unter ihnen befinden sich Deutsche, US-Bürger, Japaner, Kanadier und Australier.

Weitere Ausländer seien verletzt worden, wie ein ranghoher Vertreter der Behörde für innere Sicherheit am Freitag in Neu Delhi sagte. Der Behördenvertreter berief sich auf Berichte der Spezialeinheiten, die an dem Einsatz gegen die bewaffneten Angreifer und der Befreiung der Geiseln beteiligt waren.

Offenbar brachten die Eliteeinheiten unterdessen auch das jüdische Zentrum unter ihre Kontrolle, wie das indische Fernsehen berichtete. Bei dem Terroranschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Bombay sind nach Angaben eines israelischen Diplomaten mindestens fünf Geiseln getötet worden.

Unklarheit herrschte weiterhin über die Gesamtzahl der Todesopfer. Zuletzt gab Bombays Polizeichef am Freitagmorgen die Zahl der Toten mit mindestens 130 an.

Internationaler oder hausgemachter Terrorismus?

Nach Anschlägen in Indien werden die Verantwortlichen häufig in Pakistan vermutet. So war es auch nach den jüngsten Anschlägen von Bombay. Indiens Premierminister Manmohan Singh sagte, die Hintermänner befänden sich «ausserhalb des Landes». Beweise führte er für diese Aussage nicht an.

Zu der Anschlagsserie auf die beiden Luxushotels Oberoi Trident und Taj Mahal und weitere Ziele in Bombay bekannten sich jedoch islamische Fundamentalisten, die ihre Verwurzelung in Indien in ihrem Namen anzeigen: Die bislang unbekannte Gruppierung Deccan Mujahedeen ist nach dem indischen Zentralplateau Deccan benannt.

«Wahrscheinlich stimmen beiden Erklärungen bis zu einem gewissen Grad», sagt der Schweizer Terrorismus-Experte Gilbert Etienne, der 24 Stunden vor den Anschlägen noch in Bombay war, gegenüber swissinfo.

Erstmals Ausländer im Visier des indischen Terrors

«Die verschiedenen internationalen Terrorgruppen und das Netzwerk Al-Qaida lassen sich nicht klar auseinander halten. Diese Gruppen werden immer stärker und versuchen, die Regierungen zu destabilisieren.»

Allerdings sind nun zum ersten Mal westliche Ausländer ins Ziel von indischen Terroristen geraten, besonders britische und amerikanische Geschäftsleute, die sich in den beiden Hotels aufgehalten haben.

«Das zeigt, dass die Terroristen eine Verbindung zu Afghanistan und Pakistan herstellen wollen, die beiden Länder, die durch die amerikanische Strategie in der Region zunehmend destabilisiert werden», sagt Jacques Baud, ein anderer Schweizer Terrorismus-Experte.

Spannungen zwischen Muslimen und Hindus nehmen zu

Man müsse unterscheiden zwischen den indisch-pakistanischen Beziehungen, die auf eine Annährung hinzielen, einerseits und den internen Problemen Indiens andrerseits. «Erst kürzlich habe ich mit indischen Experten gesprochen und erfahren, dass die Idee einer gemeinsamen indisch-pakistanischen Front gegen islamische Extremisten Fortschritte macht», sagt Gilbert Etienne.

Doch die tieferen Ursachen für die Waffengewalt müsse man andernorts suchen. «Die Anschläge von Bombay gehorchen in erster Linie einer internen Dynamik Indiens. Die Spannungen zwischen Hindus und Muslimen haben sich seit der Zerstörung der Moschee Babri in Ayodhya durch militante Hindus 1992 zugespitzt», sagt Etienne.

Starke propagandistische Wirkung

Dass sich die Anschläge und Geiselnahmen über längere Zeit hinzogen, ist nach Auffassung des politischen Beobachters Crispin Black wahrscheinlich Teil der Strategie. «Das ist eine völlig andere Art von terroristischer Operation, als die, die wir kennen», sagte Black dem britischen Fernsehsender Sky News.

Die Anschläge glichen einem Putsch, bei dem die Angreifer ganze Stadtteile in ihre Gewalt bringen. «Das ist eine sehr gewagte Propaganda der Terroristen. Jede Stunde, die diese Leute die Oberhand behalten, vervielfacht die propagandistische Wirkung.»

swissinfo, Frédéric Burnand und Agenturen

Unter den Opfern der Anschläge in Bombay sind nach bisherigen Angaben keine Schweizer. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verurteilte die Terroranschläge aufs Schärfste.

Informationen verschiedener Medien, wonach sich ein Schweizer im «Hotel Oberoi» unter den Geiseln befände, dementierte das EDA.

Als Folge der Anschläge passte das Aussenministerium seine Reisehinweise für Indien an. Es verweist neu auf die Terroranschläge in der Nacht zum Donnerstag und erklärte, mit weiteren Anschlägen im ganzen Land sei zu rechnen.

Den Reisenden empfiehlt das EDA, die Anweisungen der indischen Behörden und der Reiseagenturen zu befolgen. Zudem sollen grössere Menschenansammlungen und Demonstrationen jeder Art gemieden werden.

Oktober 2008: Bei der bislang schwersten Bombenserie im Nordosten Indiens sterben im Bundesstaat Assam 84 Menschen.

Juli 2008: Mindestens 56 Menschen werden getötet und mehr als 150 verletzt, als in der westindischen Millionenstadt Ahmedabad kurz hintereinander 16 Bomben explodieren.

Mai 2008: Bei einem Terrorangriff in der nordwestindischen Touristenmetropole Jaipur sterben mindesten 63 Menschen, 118 werden verletzt.

August 2007: In der südindischen Millionenstadt Hyderabad werden bei zwei Anschlägen mindestens 42 Menschen getötet und 50 verletzt.

Februar 2007: Einem Terroranschlag auf einen Schnellzug fallen 69 Menschen zum Opfer. 60 Fahrgäste werden bei der Explosion von zwei Brandbomben in dem «Friedenszug» genannten Express von Neu Delhi in die pakistanische Stadt Lahore verletzt.

Juli 2006: In der westindischen Millionenmetropole Bombay explodieren in voll besetzten Vorortzügen und auf Bahnhöfen sieben Bomben. Bei der Anschlagserie kommen 187 Menschen ums Leben. Mehr als 700 werden verletzt.

swissinfo.ch

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