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UNO verurteilt verschärftes Asylgesetz

Asylsuchende müssen sich bei einem der vier Empfangs- und Verfahrenszentren melden. Keystone

Die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen haben die Pläne der Schweiz, die Asylgesetze zu verschärfen, klar verurteilt. Am 24. September stimmt die Bevölkerung über das Gesetz ab.

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) hat das neue Gesetz wiederholt kritisiert, da es der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 widerspreche.

Nachdem es seine Haltung in den vergangenen zwei Jahren bereits deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, erklärt das UNO-Hochkommissariat diesen Monat, dass es sich nicht an der Vor-Referendumskampagne der Gegner beteilige.

«Die Position des UNHCR ist öffentlich zugänglich… und die Bedenken bestehen noch immer», sagt Hans Lunshof, der Schweiz-Verantwortliche, gegenüber swissinfo.

Laut den Vorschlägen des Bundesrats soll keine Sozialhilfe mehr an abgewiesene Asylsuchende ausgezahlt werden. Wer innerhalb von 48 Stunden keine Ausweispapiere vorlegen kann, wird ausgewiesen. Und die Haftzeit für diejenigen, die auf ihre Deportation warten, wird auf 24 Monate erhöht.

Das revidierte Asylgesetz würde auch den Aufenthalt aufgrund von humanitären Gründen nicht mehr erlauben.

Die Veränderungen wurden im Dezember vom Parlament angenommen. Eine Koalition von Mitte-Links-Parteien, kirchlichen Gruppen und Hilfsorganisationen ergriffen dagegen das Referendum.

Ernsthafte Bedenken

Das UNHCR drückte seine Einwände gegen das neue Asylgesetz zum ersten Mal im Juli 2004 während der Vernehmlassungsphase aus. Einige der vom ehemaligen Bundesamt für Flüchtlinge vorgeschlagenen Massnahmen widersprächen der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951.

Im September letzten Jahres, kurz nachdem beide Kammern des Parlaments das neue Asylgesetz angenommen hatten, sprach das UNHCR von «ernsthaften Bedenken».

«Wir sind enttäuscht darüber, dass trotz rückläufiger Asylanträge in den letzten Jahren ein neues Gesetz vorgeschlagen wird, das den Asylprozess für echte Flüchtlinge extrem schwierig machen könnte», sagte UNHCR-Sprecher Ron Redmond damals.

Die UNO-Organisation sei besonders besorgt darüber, dass nur gültige Reise- oder Identitätspapiere akzeptiert würden.

Diese Massnahme gehöre zu den härtesten in ganz Europa. «Keine Dokumente zu haben, dieser Umstand wird von der Konvention 1951 anerkannt. Das ist nichts Ungewöhnliches», sagte Redmond.

Flüchtlingskonvention

Über die Verletzung der Flüchtlingskonvention ist auch Amnesty International (AI) besorgt. Die Organisation gehört zur «Koalition für eine humanitäre Schweiz», welche die nationale Abstimmung vom 24. September erzwungen hat.

«Dieser neue Artikel, der von Asylsuchenden verlangt, innert 48 Stunden gültige Papiere vorzuweisen, geht zu weit. Es ist bekannt, dass 40% der Weltbevölkerung keine Identitätspapiere hat, und von Menschen, die vor einer Verfolgung fliehen, kann man solche nicht erwarten» sagte AI-Sprecher Jürg Keller.

Laut Amnesty würde eine solche Massnahme dazu führen, dass mehr Asylsuchende in ihre Länder zurückgeschickt werden, wo sie und Folter oder Gefängnis erwartet. Die Organisation hat Beweise dafür, dass dies bei mindestens acht von zehn Fällen auch geschah.

«Ich hoffe, die Leute verstehen, dass dieses Gerede von Missbrauch Erfindungen sind», sagte Keller. «Dies ist ein kleines Problem. Dagegen besteht die Gefahr, dass Menschen heimgeschickt werden, die unseren Schutz brauchen.»

Auch das Schweizerische Rote Kreuz

Das Schweizerische Rote Kreuz, das nicht zur Koalition gehört, ist ebenfalls gegen das neue Gesetz. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte, schaltete die Organisation im Juli und August Inserate in der Schweizer Presse, um ihre Botschaft zu vermitteln.

Kommunikationschef Beat Wagner sagte gegenüber swissinfo, dass eine Annahme dieses Gesetzes unweigerlich zu vermehrten Härtefällen führen würde.

Zahlreiche abgewiesene Asylsuchende würden es nicht wagen, um Nothilfe anzusuchen, aus Angst, dass ein Kontakt mit den Behörden zu ihrer Verhaftung oder Ausweisung führen würde.

swissinfo, Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda)

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) hat in der Vergangenheit bereits Verschärfungen von Ausländer- und Asylgesetz verurteilt.

Vor den Parlamentswahlen 2003 hatte die UNO-Agentur die rechtsbürgerliche Schweizerische Volkspartei (SVP) angegriffen, sie habe mit einer Plakataktion Vorurteile provoziert. Die SVP hatte geantwortet, das UNHCR solle sich nicht in Schweizer Angelegenheiten einmischen.

2004 griff das Hochkommissariat einen Vorschlag von Justizminister Christoph Blocher an, Flüchtlingslager im Ausland aufzubauen, um den Ansturm von Asylsuchenden einzudämmen.

Die Zahl der Asylsuchenden ist seit der letzten Revision des Asylgesetzes im April 2004 um 12,5% gesunken.
Seither erhalten Asylsuchende nur noch in Notfällen Unterstützung.
2235 Asylsuchende wurden letztes Jahr abgewiesen, im Jahr 2004 waren es 4450.

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