Viva España – Iberer sind Europameister!
Nach 44 Jahren sind die Spanier wieder Fussball-Europameister. Völlig verdient schlugen sie im Final Deutschland 1:0. Das entscheidende Tor erzielte Fernando Torres, der beste Spieler in Wien.
Beide Mannschaften starteten vorsichtig-abtastend, wobei sich die Deutschen in den ersten Minuten leichte Vorteile erspielten: Sie tauchten zwar dreimal vor dem spanischen Tor auf, doch ohne Gefahr für Hüter Iker Casillas.
Dieser hatte in der 9. Minute erstmals richtig Arbeit, aber den Schuss von Thomas Hitzlsperger hielt er problemlos. Der erste Angriff der Spanier nach einer Viertelstunde hätte beinahe zu einem deutschen Eigentor geführt, aber Goalie Jens Lehmann konnte einen Abpraller von Christoph Metzelder mit der Hand zur Ecke lenken.
Das spanische Mittelfeld mit den Filigrantechnikern Silva, Xavi, Iniesta und Fabregas legte nun die Zurückhaltung ab und nahm das Heft resolut in die Hand. In der 23. Minute kam Stürmer Fernando Torres nach einem Flankenball völlig frei zum Kopfball, doch der Pfosten rettete für Lehmann.
Frühes Tor zu langem Ruhm
In der 33. Minute hatte der deutsche Torhüter keinen Schutzengel mehr. Torres, der beste Mann auf dem Platz, wurde auf der rechten Seite steil lanciert, überlief Verteidiger Philipp Lahm aussen herum und hob anschliessend den Ball aus vollem Lauf kunstvoll über Jens Lehmann: 1:0 für Spanien!
Nach der Pause lief anstelle Lahms Verteidiger Marcell Jansen auf, doch war es nach wie vor das Team von Trainer Luis Aragones, welches das Spieldiktat inne hatte.
Die zweite Auswechslung des deutschen Bundestrainers Joachim Löw nach einer Stunde zeigte dann Wirkung: Mit dem Eintritt Kevin Kuranyis als zweiter Stürmer anstelle von Mittelfeldspieler Hitzlsperger starteten die Deutschen das Unternehmen Ausgleich.
Nur kurzes Aufkommen
Die Spanier gewährten den im Rückstand liegenden Deutschen nur zehn offensive Minuten, in denen diese aber nur bei stehenden Bällen für Gefahr vor Casillas sorgten.
Dann fanden die Iberer zur Spielstärke aus den ersten 45 Minuten zurück und suchten mit Vehemenz den zweiten Treffer. Doch zweimal bewahrte Lehmann sein Team vor dem wahrscheinlichen K.o. Aber ausgerechnet im EM-Final fand die deutsche Mannschaft nicht zu ihrer alten Stärke zurück: dem entscheidenden Tor in letzter Sekunde.
Nach 93 Minuten erlöste der Schlusspfiff von Schiedsrichter Roberto Rosetti die elf spanischen Spieler auf dem Platz und die Millionen Fans rund um den Erdball.
Barberis: «Alles richtig gemacht»
Das Verdikt ist eindeutig: Mit Spanien hat die beste Mannschaft des Turniers den EM-Titel gewonnen. «Die Spanier haben verdient gewonnen, weil sie offensiven, schnellen und technisch hochstehenden Fussball spielten», sagte Umberto Barberis, ehemaliger Schweizer Internationaler und swissinfo-Experte an der Euro 08. Der Titelgewinn zerstöre etwas den Mythos der Deutschen, mit grossgewachsenen Spielern Spiele zu gewinnen.
«Das Tor von Torres war schlicht eine Augenweide. Aber es gilt auch Trainer Aragonés hervor zu heben, er hat alles richtig gemacht», so Barberis.
Deutschland habe zwar jeweils in den Startviertelstunden Druck gemacht, aber die Stärke bei stehenden Bällen nicht in Tore ummünzen können.
Ältester Trainer, jüngstes Team, modernster Fussball
Mit Spanien gewann ausgerechnet das Team mit dem ältesten Trainer den EM-Titel. Aber der 70-jährige Aragonés stellte die jüngste Mannschaft der vier Halbfinalisten, die zudem an der Euro 08 den modernsten Fussball zeigte.
Angefangen bei Hüter und Kapitän Casillas und seinen Vorderleuten, die nur drei Tore kassierten, über das bereits angesprochene Traum-Mittelfeld bis zum effektivsten Sturm mit David Villa, der nach vier Treffern verletzt ausgeschieden war, und eben Torres.
Dieser erzielte im Final das zwölfte Tor seiner Mannschaft an der Euro 08. Es war das wertvollste, denn es brachte ihm den Ruhm als neuer Superstar und Spanien die zweitwichtigste Fussball-Trophäe.
swissinfo, Renat Künzi
Ernst-Happel-Stadion, Wien. 51’500 Zuschauer (ausverkauft). Schiedsrichter: Roberto Rosetti (It).
Tor: 33. Torres 1:0.
Spanien: Casillas; Sergio Ramos, Puyol, Marchena, Capdevila, Senna, Iniesta, Xavi, Fabregas (63. Xabi Alonso), Silva (66. Cazorla), Torres (78. Güiza).
Deutschland: Lehmann; Friedrich, Mertesacker, Metzelder, Lahm (46. Janssen), Frings, Hitzlsperger (58e Kuranyi), Schweinsteiger, Ballack, Podolski, Klose (79e Gomez).
Die Deutschen standen inklusive der Euro 08 bisher sechs Mal in einem EM-Final.
Mit drei Europameistertiteln 1971, 1980, 1996 sind sie Rekordhalter.
Noch erfolgreicher schnitt Deutschland an Weltmeisterschaften ab. Die Bilanz weist bei sieben Finalteilnahmen drei Titel aus: 1954, 1974 und 1990.
Dagegen fällt das Palmares von Spanien fast mager aus: Die Iberer gewannen 1964 die Europameisterschaft im eigenen Land und jetzt den Titel in Österreich und der Schweiz.
Die nächste Europameisterschaft findet 2012 in Polen und der Ukraine statt.
1960 Paris: UdSSR – Jugoslawien 2-1 n.V. (0-1, 1-1)
1964 Madrid: Spanien – UdSSR 2-1 (1-1)
1968 Rom: Italien – Jugoslawien 1-1 n.V. (0-1, 1-1)
Wiederholung: Italien – Jugoslawien 2-0 (2-0)
1972 Brüssel: Deutschland – UdSSR 3-0 (1-0)
1976 Belgrad: Tschechoslowakei – Deutschland 2-2 n.V. (2-1, 2-2), 5-3 nach Elfmeterschiessen
1980 Rom: Deutschland – Belgien 2-1 (1-0)
1984 Paris: Frankreich – Spanien 2-0 (0-0)
1988 München: Holland – UdSSR 2-0 (1-0)
1992 Göteborg: Dänemark – Deutschland 2-0 (1-0)
1996 London: Deutschland – Tschechien 2-1 n.V. (0-0, 1-1)
2000 Rotterdam: Frankreich – Italien 2-1 n.V. (0-0, 1-1)
2004 Lissabon: Griechenland – Portugal 1-0 (0-0)
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