Weiterhin klare Schweizer Position zu Israel
Bei der Einweihung der Paul-Grüninger-Strasse in Ost-Jerusalem am Montag war der Schweizer Botschafter nicht dabei. Denn die Strasse liegt im vom Israel besetzten Teil der Stadt.
Bereits am Sonntag hatte Bern die «Exekution» des Hamas-Chefs Abdelaziz Rantissi mit deutlichen Worten verurteilt.
Israel hat am Montag mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen an die Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nationalsozialisten erinnert. In Ost-Jerusalem weihte Bürgermeister Uri Lupolianski im Rahmen des Gedenktages die Paul-Grüninger-Strasse ein.
Nicht dabei an der Feier war der eingeladene Schweizer Botschafter Ernst Iten. Er begründete seine Abwesenheit damit, dass die Paul-Grüninger-Strasse in dem Teil Jerusalems liege, der von Israel besetzt ist.
Im annektierten Teil
Der Jerusalemer Bürgermeister Lupolianski hatte die Schweizer Vertretung am 18. März zur Ehrung von Paul Grüninger eingeladen. Botschafter Iten erläuterte Lupolianski in seiner Antwort vom 31. März die Gründe für sein Fernbleiben.
Er könne nicht einer Zeremonie beiwohnen, die ausserhalb des international anerkannten israelischen Territoriums stattfinde, hiess es. Die Besetzung Ost-Jerusalems durch Israel ist von der UNO nie anerkannt worden.
Protest erwidert
Iten zeigte sich aber erfreut, dass Grüninger für seine Verdienste um die Rettung von Kriegsflüchtlingen geehrt werde. Aber ohne definitiven Status für Jerusalem sei es ihm unmöglich gewesen, als Botschafter an der Einweihung der Strasse in Givat Zeev teilzunehmen, sagte Iten gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Das neue Quartier Givat Zeev wurde in dem 1967 besetzten Ost-Jerusalem und umliegendem Land errichtet.
In den israelischen Medien wurde die Entscheidung des Schweizer Botschafters stark kritisiert. In Berichten wurde auf die «ambivalente Rolle» der Schweiz während der Shoah hingewiesen. Auch wurde die Genfer Initiative als Einmischung der Schweizer Diplomatie in den Nahost-Konflikt kritisiert.
Wer war Paul Grüninger?
Der St. Galler Polizeikommandant Paul Grüninger hatte in den Jahren 1938/39 an der Grenze zu Österreich mehrere hundert Flüchtlinge vor den Nazis gerettet, in dem er ihnen die Einreise in die Schweiz ermöglichte. Der Flüchtlingshelfer war darauf entlassen, verurteilt und bis ans Lebensende diffamiert worden.
Erst Mitte der 90er Jahre hatten ihn die kantonalen und Bundesbehörden rehabilitiert. Grüninger wurde auch postum von Yad Vashem, der israelischen Gedenkstätte für die Märtyrer und Helden des Holocaust, als «Gerechter unter den Völkern» geehrt.
EDA spricht Klartext
Das Schweizerische Aussenministerium (EDA) verurteilte am Sonntag die Exekution von Abdelaziz Rantissi in einer Mitteilung scharf. Israelische Sicherheitskräfte hatten den Hamas-Führer am Samstag mit einem Raketenangriff auf seinen Wagen getötet.
«Wir verurteilen diesen Akt, weil er klare Bestimmungen des internationalen Völkerrechts und der Genfer Konvetionen verletzt», sagte Botschafter Paul Fivaz dazu gegenüber swissinfo. Er ist im EDA verantwortlich für die politische Abteilung, welche für den Nahen Osten zuständig ist.
Angesichts der tragischen Situation im Nahen Osten stelle die Respektierung des humanitären Völkerrechts die einzige tragfähige Basis dar, um die fatale Gewaltspirale einzudämmen, hiess es in der EDA-Mitteilung.
«Wir haben das Selbstverteidigungsrecht Israels gegen terroristische Akte nie angezweifelt», so Fivaz. Denn solche stünden ebenso im Widerspruch zum internationalen Völkerrecht wie die Akte Israels. «Das internationale Völkerrecht verbietet Exekutionen oder aussergerichtliche Racheakte», stellt Fivaz klar.
Israel bedauert Haltung Berns
Das EDA ermahnte die Konfliktparteien eindringlich, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um den Dialog und die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Nur dieser Weg kann zu einer gerechten und dauerhaften Lösung des Konflikts führen.
Der israelische Regierungssprecher Avi Pasner bedauerte die Reaktion der Schweiz und erklärte, Israel hätte von einem Land, welches die Hamas zu einer terroristischen Organisation erklärt habe, mehr Verständnis erhofft.
swissinfo und Agenturen
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