«Wir wollen ein Fest, keine Festung»
Nur 100 Arbeitstage bleiben bis zum Beginn der Fussball-EM 2008, die in der Schweiz und Österreich stattfindet. Martin Kallen, Mister Euro 08, will die EM noch denkwürdiger gestalten als die letzte in Portugal.
Der Schweizer ist als Geschäftsführer der Euro08 SA für die Organisation von Seiten des europäischen Fussballverbandes UEFA verantwortlich.
swissinfo: Es bleiben noch 100 Arbeitstage bis zum Anpfiff des ersten Spiel der Euro 08. Sind Sie nervös?
Martin Kallen: Wir sind immer ein wenig nervös. Aber grundsätzlich sind wir gut auf Kurs.
Wir versuchen jetzt alles zu geben, damit wir noch eine kleine Ruhepause haben, bevor das Turnier dann stattfindet.
swissinfo: Wo sind die grössten Probleme?
M.K.: Es gibt viele kleine Probleme zu lösen. Unser grundsätzliches Problem ist eigentlich die Zeit. Denn 100 Arbeitstage sind nicht viel.
Doch viele Mitarbeitende stossen erst kurz vor dem Turnier zu uns und müssen gut ausgebildet sein.
swissinfo: Sie waren auch schon bei der Euro 04 in Portugal Organisationschef für die UEFA. Ist eine Organisation in zwei Ländern schwieriger?
M.K.: In Portugal hatten wir viel weniger Zeit. Wir mussten in Kürze mit 10 neuen Stadien den Event auf die Beine stellen. Im Falle von zwei Ländern gibt es aber mehr Abstimmungsprobleme, denn die Gesetzgebungen sind unterschiedlich.
Wir unternehmen grosse Anstrengungen, um für Presse, Sponsoren und Mannschaften möglichst einfache Rahmenbedingungen zu schaffen. Denn diese halten sich dann praktisch für drei Wochen in den beiden Ländern auf.
swissinfo: In der Schweiz ist noch nicht viel von einem Euro08-Enthusiasmus zu spüren. Dabei haben Sie sich das Ziel gesetzt, die Europameisterschaft von Portugal und die WM von Deutschland stimmungsmässig übertrumpfen zu wollen.
M.K.: Wir haben uns effektiv ein sehr hohes Ziel gesetzt. Aber wir haben in dieser Hinsicht noch Zeit. In Portugal ist der Funke erst übergesprungen, als die Portugiesen das erste Spiel gewonnen hatten.
In Deutschland herrschte vor der Weltmeisterschaft im April/Mai noch Katzenjammer, weil die eigene Mannschaft so schlecht spielte. Die Stimmung schlug erst viel später um, auch in Folge des sommerlichen Wetters während der WM.
Das heisst: Wir müssen nicht ein Jahr vorher in Stimmung sein, wir sind keine Ausdauerläufer. Wichtig ist, dass wir nächstes Jahr im richtigen Moment fit sind.
swissinfo: Die Angst vor Ausschreitungen überschattet stets die grossen Fussballevents. Das gilt auch für die Euro 2008.
M.K.: Wir nehmen dieses Problem sehr ernst. Aber man muss zwischen Klubfussball und Nationalmannschaften unterscheiden. Beim Klubfussball ist das Fanproblem schwieriger. In den letzten Events hatten wir bei Nationalmannschaften keine grossen Ausschreitungen mehr.
Aber natürlich muss man aufpassen. Es ist leicht, nach Österreich und in die Schweiz zu kommen. Deshalb ist die internationale Zusammenarbeit sehr wichtig. Wir bereiten alles gut vor, aber am Ende muss man auch etwas Glück haben.
Trotzdem sagen wir: Wir wollen ein Fest organisieren, keine Festung. Zusammen mit der Schweizer Regierung und den beteiligten Städten haben wir ein Konzept, das uns zuversichtlich sein lässt.
swissinfo: Gemäss einer Umfrage in Deutschland wussten viele Personen nicht, wo die letzte Fussball-Europameisterschaft stattgefunden hat. Überrascht Sie das?
M.K.: Nicht wirklich, denn es gibt inzwischen unglaublich viele Events. Grundsätzlich sind nur 50% der Bevölkerung in Europa an Fussball interessiert.
Aber von diesen wissen schon viele, wo die letzte Fussball-Europameisterschaft stattfand, zumindest wenn die eigene Mannschaft dabei war.
swissinfo: Die Organisation einer Europameisterschaft kostet Millionen. Umgekehrt hofft man auf einen touristischen Effekt.
M.K.: In Portugal konnten wir feststellen, dass die Besucher in der Regel sechs Tage im Land blieben. Die Euro 08 stellt also eine gute Chance dar, die Hotels voll zu haben. Und der Juni ist ein guter Monat.
Wir müssen aber schauen, dass die Preise nicht zu teuer sind. Es gibt viele Leute, die nicht so viel Geld zur Verfügung haben. Und diese wollen wir auch gewinnen. Wir wollen, dass sie auch nach der Euro 08 wieder in die Schweiz oder nach Österreich kommen, um dort Ferien zu machen.
swissinfo: Macht man sich da nicht Illusionen?
M.K.: Ein solcher Effekt kann lange anhalten. Denken Sie nur an das «Wunder von Bern» von 1954. Bis heute pilgern noch Deutsche nach Spiez, um das Hotel zu sehen, wo damals die deutsche Nationalmannschaft einquartiert war. Und das liegt über 50 Jahre zurück.
swissinfo-Interview: Gerhard Lob
Der Schweizer Martin Kallen (44) ist leitender Geschäftsführer der UEFA Euro 2008 SA.
Er arbeitet seit 1994 für den europäischen Fussballverband UEFA.
Der Ökonom war schon für die Durchführung der Euro 04 in Portugal verantwortlich.
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