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Zürich ohne Fussball-EM (Stadion)

Im neuen Zürcher Fussballstadion werden kaum EM-Spiele stattfinden. Keystone Archive

An der Fussball-EM 2008 in der Schweiz und Österreich sollten auch drei Spiele in Zürich stattfinden. Dazu wird es vermutlich nicht kommen.

Im seit Monaten andauernden Rechtsstreit um den Neubau des Stadions geht die Bauherrin, die Credit Suisse, vor Bundesgericht.

Es ist die Topgeschichte auf der Frontseite der «NZZ am Sonntag» – grösser als die Berichte von den Olympischen Spielen in Athen. Zürich wird kein neues Fussballstadion auf die EM 2008 im eigenen Land (und Österreich) kriegen.

Schon lange liegen sich die Bauherrin, die Grossbank Credit Suisse (CS), und die Anwohner des neuen Stadions in den Haaren. Involviert war auch der Verkehrsclub der Schweiz (VCS).

Definitiv nicht mehr möglich

Damit das Stadion bis 2008 gebaut ist, müsste jetzt mit dem Bau begonnen werden. Doch nun, da die CS – gemäss der «NZZ am Sonntag» – den Rechtsstreit um das neue Fussballstadion in Zürich an das oberste Schweizer Gericht, das Bundesgericht, weiter zieht, sei die Fertigstellung bis zur EM im Jahr 2008 aus zeitlichen Gründen «definitiv»nicht mehr möglich.

Wie kam es dazu, dass die grösste Schweizer Stadt bei der EM 2008 abseits stehen muss, und dass der Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber heute sagt: «Ich bin bodenlos enttäuscht?»

Im Dezember 2002 erhielten die Schweiz und Österreich von der UEFA den Auftrag, die Fussball-EM 2008 durchzuführen.

Die Euro 2008 soll am 7. Juni mit dem Eröffnungsspiel in Bern starten und am 29. Juni mit dem Finale in Wien zu Ende gehen. Insgesamt werden 31 Spiele ausgetragen, 16 in Österreich und 15 in der Schweiz. Davon 3 in Zürich. Die andern Schweizer Spielorte sind Basel, Genf und Bern.

Drei der vier Stadien stehen

Die dazu notwendigen neuen Stadien sind in Genf und Basel bereits gebaut, in Bern wird gebaut und in Zürich hat das Stimmvolk im Juni 2003 mit rund 64% Ja-Stimmen dem Bau eines neuen Stadions zugestimmt.

Das fünfeckige Riesenprojekt im Umfang von 370 Mio. Franken soll 30’000 Zuschauern Platz bieten und es soll auch Stadion sein für die Heimspiele der beiden Zürcher Spitzenvereine Grasshoppers und FC Zürich.

Bauherrin ist die Schweizer Grossbank Credit Suisse zusammen mit weiteren Investoren. Eigentümerin wäre die Stadt Zürich.

Von den Gegnern des Stadions wurde von Anfang an die kommerzielle Ausrichtung des Projektes kritisiert. Der Mantel des Stadions soll ein Einkaufszentrum umfassen und ein Hotel mit Restaurants.

Das Komitee der Gegner – «Fussball statt Shopping» – wehrt sich gegen diese Doppelnutzung des Fussballstadions, weil die Anwohner befürchteten, das Projekt werde eine Verkehrslawine auslösen.

Die Gegner des Stadions haben deshalb immer gesagt, sie würden versuchen, den Bau des Stadions mit Einsprachen zu verhindern. Aber auch der zu erwartende Lärm oder das Verhalten der Matchbesucher wird kritisiert.

VCS im Abseits

Um das starke Verkehrsaufkommen zu kanalisieren, wurde versucht, die Zahl der Autofahrten zum Stadion und damit auch zum Einkaufszentrum zu verringern. Und gleichzeitig den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu verstärken.

Die Anliegen sollten mit dem so genannten Verbandsbeschwerderecht erreicht werden. Gemäss schweizerischem Umweltrecht können Private oder Organisationen bei einem Bauprojekt Einsprache erheben.

Zwischenzeitlich vertrat die Zürcher Sektion des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) die Anliegen der Anwohner. Als Verband rekurrierte er gegen das Vorhaben und setze sich damit in die Nesseln.

Bal einmal wurde der Verkehrsclub, der sich für eine umweltgerechte Schweizer Verkehrspolitik einsetzt, von den Gegnern als «Verhinderungssclub» bezeichnet.

Doch auch bei den Mitgliedern des VCS stiess das Vorgehen der Zürcher Sektion auf Unverständnis, so dass der VCS-Schweiz beschloss, seine Stadion-Einsprache nicht ans Bundesgericht in Lausanne weiter zu ziehen und Mitte Juni erklärte «der VCS ist aus dem Beschwerdefall Stadion Zürich definitiv ausgeschieden».

Anwohner erhielten zum Teil Recht

All diese Dispute und Einsprachen verzögerten und verzögern den allfälligen Baubeginn des EM-Stadions in Zürich. Die Zeit wird immer knapper, zumal das Zürcher Verwaltungsgericht die Einsprache der Anwohner teilweise stützte und verfügte, dass die Stadt Zürich bei den umstrittenen Fahrtenregelungen über die Bücher müsse.

Die Credit Suisse erklärte im Juli, dass es «theoretisch» zwar noch möglich sei, das Stadion für die «Euro 2008» zu bauen, doch werde die Zeit immer knapper. Die Bank verfolge aber das Projekt unabhängig von der Fussball-EM.

Mittlerweile haben die Anwohner einen Kompromissvorschlag mit maximal 1,75 Mio. Autofahrten pro Jahr zum Stadion vorgelegt.

Die CS sagt, gemäss «NZZ am Sonntag»: «Unsere Vorstellungen über die Anzahl Autofahrten, die das neue Stadion verursachen wird, sind von den Forderungen der Anwohner im Zürcher Hardturmquartier weit entfernt.» Die CS ziehe den Fall deshalb an das Bundesgericht weiter, heisst es in der «NZZ am Sonntag».

Imageverlust der Schweiz

Das Gerangel um das EM-Stadion in Zürich beschäftigt die ganze Schweiz. Zürich drohe das ökonomische Abseits, schreibt die «Handelszeitung» und spricht von einem Imageschaden für die Schweiz und Zürich. «Die Schweiz wird zum Gespött und Zürich verliert Millionen von Franken», schreibt die Zeitung.

Dieser Meinung ist auch der Präsident des Organisationskomitees für die WM 06 in Deutschland, Franz Beckenbauer.

Auch die Politik sorgt sich um den Imageschaden. Der Ständerat arbeitet an einer Neuregelung des Verbandsbeschwerderechtes. Und eine vom SVP-Politiker Hans Hofmann eingebrachte parlamentarischen Initiative fordert, die «Missbräuche im Beschwerderecht für Organisationen zu unterbinden».

Schon im Juni hatte der Nationalrat (Grosse Kammer) eine Erklärung verabschiedet, in der er sich «besorgt» zeigt über die Auseinandersetzungen rund um den Bau des neuen Fussballstadions in Zürich .

Wie die «NZZ am Sonntag» nun meldet, wird alles nichts fruchten. Das neue EM-Stadion in Zürich wird nicht stehen und der europäische Fussballverband dürfte sich die Frage stellen, ob die Schweiz damit einen Vertrag brechen würde. Sie hat nämlich die vier Spielorte, Zürich inklusive, vertraglich zugesichert.

Gibt es einene Ausweg?

Man könnte den Bau des Stadions Letzigrund vorziehen, sagte kürzlich der Sprecher des Zürcher Hochbauamtes, Urs Spinner. «Doch auch dieses Projekt müsste vors Volk und kann durch Einsprachen blockiert werden.»

swissinfo, Urs Maurer

Die Fussball-EM 2008 wird in der Schweiz und Österreich stattfinden.
In der Schweiz sind 15 Spiele geplant, in Österreich 16.
Das Eröffnungsspiel wird in Bern sein.
Der Final soll in Wien ausgetragen werden.
Schweizer Spielorte sind: Basel, Bern, Genf und Zürich.

Das neue Zürcher Fussballstadion soll im Hardturmquartier gebaut werden.
Die Kosten für den Bau betragen 370 Mio. Franken.
Das Stadion soll zusätzlich ein Einkaufszentrum und ein Hotel umfassen.
Die Anwohner streiten sich mit der CS als Bauherrin um die Zahl der Autofahrten zum Stadion.

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