«It’s Papi Time» auch in der Schweiz – Ja zu zwei Wochen Vaterschaftsurlaub
Frischgebackene Väter erhalten in der Schweiz einen Urlaub: 60,3% sagten Ja zur Papi-Zeit von zwei Wochen. Damit ist die Schweiz nicht mehr das Schlusslicht in Europa, liegt aber immer noch auf den hinteren Rängen. Die Stimmbeteiligung an diesem "Super-Sonntag" lag bei knapp 59,5%. Es ist dies die höchste Partizipation bei einem Urnengang seit fünf Jahren.
Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger füllten heute eine Lücke, die schon fast an Peinlichkeit grenzte: Die Schweiz ist das einzige Land in ganz Europa, das keinen Vaterschaftsurlaub kannte. Nun kann sie die rote Laterne abgeben.
Yeah! Die Schweiz sagt klar JA zum #VaterschaftsurlaubExterner Link. Wir sind überglücklich und bedanken uns von ganzem Herzen für die grandiose Unterstützung! pic.twitter.com/NDl7NSpoWnExterner Link
— Vaterschaftsurlaub (@papizeit) September 27, 2020Externer Link
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Geteilte Freude – getrennte Perspektiven im Siegerlager
«Ich bin sehr erfreut, dass die Schweiz endlich als letztes Land Europa einen Vaterschaftsurlaub hat. Die Bevölkerung will eine zeitgemässe Familienpolitik», sagte Ständerätin Maya Graf von den Grünen. Die Papi-Zeit sei aber nur der erste Schritt, nächste Schritte wie die Elternzeit müssten folgen, forderte die Politikerin aus dem Kanton Basel-Landschaft.
Vor 41/2 Jahren haben @alliance_FExterner Link @ProFamiliaCHExterner Link @TravailsuisseCHExterner Link @maennerchExterner Link gemeinsam die Vaterschaftsinitiative für 4 Wochen VAU eingereicht. Heute sagt die Schweizer Bevölkerung klar JA zum Gegenvorschlag für 2 Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub für alle Väter! Wir freuen uns riesig! pic.twitter.com/fnZFPANrOrExterner Link
— Maya Graf (@mayagraf_bl) September 27, 2020Externer Link
Auch bei Andrea Gmür-Schönenberger, Nationalrätin der Christdemokraten, war die Freude über das «sehr klare Resultat» gross. Doch den von Graf geforderten weiteren Schritten erteilte die Politikerin aus dem Mitte-Lager eine Absage. «Wir müssen eine klare Trennung des Wünschbaren vom Machbaren machen», so die St. Gallerin. Denn die Sozialwerke stünden durch die Coronakrise unter verstärktem Druck.
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Das Briefing zum Super-Sonntag
Die Zustimmung ist aber keine Überraschung: Schon in der letzten grossen Umfrage von Mitte September gaben 61% der Stimmberechtigen an, die Vorlage anzunehmen.
Die Abstimmung wurde auch von ausländischen Medien verfolgt, so auch von der Süddeutschen Zeitung:
Schweizer lehnen Einwandererbegrenzung ab: Bei einer Volksabstimmung votieren sie gegen den Vorstoß der rechten SVP. Neuerungen beim Vaterschaftsurlaub stoßen dagegen auf große Zustimmung. https://t.co/bUYKWdRslaExterner Link
— Süddeutsche Zeitung (@SZ) September 27, 2020Externer Link
Frust bei den Verlierern
Das heutige Verdikt bedeute eine «Zäsur» für die Sozialversicherungen in der Schweiz, sagte die Zürcher SVP-Lokalpolitikerin Susanne Brunner. Die Verlierer seien die KMU, die kleinen und mittleren Unternehmen, die gegen eine Wirtschaftskrise kämpfen müssten, sagte sie am Schweizer Fernsehen SRF. Statt zusätzliche Ausgaben beschliessen hätte man genau das Gegenteil machen müssen. Nun müssten die Arbeitnehmenden die neue Versicherung über höhere Lohnanteile finanzieren.
Mit dem Ja zum #VaterschaftsurlaubExterner Link müssen alle höhere Lohnabzüge bezahlen. Erstmals werden Leistungsträger der Gesellschaft mit einer Sozialversicherung finanziert. Dies, obwohl AHV, IV und ALV saniert werden müssten.
— NEIN zum teuren Vaterschaftsurlaub (@lohnabzuegeNein) September 27, 2020Externer Link
Die Zweckentfremdung der Sozialversicherungen ist Realität.
«Wir wollten zeigen, dass es auch Gegner des Vaterschaftsurlaubs gibt», sagte Peter Schilliger, freisinniger Nationalrat aus dem Kanton Luzern. Er wies auch auf die bescheidene Kampagne des kleinen Nein-Komitees hin.
Mit Ausnahme der Schweizerischen Volkspartei (SVP) waren alle grossen Parteien für die Einführung einer sogenannten Papi-Zeit. Dies galt auch für das Schweizer Parlament, die Gewerkschaften, Kirchen sowie zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft.
Dagegen war die Schweizer Regierung. Sie wollte stattdessen die Angebote der ausserschulischen Angebote verbessern.
Von vier auf zwei Wochen halbiert
Die Papi-Zeit von zwei Wochen ist ein typisch Schweizerischer Kompromiss: Ein linkes Komitee verlangte in einer Volksinitiative mindestens vier Wochen Vaterschaftsurlaub. Nach der Gegenvariante des Parlaments von zwei Wochen zogen die Initianten ihr Begehren zurück.
Die Abstimmung führte ein kleines Komitee aus den Reihen der rechtskonservativen SVP herbei, indem es gegen das Einführungsgesetz des Parlaments das Referendum ergriffen hatte.
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