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Der Ton zwischen den Nachbarn wird schärfer

Die Schweizer Haftbefehle gegen deutsche Beamten im Zusammenhang mit dem umstrittenen Ankauf von CDs mit Daten von Bankkunden in der Schweiz hat in Deutschland Staub aufgewirbelt. Keystone

Die Schweizer Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder im Zusammenhang mit gestohlenen Bankdaten belasten die angespannte Beziehung zwischen der Schweiz und Deutschland zusätzlich, denn der Zeitpunkt erfolgt in einer heiklen Phase.

Letzte Woche wurde weiter intensiv über die Abgeltungssteuer zwischen der Schweiz und Deutschland verhandelt. Die sozialdemokratisch dominierten deutschen Bundesländer lehnen das Abkommen noch immer ab, trotz Zugeständissen von Seiten der Schweiz. Und jetzt diese Haftbefehle – in dieser hoch sensiblen Phase.

In einem Interview mit dem Sonntag sagte der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber, es bestehe der konkrete Verdacht, dass von Deutschland aus Aufträge zum Ausspionieren von Informationen deutscher Kunden bei der Credit Suisse erteilt worden seien. Die deutsche Seite hatte 2010 für 2,5 Millionen Franken CDs mit Bankkundendaten gekauft, was in der Schweiz damals für Empörung gesorgt hatte.

Unterschiedliche Interessen prallen aufeinander

Auf die Haftbefehle reagierten deutsche sozialdemokratische Spitzenpolitiker empört und sprachen von einem «ungeheuerlichen Vorgang». Denn die deutschen Finanzbeamten hätten nur ihre Pflicht getan.

Für die Schweizer Seite sieht es etwas anders aus: Das Vorgehen des Bundesanwalts sei konsequent, heisst es etwa im Boulevardblatt Blick. «In der Schweiz ist die Verletzung des Bankgeheimnisses eine Straftat.»

«Wieder einmal prallen deutsches Gerechtigkeitsbedürfnis und Schweizer Staats- und Demokratieverständnis frontal aufeinander», schreibt die Neue Zürcher Zeitung.

Der frühere deutsche Finanzminister Steinbrück belehrte laut der NZZ die Schweiz dahingehend, «der eigentliche Skandal sei, dass Bern vorsätzlich deutsche Steuerbürger zum Steuerbetrug einlade».

Besonnene Töne kamen lediglich vom deutschen Finanzminister, der das Abkommen mit seiner Schweizer Amtskollegin Eveline-Widmer-Schlumpf unterzeichnet hatte. Nur Schäuble habe Verständnis gezeigt, dass «die Schweiz ein Rechtsstaat ist, dass die Verletzung des Bankgeheimnisses Rechtsbruch ist und die Justiz zwingend aktiv werden muss», so die Neue Zürcher Zeitung weiter.

Steuerdeal unwahrscheinlicher denn je

«Vergessen wir doch den Steuerdeal mit Deutschland», heisst es in der SonntagsZeitung. «Im Sinne der Rechtssicherheit macht die Schweiz klar, dass es nicht akzeptabel ist, wenn deutsche Steuerfahnder gestohlene Kundendaten aus der Schweiz aufkaufen und gegen Gesetze verstossen.»

Dass der Haftbefehl die Opposition von SPD-regierten Bundesländern gegen den Steuerdeal noch verstärke, mache nichts. «Denn mit oder ohne Steuerabkommen ist es nur eine Frage der Zeit, dass die EU mit Druck versucht, den automatischen Informationsaustausch durchzusetzen.»

Auch unter Schweizer Politikern ist der Steuerdeal mit Deutschland umstrittener denn je. «Ob er angesichts der harschen Töne aus Deutschland im National- und Ständerat noch mehrheitsfähig ist, ist offen», so die NZZ.

Gemäss Blick zünden die Haftbefehle eine «neue Eskalationsstufe», die Gegenmassnahmen würden wohl kauf lange auf sich warten lassen. «Trotzdem sind die Haftbefehle wichtig.» Denn sie zeigten klar, allen schönen Worten zur Weissgeldstrategie zum Trotz, auf welcher Seite die aktuelle Schweizer Gesetzgebung stehe: auf jener der ausländischen Steuerbetrüger.

«Tresor zu sein für möglichst alle, die ihren eigenen Staat betrügen, war lange Zeit ein Geschäftsmodell. Jetzt ist es keines mehr», so der Kommentar im Blick.

Die Schweiz hat Änderungen bei dem bereits unterzeichneten, aber noch nicht ratifizierten Steuerabkommen mit Deutschland vorgeschlagen. Die Eidgenossenschaft wartet nun auf eine rasche Antwort aus Berlin.

Nach Angaben des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) muss dies wegen der Fristen in der Schweiz für eine Ratifizierung schnell geklärt werden, wenn das Abkommen wie geplant Anfang 2013 in Kraft treten soll.

Das Abkommen stösst in Berlin  weiterhin auf Widerstand – trotz der neuen Vorschläge der Schweiz.

Nach einer Sitzung der Ministerpräsidenten am 29. März zeigte sich, dass die SPD-geführten Bundesländer, die schon den ersten Vertragstext zum Scheitern gebracht hatten, das Abkommen nach wie vor weitgehend geschlossen ablehnen.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will demnächst mit seiner Schweizer Amtskollegin Eveline Widmer-Schlumpf ein Änderungsprotokoll zum Abkommen unterschreiben und dieses ans Parlament weiterleiten. Schäuble hofft, dass einige SPD-regierte Bundesländer am Ende dem Steuerabkommen zwischen Bern und Berlin trotzdem zustimmen.

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