«Die Schweiz hat schnell reagiert, aber…»
Mit der Sperrung allfälliger Konten von Viktor Janukowitsch & Co. in der Schweiz habe der Bundesrat rasch gehandelt, loben zwei Geldwäscherei-Experten. Kämen aber inkriminierte Gelder aus der Ukraine zum Vorschein, sei der Imageschaden für das Land "riesig".
70 Milliarden Dollar: Diese Summe haben der verjagte Präsident Wiktor Janukowitsch und seine Günstlinge aus der Staatskasse entwendet, sagt der neue ukrainische Premier Arsenij Jazenjuk. Liegt ein Teil davon auf Schweizer Banken?
Vorsorglich fror der Bundesrat am 28. Februar allfällige Konten Janukowitschs und 19 seiner Vertrauten auf Schweizer Banken ein.
«Ausser vermutlich den Banken selbst weiss zur Zeit meines Wissens noch niemand genau, wie viel Geld aus der Ukraine tatsächlich in der Schweiz ist», sagt Gretta Fenner, Geschäftsführerin des unabhängigen Basel Institute on Governance. «Gefühlsmässig gehe ich davon aus, dass gar nicht so viel Geld hier ist, sondern eher in Finanzzentren, die nicht so kooperativ sind, beispielsweise im arabischen Raum.»
In den Medien wurde auch kolportiert, dass in den letzten Tagen von Janukowitschs Herrschaft vermehrte Geldflüsse aus der Ukraine auf Schweizer Banken festgestellt worden seien. Aber darüber liegen Thomas Sutter, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung, keine Hinweise vor. «Betreffend Sorgfaltspflicht der Banken und Finanzintermediäre hat die Finanzmarktaufsicht Finma klare Regeln aufgestellt», so Sutter.
Der Erlass der Verordnung durch den Bundesrat bedeute nicht, dass allfällige ukrainische Gelder in der Schweiz aus Delikten oder Korruption stammten. «Es sind nicht die Banken, die an Korruption beteiligt sind», stellt Sutter klar, «aber über sie laufen Finanzströme, die auf der Tätigkeit von Unternehmen in der Ukraine basieren. Deshalb legen wir grossen Wert auf internationale Absprachen und klare Indizien.»
Wie sorgfältig handeln Banken?
Gretta Fenner zweifelt nicht daran, dass die Schweizer Banken in den letzten Wochen und Monaten ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen sind, dies auch aus eigenem Interesse. «Aufgrund meiner Kontakte weiss ich, dass sie sehr vorsichtig hingeschaut haben, und zwar nicht erst seit ein paar Tagen, sondern seit sich die Situation in der Ukraine zugespitzt hatte.»
Olivier Longchamp, bei der Erklärung von Bern (EvB) Experte für Steuern und internationale Finanzbeziehungen, ist da skeptischer. «Weiss die Bank, dass die Gelder illegal sind, darf sie diese nicht annehmen. Genau das ist der springende Punkt, wurde in der Schweiz doch noch nie ein Finanzintermediär dafür bestraft.»
Schweiz sperrt Vermögenswerte von Janukowitsch (Tagesschau SRF vom 28.2.2014)
Regierung könnte, wenn sie wollte
Die Schweiz habe zu lange gewartet, bis sie nach dem Fall des ukrainischen Präsidenten aktiv geworden sei, monierten Banken- und Finanzplatzkritiker. Insbesondere, weil die Praktiken Janukowitschs schon seit rund einem Jahr auf dem Tisch gelegen hätten.
Die Schweiz habe zwar rechtlich die Möglichkeit, Vermögenswerte vorsorglich zu sperren, ohne dass eine Nachfolge-Regierung um eine Sperre ersucht hätte, erklärt George Farago, Sprecher des Schweizer Aussenministeriums (EDA).
«Eine eigentliche Vermögenssperre kommt aber erst zur Anwendung, wenn politisch exponierte Personen (PEP) nicht mehr an der Macht sind, weil sonst die Chancen einer erfolgreichen Rechtshilfezusammenarbeit und somit der Rückgabe der Gelder gering sind», so der EDA-Sprecher. Die Schweiz habe aber sehr rasch gehandelt und hat als erste Regierung eine Blockierung beschlossen.
Risiken vermieden
Das anerkennen auch Fenner und Longchamp. «Der Bundesrat handelte ziemlich schnell und gab damit die Absicht bekannt, dass die Schweiz kein Hort für solche Gelder ist. Das ist positiv», sagt der EvB-Vertreter. Zum Vergleich: Die EU hat sich zwar Sanktionen überlegt, aber bis heute nichts unternommen, also auch keine Sperrungen verhängt
Hätte der Bundesrat die Einfrierung der Konten der ukrainischen PEP ein paar Tage früher verfügt, wäre er damit laut Gretta Fenner ein grosses Risiko eingegangen. «Die politische Lage war immer noch äusserst unklar. Und das Risiko, dass er Gelder einfriert, und Janukowitsch am nächsten Tag erklärt, er sei wieder an der Macht, war sehr gross.»
Die Bundesrat verfügte am 28. Februar 2014 die Kontensperrung gegen 20 ukrainische Bürger, so genannte politisch exponierte Personen (PEP) um den gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch.
Betroffen sind neben Politikern und Funktionären Personen aus dem Umfeld dieser PEP, die in der Regel eine wichtige Funktion in Politik, Wirtschaft oder Finanzwesen innehaben.
Für die Banken bedeutet die Sperrung, dass sie den in der Verordnung aufgeführten Personen weder Geld aushändigen noch Geld von ihnen entgegen nehmen dürfen. Tun sie dies, verletzen sie die Sorgfaltspflicht und machen sich strafbar.
Verdächtige Transaktionen müssen Banken und andere Finanzintermediäre wie Treuhänder der Meldestelle für Geldwäscherei des Bundes (Mros) angeben.
Die Sorgfaltspflicht gilt nicht nur bei Diktatoren, sondern auch bei gewählten Politikern, wie der aktuelle Fall zeigt.
PEP-Listen vereinheitlichen
Ein Problem, das im Kampf von internationalen Behörden, Regierungen, Banken und Nichtregierungs-Organisationen gegen die Geldwäscherei hinderlich ist: Es gibt keine international einheitliche PEP-Listen. Vielmehr zirkulieren verschiedene Ausgaben, so etwa von der UNO, von Regierungen, aber auch Banken.
Deshalb setze sich das Basel Institute on Governance für einen intensivierten Dialog zu PEP-Listen und anderen rückführungsbezogenen Themen ein, der zwischen der Wolfsberg Gruppe, in der sich die elf grössten Privatbanken der Welt über den Kampf gegen die Geldwäscherei austauschen, und zuständigen staatlichen Stellen stattfindet. Fenners Massstab ist die PEP-Definition der Financial Action Task Force (FATF). «Diese ist selbstredend, da wissen alle, dass Janukowitsch auch darauf gehört.»
«Riesiger Imageschaden»
Noch weiss also niemand, ob Fluchtgelder der ukrainischen PEP in der Schweiz lagern. «Falls aber tatsächlich solche Gelder zum Vorschein kommen, würde dies zeigen, dass die Absicht des Finanzplatzes Schweiz, nur noch ‹weisses›, also versteuertes Geld anzunehmen, nicht in die Praxis eingeflossen ist. Und dann wäre auch der Imageschaden riesig», sagt EvB-Vertreter Olivier Longchamp.
Auch Gretta Fenner erkennt einen Imageschaden. Dennoch zähle die Schweiz mit ein paar wenigen anderen zu den aktivsten Ländern im Kampf gegen Geldwäscherei und in der Rückgabe von Potentaten-Geldern. «Andere sitzen auf Milliarden und tun gar nichts. Es ist ein bisschen frustrierend, dass letztendlich auf jenen Ländern herumgehackt wird, die tatsächlich am ehesten etwas tun», bilanziert sie. Nötig wäre mehr internationaler Druck auf gewisse Finanzzentren im arabischen und asiatischen Raum sowie auf die unabhängigen britischen Jurisdiktionen.
Für bessere Spiesse im Kampf gegen Geldwäscherei muss laut der Expertin die Prävention verstärkt werden. «Die Finanzmarktaufsicht Finma könnte mit den Banken durchaus noch etwas strenger sein», sagt Fenner. «Die Strafen in der Grössenordnung von rund 60’000 Franken, die Credit Suisse und UBS im Falle der Mubarak-Gelder zahlen mussten, tun niemandem weh.»
Lücken müssten aber vor allem auf internationaler Ebene geschlossen werden, denn je koordinierter ein Freeze, desto effektiver ist er laut Fenner. «In der EU gibt es anscheinend noch Länder, die sich gegen einen solchen Schritt wehren, und das behindert die internationale Effektivität.»
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