Diplomatischer Grosserfolg, der viel Skepsis auslöst
"Grösster Sieg der Diplomatie in diesem Jahrzehnt", jubelt eine Schweizer Zeitung nach dem erfolgreichen Atomdeal zwischen den USA und Iran und der Aufhebung der Sanktionen gegen das Mullah-Regime. Doch angesichts der zentralen Rolle Irans im Syrienkrieg und bei der Terrorismus-Unterstützung bleibt der Tenor verhalten. Lobend erwähnt wird die Rolle der Schweiz als Vermittlerin.
«Der Iran stösst die Tür zur Welt auf», titelt die Berner Zeitung. «Der Iran freut sich über die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen. Die Erwartungen der Bevölkerung sind hoch.» Es bleibe aber abzuwarten, wie sich Irans Hardliner jetzt verhalten würden, werde doch in fünf Wochen ein neues Parlament gewählt.
«Präsident Rohani und seine Anhänger hatten bereits bei ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren Wohlstand versprochen. Nun hoffen sie, für die erfolgreiche Umsetzung ihrer prowestlichen Entspannungspolitik belohnt zu werden. Bis die Aufhebung der Sanktionen von der breiten Masse zu spüren ist, werden vermutlich noch einige Monate vergehen.»
Hoffnungsvoll tönt es auch vom Walliser Boten, der glaubt: «Eine neue Ära bricht an». Und weiter: «Der wohl grösste Sieg der Diplomatie in diesem Jahrzehnt ist perfekt: In einem historischen Schritt haben die internationale Gemeinschaft und der Iran ihren Streit um das Atomprogramm Teherans beigelegt.
«Licht im nahöstlichen Tunnel» erblickt die Südostschweiz. «Mit Diplomatie zum Erfolg. Dieses Fazit lässt sich nach Beendigung des Atomstreits mit dem Iran ziehen.» Aber nach Jahren der Isolation dürften von Iran nun keine Wunderdinge erwartet werden, sei doch der in Genf, Lausanne und Wien erreichte Atom-Deal weiterhin höchst zerbrechlich.
«Die Gegner des Abkommens, ob in Israel, Riad oder den USA, werden ihren Widerstand so bald nicht aufgeben: Erst vor zwei Wochen hatten die Saudis versucht, den Iran mit der Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr el Nimr zu unüberlegten Handlungen zu provozieren.»
Die Neue Luzerner Zeitung macht der jungen Generation Hoffnung, in dem sie titelt: «Ihre Zeit ist gekommen», gehörten doch Irans junge Leute «zu den talentiertesten der Region. Sie wissen, was sie wollen». Zwar blickten die Hardliner den Parlamentswahlen mit Sorge entgegen. «Trotzdem sind in dem ausgeblichenen Gottesstaat die Aussichten für eine demokratische Öffnung besser als im Rest der nahöstlichen Welt. Irans Zivilgesellschaft ist entwickelter als alle arabischen Konkurrenten. Die Bevölkerung ist gebildet, belesen und diszipliniert.»
Ungünstiger Zeitpunkt – Ölpreis im Keller
«Annäherung ohne Illusionen», titelt die Neue Zürcher Zeitung. «Nach Jahren der Isolation kann das Land nun auf die Weltmärkte zurückkehren. Goldgräberstimmung wird sich in Iran allerdings nicht so rasch einstellen, denn die Öffnung erfolgt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da sich der Erdölpreis auf einem Zwölfjahrestief befindet.»
Auch sei Iran von rechtsstaatlichen Verhältnissen weit entfernt, was potenziellen Investoren zu denken geben sollte. «Was den Rückbau des Nuklearprogramms betrifft, so ist dies zweifellos ein grosser Fortschritt. Die Einschränkungen bieten einigermassen Gewähr dafür, dass Iran in den nächsten zehn Jahren keine Atombombe baut. Aber auch hier gilt es vor Illusionen zu warnen.»
Auch beim Tages-Anzeiger und dem Bund aus Bern überwiegt Skepsis: «Iran ist weiterhin kein einfacher Partner», schreiben sie. «Der Atomdeal kann allenfalls den Beginn einer neuen Ära markieren. Er hegt das Nuklearprogramm ein, so dass von ihm in den nächsten Jahren keine akute Bedrohung mehr ausgehen sollte – sofern sich der Iran an seine Verpflichtungen hält.» Doch das ändere nichts daran, dass der Iran in Syrien weiter nichts unternehme, um Bashar al-Assad zu Kompromissen zu zwingen.
Schlimmer noch: «Nach wie vor beteiligt sich die von Teheran unterstützte Hizbollah an potenziellen Kriegsverbrechen. Auch im Iran werden Freidenker zu Haftstrafen und Peitschenhieben verurteilt und immer noch mehr Menschen hingerichtet als in jedem anderen Land der Region. Der Iran spielt vielerorts eine destabilisierende Rolle.»
«Iran nach Atomdeal massiv gestärkt»: So sieht die Basler Zeitung die neue Ausgangslage, denn: «Die Gewichte im Nahen Osten verschieben sich zulasten Israels und Saudi-Arabiens.» Teheran, eben noch ein Paria der Weltgemeinschaft, sei zum Liebling des Westens aufgerückt. Die Islamische Republik sehe sich sowohl militärisch als auch politisch gestärkt.
Doch sei der Deal zu hinterfragen, denn er wolle lediglich die atomare Aufrüstung Irans verzögern, sie aber mittelfristig nicht verhindern. «Auch wenn in den nächsten Jahren iranische Atomexperten nicht an der Bombe basteln können, wissen sie: Die US-Regierung hat Iran als atomare Schwellenmacht anerkannt. Damit bleibt das Land potenzielles Nuklearland.» Zudem destabilisierten die Mullahs in Teheran weiter die Region, indem sie Terrororganisationen wie schiitische Hizbollah-Milizen und den syrischen Diktator Baschar al-Assad unterstützten.
Schweiz mit guten Diensten zurück im Geschäft
«Die Schweiz als Vermittlerin ist sehr lebendig», konstatiert die Tribune de Genève. «Dafür haben wir am Sonntagabend einen eklatanten Beweis gesehen, als auf dem Flughafen Genf drei US-Bürger eintrafen, die Iran am Samstag freigelassen hat.» Dies sei ein Zeichen dafür, dass es immer noch Raum für die Diplomatie gebe. «Und dass die Rolle des Landes als Vermittlerin unverzichtbarer denn je ist.»
Mit der Vermittlung im Atomdeal im Arc Lémanique kehre das Land eindrücklich auf die Bühne der internationalen Vermittlung zurück, schreibt Le Temps. Und das in einem der brennendsten Konflikte seit Ende der 1970er-Jahre. Mit ihren guten Diensten habe die Schweiz die Annäherung Irans und der USA erleichtert. «Das Beste der Schweiz», lautet die Kurzformel der Westschweizer Zeitung.
«Obama lobt die Schweizer Diplomatie», schreibt der Blick und zitiert den mächtigsten Mann der Welt mit den schlichten Worten «Danke, Schweiz!»
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