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Ein Besuch in Nordkorea

Die Hungersnot in Nordkorea ist vorüber, doch der Hunger bleibt. Lannick Breton

Nordkorea gilt als eines der isoliertesten Länder der Erde. Vier Journalisten konnten sich einer Schweizer Diplomaten-Delegation anschliessen. Die Menschen, denen sie auf ihrer Reise begegneten, scheinen nicht Hunger zu leiden, aber viele sind schlecht ernährt.

«Sie haben es geschafft, ihr Land zu verlassen. Ich begreife nicht, warum sie heimkehren wollen», sagt mir ein Mitreisender aus dem Westen, der wie ich in das Flugzeug Peking-Pjöngjang steigt.

Er meint damit jene paar Nordkoreaner, die man im Flugzeug an dem roten Abzeichen erkennt, das sie an ihrem Revers tragen. Ein erstes Anzeichen für den Kult, der um den grossen Führer, die Sonne der Menschheit, den ewigen Präsidenten Kim Il-sung herrscht.

An diesem Montagmorgen Anfang November sind etwa die Hälfte der Passagiere aus dem Westen, die meisten Diplomaten oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. Einige haben das Wochenende in Peking verbracht – um wieder ein wenig atmen zu können.

Blaise Godet, Schweizer Botschafter für China, die Mongolei und Nordkorea ist ebenfalls mit auf der Reise. Von seiner Botschaft in Peking reist er regelmässig nach Pjöngjang, um politische Diskussionen zu führen und die fünf Schweizer zu treffen, die in diesem Land von fast 24 Millionen Menschen leben.

Wir landen in der Abendsonne in Pjöngjang. Als erstes sehen wir ein überlebensgrosses Porträt von Kim Il-sung. Während der gesamten Reise werden die Propaganda-Plakate praktisch die einzigen Farbflecken in der grauen Eintönigkeit sein. Mit Ausnahme der Schminke der Nordkoreanerinnen, die trotz allem elegant sein wollen, und der azurblauen Uniformen der Verkehrspolizei.

Abgeschnitten von der Welt

Die Ankunftshalle wirkt sehr einladend. Die Formalitäten werden zügig erledigt, trotz zweier Stromausfälle, welche die Zöllner nicht einmal bemerken. Wir geben unsere Mobiltelefone ab und sind bereit, fünf Tage lang abgeschnitten vom Rest der Welt zu leben. Ohne Internet, ohne ausländische Zeitungen. Dann treffen wir unseren Reiseleiter und Übersetzer, der den Auftrag hat, über uns zu wachen, aber auch, uns zu beobachten.

Die Stadt ist schlecht beleuchtet, ausser bei den Denkmälern für den grossen Führer. Einschränkungen in der Stromzufuhr treffen verschiedene Quartiere im Turnus. In den riesigen Plattenbauten im Stil der ehemaligen DDR vermuten wir die Bewohner bei Kerzenlicht.

Ein wenig Verkehr hat es trotzdem auf den Strassen, alte sowjetische Jeeps, Ladas, ostdeutsche Trams und einige moderne Autos, zum Teil sehr teure. «Es hat deutlich mehr als früher, das ist ein Fortschritt», bemerkt Botschafter Godet.

Wir sehen auch einige Radfahrer; es sind nur Männer. Die Stadt verbietet es Frauen, Velo zu fahren. «Sie leben ein wenig mit dem Kopf in der Luft, das würde zu Unfällen führen», spasst unser Führer.

Keine einheimischen Freunde

Den Abend verbringen wir unter Schweizern, in einem Restaurant. Der Botschafter bringt die neusten Nachrichten aus der «freien» Welt mit, die in Nordkorea lebenden Landsleute erzählen von ihrem Alltag.

Sie sind sich einig, dass sie praktisch nichts über das Leben der Menschen in ihrem Gastland wissen, wie viel diese verdienen oder was sie denken. Nordkoreanische Freunde zu finden scheint ein Ding der Unmöglichkeit.

Wir wohnen in einem gigantischen Hotel weit ausserhalb der Stadt. Es ist unmöglich, sich für eine kleine Tour durch die Stadt abzusetzen. Doch das Hotel selber bietet etwas Abwechslung: eine Schweizer Boutique mit Uhren und Messern, ein Casino, in dem die Kundschaft – zumeist Chinesen – im buchstäblichen Sinne Millionen verzockt. Auch wenn das Regime kollektivistisch ist, lässt es doch gewisse Exzesse zu.

An den folgenden Tagen machen wir Besuche vor Ort: Kooperations- und humanitäre Hilfsprojekte, demilitarisierte Zone, Industriepark Kaesong. «Man kann Pjöngjang verlassen, aber man muss dafür mindestens eine Woche vorher einen Antrag stellen», sagt Francesco Rezzonico, der im Büro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in Nordkorea für Landwirtschaftsprogramme zuständig ist.

Schweizer Hilfe

Die Schweiz unterhält mehrere Hilfsprogramme im Land. So liefert sie etwa hunderte Tonnen Milchpulver für das UNO-Welternährungsprogramm (WFP). Deren Direktorin für Nordkorea, Claudia von Roehl, ist der Meinung, dass auch nach dem Ende der Hungersnot ein Viertel der Bevölkerung unter Mangelernährung leide, besonders schwangere Frauen, stillende Mütter und Kinder.

Die Frage ist in diesem Zusammenhang offensichtlich: Stärkt die Schweiz durch ihre Unterstützung nicht das Regime? «Man sollte die humanitäre Hilfe nicht politisieren, sie steht per Definition ausserhalb von politischen Bedingungen», sagt Blaise Godet. Dennoch seien «die Kontrollmittel zwar nicht gross, aber auch nicht inexistent».

Die Reise nähert sich ihrem Ende. Wir Journalisten erhalten noch eine endlose Rede eines Vertreters des Aussenministeriums, der uns dazu anhält, uns unseres Berufs würdig zu zeigen.

Der Inhalt unserer Artikel würde die Chance bestimmen, ein weiteres Visum für Nordkorea zu erhalten. So beispielsweise für den nächsten April zu den 100-Jahr-Feiern der Geburt der Sonne der Menschheit. Das Land hat versprochen, bis dann eine «starke und wohlhabende Nation» zu werden. Der Termin ist vorgemerkt.

Bern und Pjöngjang unterhalten seit 1974 diplomatisiche Beziehungen.

Seit 1953 macht die Schweiz in der Neutralen Überwachungskommission für Korea (NNSC) mit, die an der Demarkationslinie zwischen den beiden Ländern aktiv ist.

Es handelt sich um das älteste militärische Engagement der Schweiz im Ausland. Zu Beginn waren 146 nichtbewaffnete Offiziere involviert, heute sind es noch fünf.

Ausserdem unterhalten Nordkorea und die Schweiz seit 2003 einen politischen Meinungsaustausch auf hohem Niveau. Es findet einmal jährlich statt, abwechselnd in Bern und in Pjöngjang.

Die Schweiz unterhält über die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) seit 1997 eine Vertretung in Pjöngjang.

Im Komplex, in dem die Schweiz Räume an Ungarn vermietet (das die geplante Botschaft nie eröffnete), arbeiten 3 Schweizer und 5 Nordkoreaner für die Deza.

Das Büro verfügt für 2011 über ein Budget von 7,7 Mio. Fr.

Nach einem Parlamentsentscheid von 2008, den Teil der Entwicklungszusammenarbeit mit Nordkorea zu streichen, muss das Büro nächstes Jahr den Gürtel enger schnallen. Es wird sich künftig auf die humanitäre Hilfe konzentrieren.

(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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