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«Es geht um den Schutz dieser Menschen»

Die "Schutz vor Passivrauchen"-Initiative will korrigieren, was das Parlament bei der Beratung des neuen Rauchergesetzes verwässert haben soll. Keystone

Am 18. Mai wurde die Volksinitiative zum "Schutz vor Passivrauchen" mit 133'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Lungenliga-Präsident Otto Piller erklärt, weshalb ihm die gegenwärtige Bundesregelung nicht genügt.

Den Initianten ist das am 1. Mai in Kraft getretene Bundesgesetz zu schwammig. Sie wollen Schluss machen mit Ausnahmeregelungen für kleine Lokale.

Zudem verlangen sie, dass auch in den erlaubten belüfteten Raucherräumen, den so genannten Fumoirs, keine Serviceleistungen mehr erbracht werden dürfen.

swissinfo.ch: Die Initiative «Schutz vor Passivrauchen scheint bei den Wirten nicht auf grosse Zustimmung zu stossen. Sie ist ihnen zu streng. Können Sie das nachvollziehen?

Otto Piller: Nein, überhaupt nicht. Nachdem wir feststellen mussten, dass das Parlament die Gesetzesvorlage des Bundesrats massiv abgeschwächt hatte, haben wir diese Initiative lanciert. Sie greift dieselben Regelungen auf, die der Bundesrat vorgeschlagen hat.

Diese sind übrigens im Tessin, in Westschweizer Kantonen, in Basel und St. Gallen bereits heute umgesetzt. Auch in Freiburg, meinem Kanton, ist diese Regelung in Kraft. Sie wurde auch vom kantonalen Wirte-Verband unterstützt.

Auch in Deutschland wurde das entsprechende Gesetz ziemlich verwässert…

O.P.: In Deutschland war es anders. Dort hat das Verfassungsgericht entschieden, dass die eingeführte Lösung nicht verfassungskonform ist.

Aber auch in Deutschland akzeptiert die Mehrheit der Bevölkerung die strengen Rauchervorschriften. Und das Gesetz wird jetzt umgebaut.

swissinfo.ch: Tragen Sie mit Ihrer Initiative nicht zur Stigmatisierung der Raucher bei?

O.P.: Nein. Diese Initiative wird von 50 Organisationen getragen, darunter die Ärztegesellschaft, die Krebsliga, verschiedene Gesundheitsorganisationen, Elternvereine usw.

Unser Ziel ist nicht die Stigmatisierung. Menschen, die rauchen, sollen rauchen dürfen, aber nur dort, wo sie jene nicht stören, die nicht mitrauchen wollen. Das ist ein ganz einfaches Prinzip.

swissinfo.ch: Aber bedeutet das nicht auch eine Ausweitung der Verbotsgesellschaft?

O.P.: Im Gegenteil. Es findet eine Uniformierung statt. Ein krasses Beispiel ist das Dorf Erlinsbach, dessen eine Hälfte im Kanton Solothurn liegt, die andere im Kanton Aargau. Im selben Dorf gelten also unterschiedliche Regelungen.

Das geht doch nicht! In der kleinen Schweiz muss es doch möglich sein, eine einheitliche Lösung zu haben.

Das ist auch wichtig für Touristen, die in unser Land kommen. Die sollen einfach wissen, dass in der Schweiz bezüglich Rauchen in der Öffentlichkeit dieselben Regelungen gelten wie in Frankreich, Italien und anderen europäischen Ländern.

swissinfo.ch: Das totale Rauchverbot ist für die Italienerinnen und Italiener überhaupt kein Problem, auch im Kanton Tessin nicht. Warum ist der Widerstand gerade in deutschsprachigen Kantonen aber auch in Deutschland so gross?

O.P.: Das ist ja gar nicht so, wie man das darstellt. Das ist eine kleine Minderheit, die dagegen antritt. Im Kanton Wallis hat man nach der Einführung strikter Regeln eine Umfrage gemacht. Über 80% der Bevölkerung unterstützten diese Lösung.

Und wenn eine kleine Minderheit aufschreit und meint, das sei eine Verbotsgesellschaft, muss man endlich akzeptieren, dass die grosse Mehrheit diese Lösung will.

swissinfo.ch: Ist es nicht trotzdem erstaunlich, dass gerade im Tessin, wo sehr viele Menschen rauchen, das Rauchverbot so gut aufgenommen wurde?

O.P.: Überall dort, wo man es umgesetzt hat, war es innert kürzester Zeit eine Selbstverständlichkeit.

Vor einigen Jahren hat man Schritte unternommen, die öffentlichen Verkehrsmittel rauchfrei zu machen. Das löste eine riesige Diskussion in der Öffentlichkeit aus. Gewisse Leute drohten, nicht mehr Zug zu fahren. Aber das waren einzelne Stimmen, die überbewertet wurden.

Und dann erfolgte über Nacht die praktische Einführung. Heute fällt niemandem mehr ein, dagegen zu protestieren. Alle finden finden es super, dass es in den Zügen und Bussen nicht mehr stinkt. Zudem sind diese auch viel weniger verschmutzt, man muss weniger Reinigungsarbeiten machen.

Und alle sind zufrieden, auch die Raucher. Ich bin keiner, der gegen das Rauchen ist, war ich doch selbst lange Zeit Raucher. Ich habe auch Familienmitglieder, die rauchen. Aber wir nehmen gegenseitig Rücksicht aufeinander.

swissinfo.ch: Sie kämpfen aber vor allem gegen das Passivrauchen?

O.P.: Es geht auch um den Arbeitnehmerschutz. In der Schweiz arbeiten rund 100’000 Menschen im Gastgewerbe. Viele von ihnen sind täglich mindestens acht Stunden dem Rauch voll ausgesetzt. Es geht um den Schutz dieser Menschen.

swissinfo.ch: Deshalb auch die Weisung, dass in Fumoirs nicht bedient werden darf?

O.P.: Genau. Ich bin relativ oft im Tessin und war auch einige Male in Oberitalien, um zu schauen, wie das funktioniert. Das ist überhaupt kein Problem.

Die Leute finden es sogar noch lustig. Geht man im Winter nach draussen rauchen, zieht man sich halt den Mantel an. Ich bin überzeugt: in zwei, drei Jahren wird in der Schweiz niemand mehr darüber diskutieren.

Etienne Strebel, swissinfo.ch

Tabakrauch enthält rund 4500 chemische Substanzen. Mindestens 40 davon gelten als krebserregend.

Auch Nichtraucher, die mit Rauchern in geschlossenen Räumen sind, atmen einen grossen Teil dieser gefährlichen Substanzen unfreiwillig ein.

Passivrauchen erhöht das Lungenkrebsrisiko und fördert die Entwicklung von anderen Krankheiten der Atemwege und des Herz- Kreislaufsystems.

Die Resultate der SAPALDIA-Studie belegen die Gefährlichkeit des Passivrauchens.

Die «Swiss Study on Air Pollution And Lung Diseases In Adults» ist eine Langzeitstudie, in deren Rahmen Lungenspezialisten, Epidemiologen, Allergologen, Meteorologen und Fachleute für Lufthygiene zusammenarbeiten.

Ziel der Studie ist die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Luftschadstoffen und Atemwegs- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Schweiz während einer längeren Zeit.

Bisher gab es weltweit nur wenige Langzeitstudien dieser Art.

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