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Max Göldi in Libyen aus Haft entlassen

Im Februar 2009 wurde Max Göldi in Tripolis verhaftet. Keystone

Max Göldi ist nicht mehr im Gefängnis: Der Schweizer Geschäftsmann ist am Donnerstag nach fast vier Monaten Haft laut Angaben seiner Anwälte freigelassen worden. Er befindet sich aber noch immer in der libyschen Hauptstadt Tripolis.

«Wir sind dabei, die administrativen Verfahren zu beenden, damit er das Land verlassen kann», erklärte Zahaf.

Göldi wurde zwei Tage vor dem im Mai von seinem Anwalt angekündigten Datum freigelassen. Er befinde sich in guter Verfassung, sagte sein Anwalt.

Auch Göldis anderer Anwalt, der Franzose Emmanuel Altit, bestätigte gegenüber der Nachrichtenangetur SDA, dass Göldi frei sei.

Laut Amnesty International könnte Göldi sein Ausreisevisum erhalten und am Samstag heimreisen.

«Es gibt keinen Grund mehr, ihn länger in Libyen zurückzuhalten», sagte Manon Schick, die Sprecherin der Menschenrechts-Organisation.

Offenbar sei er noch nicht im Besitz der nötigen Papiere, um das Land verlassen zu können. Weil der Freitag ein Feiertag sei, dürfte er das Visum erst am Samstag erhalten.

Calmy-Rey dankt EU

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zeigt sich erleichtert über die jüngste Entwicklung in der Affäre Gaddafi: «Ich bin sehr froh, dass Herr Göldi endlich aus dem Gefängnis entlassen wurde», sagte Calmy-Rey am Donnerstagabend (Ortszeit) vor Schweizer Medien in New York.

Dies sei eine weitere Etappe auf dem Weg zu einer Lösung der Krise. Sie sei relativ zuversichtlich, dass sich die Lage in den nächsten Tagen weiter positiv entwickeln werde.

Als nächstes gehe es nun um die Rückkehr Göldis in die Schweiz. Sie hoffe, dass Göldi bald ausreisen dürfe und seine Familie wieder in die Arme schliessen werden könne. Garantien gebe es aber keine. Man dürfe nicht zu optimistisch sein.

Weiter sagte die Aussenministerin, sie wolle den Moment nutzen, «unseren europäischen Partnern, in erster Linie Spanien und Deutschland, zu danken für ihre Unterstützung».

Ihre beiden Kollegen Miguel Angel Moratinos und Guido Westerwelle hätten sich sehr engagiert für die Freilassung von Max Göldi. Die Unterstützung der EU habe der Schweiz geholfen. Zum weiteren Vorgehen wollte sich die Aussenministerin nicht äussern.

EU mahnt zur Vorsicht und will «positive Gesten»

Die spanische EU-Ratspräsidentschaft und Deutschland vermitteln im Konflikt. Die Sprecherin der EU-Ratspräsidentschaft, Cristina Gallach, begrüsste zwar gegenüber der Nachrichtenagentur SDA am Freitag die Freilassung, mahnte aber zur Vorsicht. Noch habe Göldi Libyen nicht verlassen können.

Im Moment werde versucht, einen Pass und das Ausreise-Visum für Göldi zu besorgen. «Die Arbeit ist noch nicht zu Ende.» Zu einem genauen Ausreisetermin konnte Gallach sich nicht äussern.

Ein Sprecher des Aussenministeriums in Berlin sagte der Nachrichtenagentur dpa, seine Regierung sei über die Freilassung erleichtert und hoffe auf eine rasche Ausreise. Göldi war am Donnerstag nach fast vier Monaten aus einem Gefängnis in der libyschen Hauptstadt Tripolis entlassen worden.

Die EU-Kommission forderte am Freitag, dass Libyen Göldi nun ausreisen lässt. «Die sofortige Rückkehr in seine Heimat wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Lösung des bilateralen Konflikts», erklärten EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton und EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. Für eine Lösung seien positive Gesten beider Seiten nötig.

Seit Juli 2008

Über eine mögliche Ausreise war bereits im August 2009 spekuliert worden, nachdem der damalige Bundespräsident Hans-Rudolf Merz sich für die Verhaftung eines Gaddafi-Sohnes in Genf entschuldigt hatte.

Statt einer Freilassung wurden aber Göldi und der ebenfalls festgehaltene Schweizer Rachid Hamdani wenig später an einen unbekannten Ort verschleppt.

Im November 2009 waren die beiden Schweizer zu Geld- und
Haftstrafen verurteilt worden.

Anfang Februar hatte ein Berufungsgericht Hamdani freigesprochen, während Göldis Haftstrafe von 16 auf vier Monate verringert wurde.

Die libysche Polizei hatte die Schweizer Botschaft in Tripolis umstellt und die Auslieferung der beiden Schweizer Geschäftsleute erzwungen. Beide Männer hatten in der Vertretung Zuflucht vor den libyschen Behörden gesucht.

Der ABB-Mitarbeiter Göldi war im Juli 2008 zusammen mit Hamdani wegen angeblicher Verstösse gegen Einwanderungs- und anderer Gesetze festgenommen worden.

Wenige Tage zuvor waren ein Sohn des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi, Hannibal Gaddafi, und dessen Frau Aline in Genf vorübergehend in polizeilichen Gewahrsam genommen worden wegen Verdachts auf Misshandlung von zwei Hausangestellten.

Groteske Züge

Seitdem haben sich die Beziehungen zwischen Libyen und der Schweiz drastisch verschlechtert.

Es folgte ein fast zweijähriges Tauziehen, das teilweise groteske Züge annahm. So hatte der libysche Staatschef gefordert, die Schweiz möge aufgelöst und auf ihre Nachbarländer aufgeteilt werden.

Ein im August 2009 zwischen Bundespräsident Merz und dem libyschen Regierungschef Al Mahmudi abgeschlossener Vertrag, der die Beziehungen zwischen beiden Ländern normalisieren sollte und ein Schiedsgericht vorsah, wurde nie eingehalten.

Da sich Libyen nicht an die Verpflichtungen hielt, sistierte der Bundesrat das Abkommen schliesslich.

Die Schweiz erstellte zudem eine Liste mit über 150 hochgestellten libyschen Persönlichkeiten, die zu «unerwünschten Personen» im Schengenraum erklärt wurden.

Als Retourkutsche verweigerte Libyen in der Folge Bürgern aus Schengen-Staaten die Einreise. Darauf schaltete sich auch die EU als Vermittlerin ein.

swissinfo.ch und Agenturen

15. Juli 2008: Hannibal Gaddafi und seine Frau Aline werden in einem Genfer Hotel festgenommen wegen Verdachts auf Misshandlung von Hausangestellten. Zwei Tage später werden sie gegen Kaution aus der Polizeihaft entlassen.

Juli 2008: In Libyen werden zwei Schweizer Geschäftsleute festgenommen wegen angeblicher Verstösse gegen Einwanderungs- und andere Gesetze.

Januar 2009: Ein Treffen von Bundesrätin Calmy-Rey mit dem Gaddafi-Sohn Saif al-Islam Gaddafi am WEF bringt keinen Durchbruch.

April 2009: Libyen und das Ehepaar Gaddafi reichen eine Zivilklage gegen den Kanton Genf ein.

Juni 2009: Libyen zieht die meisten seiner Gelder von Schweizer Bankkonten ab.

August 2009: Bundespräsident Hans-Rudolf Merz entschuldigt sich in Tripolis beim libyschen Regierungschef Al Mahmudi. In einem Vertrag will man die bilateralen Beziehungen wieder herstellen und ein Schiedsgericht einsetzen.

September 2009: Merz trifft Gaddafi in New York. Dieser versichert ihm, sich persönlich für die Freilassung der Festgehaltenen einzusetzen.

Später werden die beiden Schweizer während einer ärztlichen Kontrolle an einen unbekannten Ort gebracht.


November: Der Bundesrat sistiert das Abkommen mit Libyen. Die restriktiven Visa-Massnahmen gegenüber Libyern bleiben. Die beiden Schweizer werden wieder auf die Botschaft in Tripolis gebracht.

Dezember: Die Beiden werden wegen Visavergehen zu je 16 Monaten Haft und rund 1600 Fr. Busse verurteilt. Später werden diese Urteile gemildert.

14. Februar 2010: 188 Libyer sind im Schengen-Computer-System auf der schwarzen Liste und erhalten kein Visum.

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