Migration ist Herausforderung, aber auch Chance
Die Schweiz hat dieses Jahr den Vorsitz im Globalen Forum für Migration und Entwicklung (GFME) inne. Das Dialog-Forum soll die Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- und Zielstaaten und anderen Akteuren im Migrationsbereich stärken helfen.
Das Globale Forum für Migration und Entwicklung ist der einzige globale Dialogprozess in dem Bereich. Das Forum wurde 2006 auf Initiative des damaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan ins Leben gerufen. Das Forum steht ausserhalb der UNO-Strukturen, steht aber sämtlichen UNO-Mitgliedstaaten offen.
Eduard Gnesa, Sonderbotschafter für internationale Migrations-Zusammenarbeit, hat UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bei einem Treffen letzte Woche in New York das Konzept präsentiert, nach dem die Schweiz den Dialog in diesem Jahr ausrichten will.
Praktischer Ansatz
Der UNO-Chef habe den Ansatz der Schweiz begrüsst, statt wie bisher eine grosse Konferenz pro Jahr mehrere regionale Treffen zu organisieren, erklärte Gnesa vor Schweizer Medien in New York. Ende Jahr sollen die Resultate der regionalen Zusammenkünfte zusammengefasst werden.
«Wir wollen einen praktischen Ansatz verfolgen und den Akzent auf einen themenausgerichteten Dialog zwischen Ländern aus allen Regionen legen», sagte Gnesa. Die Treffen sollen aktionsorientiert sein und neben den Staaten und internationalen Organisationen auch Akteure aus der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft einbeziehen.
So sei es bei der Diskussion der Arbeitsmigration wichtig, dass auch die Privatwirtschaft am Tisch sitze, wenn es darum gehe, Lösungen zu finden, wie der Fluss von Arbeitskräften reguliert oder die Rechte der Menschen abgesichert werden sollen.
Die Schweiz legt viel Wert darauf, ihre Erfahrungen im Bereich Migration und Entwicklung mit anderen Staaten zu teilen. Migration und Entwicklung sowie viele der damit verbundenen Themen wie Armut, Klimawandel, Diaspora, Remittances (Geldüberweisungen der Diaspora an die Heimatstaaten) betreffen die ganze Welt. Kein Staat kann die damit verbundenen Fragen alleine lösen.
Neue Situation – neuer Dialog
Dies unterstreiche auch die Tatsache, dass heute im Migrationsforum auch Staaten wie China, Indien, Russland und die USA mitmachten, sagte Gnesa.
Früher seien Migrationsprobleme nur unter dem Aspekt des Nord-Süd-Dialogs betrachtet worden, als ein Problem zwischen Arm und Reich sozusagen. Im Zuge der Globalisierung habe sich die Welt aber verändert – und damit auch die Diskussion.
Das Thema Migration betreffe Länder Südamerikas, Thailand oder Südafrika anders als noch vor einigen Jahren. Sie seien nicht mehr länger vor allem Herkunftsländer, sondern heute auch Transit- und Destinationsstaaten.
Damit ändere sich dort auch die Sicht auf das Thema. Immer mehr Länder müssten sich mit denselben Migrationsproblemen befassen.
Daher brauche es einen globalen Dialog.
Dies unterstreiche auch die letzte Woche verabschiedete Strategie zur internationalen Migrationspolitik, in der die Schweizer Regierung bekräftige, dass die Migrationsfragen im globalen Zusammenhang behandelt werden müssten, sagte Gnesa.
Zu den Fragen, die debattiert werden müssen, gehörten natürlich auch die illegale Migration und damit verbundene Herausforderungen wie der Menschenhandel.
Das Forum sei ein guter Ort, um schwierige Fragen anzugehen, weil es kein politisches Gremium sei. «So können alle freier sprechen, Ideen auf den Tisch legen.» Alle könnten voneinander lernen. «Auch die Schweiz kann von den Erfahrungen anderer und dem Austausch profitieren.»
Migrationspartnerschaften
«Wir können und müssen in diesem Dialogforum offen reden. Das heisst auch, den Herkunftsländern die Gründe erläutern, wieso wir nicht einfach die Türen für alle öffnen können.» Man müsse erklären, dass nicht alle eine Arbeit finden könnten.
So seien in der Schweiz in den letzten zehn Jahren 350’000 Stellen für weniger qualifizierte Arbeitnehmer abgebaut und im Gegenzug 450’000 Stellen für Hochqualifizierte geschaffen worden.
Die Schweiz setze daher heute auf Migrationspartnerschaften, bei denen die Interessen beider Seiten wahrgenommen würden wie dies mit Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kosovo bereits geschehe und jetzt auch mit Nigeria erfolgen soll.
Die Industriestaaten sollten die weniger entwickelten Staaten in Zukunft vermehrt konkret unterstützen mit Hilfe in Bereichen wie Bildung oder berufliche Ausbildung, aber auch mit Struktur- und Rückkehrhilfe. Den Menschen sollte es in ihrer Heimat so gehen, dass sie nicht emigrieren müssten.
Nie zuvor haben so viele Menschen auf der Welt ausserhalb ihrer Herkunftsländer gelebt.
2010 waren es nach Schätzungen der UNO gegen 240 Millionen – rund 3% der Weltbevölkerung.
Der weitaus grösste Teil der globalen Migration erfolgt zum Zweck der Arbeitssuche.
Die Transferzahlungen von Migrantinnen und Migranten in ihre Heimatländer übersteigen das Gesamtvolumen der öffentlichen Entwicklungshilfe um ein Vielfaches.
Nach Angaben der Weltbank betrugen die Transferzahlungen der Diaspora 2009 insgesamt etwa 307 Mrd. Dollar.
Aus der Schweiz betrugen die «Remittances» ausländischer Arbeitskräfte an ihre Heimatländer 2009 rund 19 Mrd. Dollar.
Die Schweiz lag damit nach den USA und Saudi-Arabien an 3. Stelle.
(Quelle: Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, EDA)
Über 2 Millionen Migranten und Migrantinnen sind in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in die Schweiz eingewandert.
Sie haben massgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes beigetragen.
Vor dieser Zeit hatten Tausende von Schweizerinnen und Schweizern aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen müssen.
Heute leben rund 10% der Schweizer Bevölkerung im Ausland.
Millionen von Menschen werden jedes Jahr Opfer von Menschenhändlern und Schleppern.
Viele Entwicklungsstaaten leiden unter dem «Brain Drain“, dem Verlust an Wissen, wenn junge, gut ausgebildete Frauen und Männer auswandern.
Gewisse Staaten haben heute Schwierigkeiten mit der Integration von Ausländern und Ausländerinnen.
Fremdenfeindlichkeit, Fremdenhass oder Rassismus treten teilweise offen zu Tage.
(Quelle: Bundesamt für Migration und Aussenministerium)
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