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Neue Allianz zwischen der Mitte-Partei und der Linken

Zwei Männer diskutieren im Parlament
Mitte-Präsident Gerhard Pfister (links) im Gespräch mit dem Co-Präsidenten der Sozialdemokratischen Partei Cédric Wermuth. © Keystone / Alessandro Della Valle

Als die Preise auf Höchststände geklettert sind, eilten die Linke und die Mitte den Haushalten zu Hilfe. Diese neue Allianz gestaltete die von der Energiekrise dominierte Parlamentssession.

Wie kann man einkommensschwachen Haushalten helfen, über die Runden zu kommen, angesichts der infolge des Kriegs gegen die Ukraine angeheizten Inflation? Diese Frage war während der Herbstsession im Parlament allgegenwärtig.

Die Parteien versuchten dabei, ihre Rezepte gegen die geschwundene Kaufkraft vor dem Hintergrund der Energie- und Klimakrise zu verkaufen.

Dank einer beispiellosen Allianz zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SP, links) und der Mittepartei haben sich die Abgeordneten schliesslich dazu durchgerungen, den Rentnerinnen und Rentnern finanziell entgegenzukommen.

Mit Unterstützung der Grünen gelang es den beiden Parteien, zwei ähnliche Motionen sowohl in der Volks- (Nationalrat) als auch in der Kantonskammer (Ständerat) durchzubringen.

Beide Vorlagen sehen eine vollständige Anpassung der Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der Invalidenversicherung (IV) an die Teuerung ab dem 1. Januar 2023 vor.

Im Ständerat funktionierte der Deal zwischen der Mitte und der Linken jedoch etwas weniger gut als im Nationalrat. Die Abgeordneten wiesen zwei ähnliche Texte der Ständerätinnen Isabelle Chassot (Mitte) und Marina Carobbio (SP) an die Kommission zurück.

Sie hatten verlangt, den Anstieg der Krankenkassenprämien etwas abzufedern. Konkret forderten die beiden Ständerätinnen, den Bundesbeitrag zur individuellen Prämienverbilligung im Jahr 2023 mittels eines dringlichen, auf ein Jahr befristeten Bundesbeschlusses um 30 Prozent zu erhöhen. Die Angelegenheit wird weiterverfolgt, weil in der Wintersession eine erneute Debatte über diesen Vorschlag stattfinden soll.

Die Mitte bewegt sich

Ein Jahr vor den Eidgenössischen Wahlen wirft diese Debatte ein Schlaglicht auf die Neupositionierung der Mitte (ex-CVP). Indem sie sich mit der SP verbündet und stärker mit sozialen Themen wie der Kaufkraft profiliert, vollzieht die Partei einen überraschenden Linksrutsch.

In den letzten Jahren hatte sich die Mitte-Partei jedoch eher auf die Seite der Rechten geschlagen. Mit der Übernahme des Präsidiums durch Gerhard Pfister 2016 vollzog die Partei einen Rechtsruck.

Die Boulevardzeitung Blick hatte sich in ihrer französischsprachigen Ausgabe bereits im Mai über die jüngsten Stellungnahmen von Pfister gewundertExterner Link und meinte, dass seine Aussagen «genauso gut von den Jungsozialisten stammen könnten». Der Parteichef der Mitte habe unter anderem erklärt, er wolle, dass die Partei ihre Verantwortung für eine Politik «für die sozial Schwachen und für die Demokratie» wahrnehme, berichtete die Zeitung.

Handelt es sich um einen echten Kurswechsel oder geht es darum, im Jahr vor den Wahlen Aufmerksamkeit zu generieren? Der Parteipräsident verwehrt sich jedenfalls gegen die Darstellung, dass sich die Mitte-Partei der Linken annähere.

«Wir haben bei den Eidgenössischen Abstimmungen vom 25. September für die Reform der AHV 21 gekämpft. Wir haben mehr Themen, bei denen wir mit der SP nicht einverstanden sind, als beispielsweise mit der Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen, bürgerlich)», sagte er am Mittwoch im Westschweizer Radio RTSExterner Link. Wie auch immer: Die Strategie könnte der Partei zusätzliche Stimmen verschaffen.

Ökologische Wende angesichts der Energiekrise

Nach einem heissen Sommer drohten in dieser Parlamentssession eine Stromknappheit im Winter und Stromrechnungen in Rekordhöhe. Angesichts der Energiekrise verabschiedeten die Abgeordneten wichtige Klimaschutzmassnahmen.

Zunächst einmal nahm mit dem Ständerat nun auch die zweite Kammer den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative an. Dieser verankert zum ersten Mal ein klares Ziel im Gesetz: Netto-Null bei den CO2-Emissionen bis 2050.

Zudem definiert der Gegenvorschlag präzise Massnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Unter anderem sollen zwei Milliarden Franken über zehn Jahre bereitgestellt werden, um Hausbesitzenden zu helfen, umweltschädliche Heizungen zu ersetzen.

>> Der Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative erklärt von SRF:

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Die Räte starteten mit dem Gegenvorschlag auch eine Solaroffensive. Dieser Teil des Gegenvorschlags besteht aus mehreren Massnahmen zur Förderung von Solarenergie. Zu den entscheidendsten gehört die Solaranlagen-Pflicht bei Neubauten.

Diese Entscheide sind ein Sieg für die Befürworterinnen und Befürworter der Gletscher-Initiative. Das Komitee hat die Initiative nun zurückgezogen. So könnten sie ihre Ziele ohne eine Volksabstimmung erreichen. Die Rechtskonservativen haben jedoch bereits ein Referendum gegen den Gegenvorschlags des Parlaments angekündigt.

Der verlorene Kampf der Linken

Auch die in Bundesbern seit Jahren andauernde Geschichte um den Kauf der F-35-Kampfflugzeuge fand in der Herbstsession ihr Ende. Nach dem Ständerat gab auch der Nationalrat dem Bundesrat grünes Licht für den Kauf.

Im Anschluss daran unterzeichnete Bundesrätin Viola Amherd bereits den Vertrag über die 36 US-amerikanischen Jets. Die Volksabstimmung über die bereits eingereichte Initiative dagegen wartete sie nicht ab. Die linken Parteien und die Gruppe Schweiz ohne Armee, die hinter der Initiative standen, zogen sie schliesslich zurück.

Das rot-grüne Lager musste in dieser Frage eine grosse Niederlage hinnehmen. Es hatte sich vergeblich für den Kauf eines europäischen Flugzeugs anstelle des amerikanischen eingesetzt.

Die Angelegenheit ist zwar abgeschlossen, könnte aber im Nebeneffekt bewirken, dass die bilateralen Beziehungen zu Frankreich weiter belastetExterner Link werden. Frankreich hatte gehofft, sein Kampfjet-Modell Rafale an die Schweiz verkaufen zu können.

>> Die Analyse der Politologin Giada Gianola:

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Broschüren des F-35-Kampfjets

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«Eine Abstimmung wäre spannend gewesen»

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Unterschriebener Kaufvertrag, zurückgezogene Volksinitiative: Politologin Giada Gianola im Interview zum Ringen um den Kauf der F-35-Kampfjets.

Mehr «Eine Abstimmung wäre spannend gewesen»

Eine kleine Revolution

Die Eizellspende wird in den kommenden Jahren in der Schweiz legal. Das Parlament hat in dieser Frage eine Kehrtwende vollzogen und eine entsprechende Motion angenommen.

Die Schweiz und Deutschland sind die einzigen beiden Länder in Europa, in denen die Eizellspende nicht erlaubt ist. Derzeit können nur Ehepaare, bei denen der Mann unfruchtbar ist, auf eine Samenspende zurückgreifen. Ist aber die Frau unfruchtbar, muss das Paar ins Ausland ausweichen, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen.

>> Der Entscheid über die Eizellspende bei SRF:

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Finden Sie alle Parlamentsdebatten im Amtlichen Bulletin der BundesversammlungExterner Link.

Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub


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