Palästina: Bewegung eher im Kleinen als im Grossen
Nordafrika und der Nahe Osten sind in Bewegung. Auch in den Palästinensischen Gebieten tut sich etwas, doch eher im Kleinen, sagen die Program-Verantwortlichen der schweizerischen Drosos Stiftung, die in der ganzen Region engagiert ist.
Angesichts der Umwälzungen im arabischen Raum hat die offizielle Schweiz ihre Strategie neu definiert: Sie will auf wirtschaftliche Zusammenarbeit setzen, die Rückführung von Potentatengeldern vorantreiben und sich auf den Migrationsbereich konzentrieren.
In einer ersten Tranche hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) 12 Millionen Franken für Massnahmen in Nordafrika und im Nahen Osten für humanitäre Hilfe, Migration, strukturelle Reformen, wirtschaftliche Entwicklung und den Kampf gegen die Armut gesprochen.
Die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) hat in Tunis ein Verbindungsbüro mit drei Mitarbeitern eröffnet, welche diese Strategie umsetzen sollen.
Schon länger in der Region tätig
Während die offizielle Schweiz sich erst jetzt in der Region richtig engagieren wolle, sei die 2003 gegründete Drosos Stiftung schon seit Anfang 2005 im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika operationell tätig, betonte Franz von Däniken, Delegierter des Stiftungsrates und ehemaliger Staatssekretär, an einem Mediengespräch in Zürich.
International konzentriere sich die Drosos Stiftung auf Länder und Regionen, die nicht zu den ärmsten der Welt gehörten, jedoch immense soziale Bedürfnisse aufwiesen. Deshalb liege der geografische Schwerpunkt des Engagements einstweilen in Ländern wie Ägypten, Marokko, Libanon und Syrien sowie im Palästinensischen Gebiet, so von Däniken. Im arabischen Raum seien zudem wenige Schweizer Hilfswerke tätig.
Gaza: Immer noch keine Perspektive
Carole Gürtler, Verantwortliche für die Umsetzung der Drosos-Länderprogramme im Palästinensischen Gebiet und in Israel, war vor kurzem im Gazastreifen.
«Die Situation ist für die Leute dort sehr schwierig. Alltägliche Bedürfnisse können zwar bis zu einem gewissen Grad gedeckt werden. Doch in den Bereichen Wiederaufbau, Ausbildung, Gesundheitswesen und Einkommensgenerierung sieht es düster aus», sagt sie gegenüber swissinfo.ch.
Die Arbeitslosigkeit sei sehr hoch. «Das alles führt zu einer grossen Perspektivenlosigkeit, vor allem bei der mehrheitlich jungen Bevölkerung.» Nicht einmal die Ereignisse im Nachbarland Ägypten vermöchten die Stimmung im Gazastreifen spürbar zu heben.
Unsicherheit für die Zukunft
«Jetzt konzentriert man sich vor allem auf die Situation der Versöhnung von Hamas und Fatah. Da spürt man bei unseren Partnern eine gewisse Unsicherheit, sie wissen nicht, was sie von der Zukunft erwarten können», sagt Carole Gürtler.
Auch im Hinblick auf die Unterstützungsgelder von aussen herrsche Unsicherheit: «Gibt es weiterhin Unterstützung von der EU, von der internationalen Gemeinschaft, wenn Hamas in einer palästinensischen Einheitsregierung vertreten sein wird?»
Die eingeleitete Aufhebung der politischen Spaltung Palästinas in Hamas (Gazastreifen) und Fatah (Westbank) sei für die Bevölkerung überraschend erfolgt. «Man hat es nicht erwartet, und insofern weiss man auch nicht, wie sich das in Zukunft entwickeln wird.»
Zudem seien die Reaktionen unterschiedlich: «In Gaza erhofft man sich mehr, in der Westbank ist man skeptischer. Es fehlt an konkreten Vorstellungen, wie man diese geplante Einheitsregierung Fatah-Hamas umsetzen könnte», sagt Carole Gürtler.
Kleine Fortschritte
Aussichten auf eine baldige Wiederaufnahme von israelisch-palästinensischen Friedensgesprächen oder mögliche grosse Veränderungen durch eine einseitige Ausrufung eines Palästinensischen Staates vor der UNO sind für die Drosos-Programmverantwortliche noch nicht erkennbar.
«Bewegung im Grossen sehe ich im Moment nicht. Fortschritte sehen wir aber im Kleinen, gerade auch bei unseren Partnern. Dort gibt es immer wieder Entwicklungen, die Mut machen.»
Die Drosos Stiftung unterstützt zwölf Projekte in Palästina (10 in der Westbank, 2 in Gaza). «Wir versuchen immer, Projekte mit einer hohen Nachhaltigkeit umzusetzen, was natürlich in Gaza angesichts der dortigen Situation schwieriger ist. Der Zugang ist stark eingeschränkt und die Sicherheitslage ungewiss», sagt Carole Gürtler.
Eine Bibliothek als sicherer Raum
Die Drosos Stiftung unterstützt in Zusammenarbeit mit der palästinensischen Qattan Stiftung den Aufbau einer Bibliothek für Kinder und Jugendliche in der Region Khan Yunis im Gazastreifen.
«Die Jugendlichen dort haben fast keinen Zugang zu Orten, an denen sie sich ohne irgend welchen Druck aufhalten, lesen und spielen können. Das Recht auf Freizeit und Spielen ist in dieser Region schwierig umzusetzen», sagt Carole Gürtler.
«Die Kinder- und Jugendbibliothek soll ein Ort sein, an dem sich Mädchen und Knaben sicher fühlen und Zugang zu Büchern und zu einem vielfältigen Kultur-, Bildungs- und Freizeitprogramm haben.»
Projekt im syrischen Homs sistiert
Auch in Syrien engagiert sich die Stiftung, obwohl die Lage dort äusserst gespannt, unsicher, gefährlich und von täglicher Gewalt geprägt ist. «Meine Kollegin Jane Handal hat trotzdem bereits neun Projekt-Partnerschaften aufgebaut. Es ist aber grundsätzlich schwierig, Partner zu finden, weil es in Syrien keine starke Zivilgesellschaft gibt und nur wenige Nichtregierungs-Organisationen, die Projekte umsetzen könnten.»
Ein Projekt in Homs, im Westen Syriens, kann derzeit allerdings nicht umgesetzt werden. «Das Projekt, dessen Ziel eine verbesserte Betreuung von zerebral gelähmten Kindern und jungen Erwachsenen ist, musste aufgrund der aktuellen Lage leider unterbrochen werden. Wir hoffen jedoch, dass unsere Partner bald wieder weiter arbeiten können», sagt Carole Gürtler.
Die Drosos Stiftung wurde Ende 2003 mit Sitz in Zürich gegründet; seit Anfang 2005 ist sie operationell tätig. Sie verdankt ihre Entstehung einer privaten Initiative und ist als gemeinnützig anerkannt. Weltanschaulich, politisch und religiös ist sie ungebunden.
Die Stiftung ist in der Schweiz und im Ausland tätig, wobei das internationale Engagement überwiegt.
International konzentriert sie sich auf Länder und Regionen, die nicht zu den ärmsten der Welt gehören, jedoch immense soziale Bedürfnisse aufweisen. Der geografische Schwerpunkt des Engagements liegt derzeit auf der Region Naher und Mittlerer Osten sowie Nordafrika.
Nebst Tätigkeiten in der Schweiz bestehen auch im Osten Deutschlands Partnerschaften.
Die Schweiz begrüsst die Einigung der bislang verfeindeten Palästinenser Organisationen Fatah und Hamas.
Die innerpalästinensische Versöhnung sei eine unabdingbare Voraussetzung für die Selbstbestimmung Palästinas, teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit.
Alle Parteien seien nun aufgerufen, sich auf dem Verhandlungsweg für eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts einzusetzen.
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