Politik begeistert junge Schweizerinnen in Italien
Haben die in Italien lebenden jungen Schweizerinnen und Schweizer einen guten Draht zur Schweizer Politik? Und welches sind im Wahljahr 2023 die Themen, die ihnen am meisten unter den Nägeln brennen? Darüber haben wir mit einigen von ihnen während einem Treffen in Trient gesprochen.
«Wie viele von euch werden bei den Schweizer Parlamentswahlen im Oktober wählen gehen?» Von dem Dutzend junger Menschen im Saal hebt etwa die Hälfte die Hand.
Ein ziemlich perfekter Querschnitt durch die Schweiz, denn bei den letzten Wahlen im Jahr 2019 lag die Wahlbeteiligung bei 45%.
Die jungen Frauen und Männer, die am Kongress der Union Junger Schweizer:innenExterner Link (UGS) der Dachorganisation der Schweizer:innen in ItalienExterner Link teilnahmen, sind vielleicht kein genaues Abbild aller in Italien lebenden Schweizerinnen und Schweizer. Denn von denen sind viele nur wenig oder gar nicht an der Schweizer Politik interessiert.
Bei mehreren der jungen Menschen, die nach Trient gereist sind, sieht dies aber anders aus. «Ich nehme mir fast jeden Tag Zeit, um die aktuellen Ereignisse in den Schweizer Nachrichten zu verfolgen», sagt Laetitia.
Da die Bürgerinnen und Bürger ständig in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, hat die starke direkte Demokratie der Schweiz unter den jungen Auslandschweizer:innen viele Anhänger:innen.
Manchmal sei es jedoch etwas schwierig, «auf dem Laufenden zu bleiben», sagt Niccolò. «Die Schweizer Politik interessiert mich. Vor allem die Themen, die sich auf das Land, in dem ich lebe, übertragen lassen, zum Beispiel die Sicherung des Rentensystems. Aber wenn ich mich zu Initiativen und Referenden auf kantonaler Ebene äussern muss, fällt es mir schwer, mir eine Meinung zu bilden, denn ich lebe ja nicht dort.»
Von den Politiker:innen, die auch die jungen Menschen vertreten sollen, verlangen diese vor allem die Einhaltung abgegebener Versprechen. Ferner sollen sie auch auf die Stimmen der jungen Menschen hören und deren Anliegen ernst nehmen, um noch bessere Entscheide zu fällen, sagt Luca.
Kultur des Kompromisses
Die Tatsache, dass man in der auf Konsens ausgerichteten Schweizer Politik einander zuhört und über die Parteiengrenzen hinweg zusammenarbeitet, ist ein Aspekt, den die jungen Schweizerinnen und Schweizer gerne auch häufiger im politischen Leben Italiens sehen würden.
Selbst in der Schweiz können die Debatten bisweilen heiss und die Meinungsverschiedenheiten unüberbrückbar sein. Die Suche nach Kompromissen, die in der Schweizer Demokratie unverzichtbar ist, könnte jedoch als Beispiel dafür dienen, wie man echte «Teamarbeit betreibt, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen», sagt Laetitia.
«Die Politik in der Schweiz ist ein bisschen moralischer als in Italien», sagt Niccolò. Das ist für Laetitia auch gut so. «Lieber eine konstruktive Auseinandersetzung als eine Debatte, bei der es nur darum geht zu gewinnen.»
Die Möglichkeit, elektronisch abstimmen zu können – eine der immer wiederkehrenden Forderungen der Schweizer Diaspora –, ist ein Thema, das auch vielen jungen Schweizer:innen im südlichen Nachbarland am Herzen liegt.
Einige von ihnen betonen auch die Klimafrage, die Beziehungen zur Europäischen Union sowie die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen.
Zuoberst auf der Agenda: Stipendien
Aber das Thema, das sie am meisten beschäftigt, ist ein anderes. «Für uns ist eine der wichtigsten Fragen jene der Stipendien», sagt Bianca Rubino, Vizepräsidentin der Vereinigung.
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Studieren in der Schweiz: Was junge Auslandschweizer:innen wissen müssen
Viele junge Schweizer:innen, die in Italien das Gymnasium besucht haben, möchten eine akademische Ausbildung in der Schweiz machen.
Dies ist zum Beispiel bei Emma* der Fall, die noch nicht 18 Jahre alt ist und die ebenfalls am UGS-Treffen teilnimmt, um sich über die Möglichkeiten eines Stipendiums zu informieren.
Weniger Bürokratie für Schweizer Uni
Laetitia ihrerseits hat in der Schweiz studiert. «Paradoxerweise war das für mich fast einfacher als in Italien. Als Schweizer Bürgerin hat man Vorteile. Mein Bruder ist auch in die Schweiz gezogen, um eine Ausbildung zu machen», sagt sie.
Die Informationen über die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung durch die Kantone – sie sind in der Schweiz für die Vergabe von Stipendien zuständig – erachten die jungen Menschen als recht zufriedenstellend.
Auch wenn vielleicht, wie Niccolò wünscht, «ein bisschen mehr getan werden könnte, um die Möglichkeiten bekannter zu machen». Fakt ist aber, dass ein Überblick sehr schwierig ist, da jeder Kanton andere Regeln hat.
Infos zum Militärdienst ausbaufähig
Auch in anderen Bereichen könnten die Informationen verbessert werden, so der Tenor. «Als ich meinen Militärdienst in der Schweiz leisten wollte, hatte ich einige Schwierigkeiten, zu verstehen, wie das geht», sagt Raffaele Sermoneta. Er wurde an der Tagung zum neuen Präsidenten der Vereinigung UGS gewählt.
Fühlen sich als die jungen Auslandschweizer:innen in Italien von den Schweizer Behörden ausreichend berücksichtigt und versorgt? Im Allgemeinen beurteilen jene, die in Trient zusammengekommen sind, den Service der Schweizerischen Eidgenossenschaft für deren Bürger:innen als sehr positiv. Wenn er beispielsweise ein Dokument benötige, «ist das System sehr effizient», sagt ein junger Mann.
*Name der Redaktion bekannt.
Übertragen aus dem Italienischen: Renat Kuenzi
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