Rückenwind für Hollande, Sarkozy mit Wasser am Hals
François Hollande in der Favoritenrolle, Schlappe für Amtsinhaber Nicolas Sarkozy: So wertet die Schweizer Presse den Ausgang von Runde eins der französischen Präsidentenwahlen. Jetzt beginne das Buhlen um die Stimmen der Ausgeschiedenen.
Für La Liberté kann es praktisch nur einen Sieger geben. Die vereinigten Stimmen der Linken würden François Hollande «einen veritablen Boulevard eröffnen», frohlockt die Zeitung aus Freiburg.
Ganz anders tönt es vom Nouvelliste. Für das Blatt aus dem Wallis ist der Kandidat der Sozialisten nichts weiter als «der Inbegriff der Unsicherheit und der Verdrossenheit».
Die Kommentare der meisten anderen Schweizer Zeitungen liegen irgendwo zwischen diesen Polen. «Präsident Nicolas Sarkozy wankt», schreibt das St. Galler Tagblatt. «Sarkozys Taktik für den ersten Wahlgang ist kläglich gescheitert», folgt der Landbote aus Winterthur.
Die Wähler wollten Sarkozys effekthascherischer «Politik des Bling-bling» ein Ende setzen, weil er ihnen einen empfindlichen Kaufkraftverlust beschert habe, kommt Le Matin zum Schluss. «Aber ist ein Weichei an der Spitze des Staates besser?»
Hollande habe von der Unzufriedenheit über Sarkozy profitieren können, so Le Temps. «François Hollandes Wahlkampf war schwungvoll und ohne Fehler, damit hat er sich besser vom aufgeregten und ungeduldigen Rivalen absetzen können.»
Wo liegt der Schlüssel zum Sieg?
«Rettet Le Pen Sarkozy?», fragt sich der Blick und proklamiert, ohne die Stimmen der Rechtspopulistin sei dieser verloren.
«Sarkozy braucht ein Wunder – und die Wähler von Marine Le Pen», tönt es auch von Bund und Tages-Anzeiger. «Nicolas Sarkozy verlor am Sonntag nicht nur die erste Runde, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Chance auf die Wiederwahl.» Sein bürgerliches Lager sei schwach, seine Popularität im Keller. «Der rechtsextreme Front National war nie stärker. Seinetwegen», so das eindeutige Urteil der beiden Zeitungen.
Sarkozy stehe vor einem «delikaten Hochseilakt», schreibt Le Courrier. Er müsse die Wähler des Front National verführen, ohne jene der Zentristen zu vergraulen. Die linke Zeitung befürchtet gar, dass es in den Bemühungen Sarkozys zu einer «Inflation von Erklärungen zu Sicherheit, Identität bis zu offener Fremdenfeindlichkeit» kommt.
Sarkozy-Partei vor Auseinanderbrechen?
24 heures und La Tribune de Genève sehen im schwachen Abschneiden Sarkozys ein Auseinanderbrechen seiner Partei. Marine Le Pen hoffe, «aus den Trümmern der UMP eine grosse Rechtspartei aufbauen zu können».
«Sozialisten legen das Fundament für den Sieg», titelt etwas unaufgeregter die Neue Zürcher Zeitung, «heikle Ausgangslage» dagegen für Sarkozy. Das Rennen um die französische Präsidentschaft bleibe dennoch offen.
Für die NZZ spielt aber nicht das Lager von Marine Le Pen das Zünglein an der Waage, sondern die Hausmacht des Zentrumspolitikers François Bayrou. Sarkozy werde in den nächsten Tagen den Zentristen sicherlich alle möglichen Avancen machen. «Aber es könnte zu spät sein», befürchtet die NZZ.
Man rechne
«Wird Zentrumskandidat François Bayrou eine Wahlempfehlung abgeben?», lautet auch für die Berner Zeitung die Schlüsselfrage. In der Entscheidung am 6. Mai gehe es aber nicht nur um Inhalte. «Sarkozy oder Hollande ist nicht zuletzt eine Frage des Stils, des Habitus. Extravagante Allüren da, solide Bodenständigkeit dort. Es ist eine Frage des kleineren Übels – und eine der Armbanduhr: Sarkozy trägt eine Patek Philippe, Hollande eine Swatch», so die Berner Zeitung.
«Sarkozy gerät zwischen die Fronten», schreibt die Südostschweiz. Um seiner wankenden Kandidatur neue Dynamik zu verleihen, müsste Sarkozy gleichzeitig Le-Pen-Wähler wie auch die politische Mitte des Zentristen François Bayrou ansprechen – «und das wäre auch vom Tausendsassa im Elysée etwas viel verlangt», so die Südostschweiz.
«Jetzt entscheiden die Pole rechts und links», ist auch für das Bündner Tagblatt klar. Während das linke Lager Hollandes knappe 45% ausmache, könne Sarkozy mit den Stimmen von Marine Le Pen und des Zentristen Bayrou theoretisch auf über die 50% kommen, rechnet die Zeitung. Entscheidend sei nun, ob die Anhänger dieser Lager am 6. Mai für Sarkozy wählten oder zu Hause blieben.
François Hollande (Sozialisten): 28,63%
Nicolas Sarkozy (UMP): 27,08%
Marine Le Pen (Front National): 18,01%
Jean-Luc Mélenchon (Front gauche): 11,13%
François Bayrou (Zentrist): 9,11%
Eva Joly (Grüne): 2,28%
Weitere:
Nicolas Dupont-Aignan (Debout la République): 1,8%
Philippe Poutou (NPA): 1,15%
Nathalie Arthaud (Lutte ouvrière): 0,57%
Jacques Cheminade (Solidarité et Progrès): 0,25%
Am 6. Mai kommt es zur Entscheidung zwischen François Hollande und Nicolas Sarkozy.
Dabei zählt das absolute Mehr der erhaltenen Stimmen.
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